Protocol of the Session on February 15, 2001

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Diskussion hatte in weiten Teilen nicht viel mit objektiven Kriterien zu tun, sondern erinnerte eigentlich an die Verteidigung von Erbhöfen oder so etwas ähnlichem.

Viele von Ihnen betrachten nämlich ihren Wahlkreis gewissermaßen als politischen Erbhof.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zwischen den einzelnen CSU-Abgeordneten begann das Hauen und Stechen mit Brandgesprächen im Innenministerium und auf verschiedenen CSU-Bezirksversammlungen. Wenn man die ganzen Presseveröffentlichungen noch einmal durchblättert, scheint es so, als ob Bayern in Gefahr gewesen ist und als wenn die größte Gebietsreform aller Zeiten angestanden hätte. Tatsächlich geht es aber nur um die Stimmkreise. Die Landkreise sind nicht bedroht.

Herausgekommen ist jetzt eine von personalpolitischen Erwägungen geprägte Neueinteilung der politischen Wahlkreislandschaft. Herr Minister Beckstein, Sie hatten sicher gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht immer den leichtesten Stand. Wir werden es Ihnen aber auch nicht leicht machen. In vielen Punkten haben Sie nämlich nachgegeben und Vorgaben gemacht, die wir uns anders vorgestellt hätten. Auffallend ist, dass die Stimmkreise der Kabinettsmitglieder nicht aufgelöst werden sollen. Auffallend ist auch, dass Stimmkreise, in denen ein Abgeordneter der CSU nicht mehr antreten will, sehr leicht einkassiert wurden.

(Hofmann (CSU): Das ist doch nicht wahr!)

Herr Böhm, Sie haben den Fehler gemacht, zu früh anzukündigen, dass Sie sich aus dem Landtagsleben zurückziehen wollen. Wenn Sie das nicht gemacht hätten, wäre Ihr Stimmkreis Rhön-Grabfeld wahrscheinlich nicht der Stimmkreisreform zum Opfer gefallen. Wir GRÜNEN können uns in dieser Debatte entspannt zurücklehnen. Allerdings geht es nicht an, dass Sie den Zuschnitt der Stimmkreise untereinander auskarteln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bei dem Vorschlag der Neueinteilung hätten die Verwaltungsgrenzen stärker berücksichtigt werden können. Bei den Abweichungen der Zahl der Wahlberechtigten wäre eine stärkere Orientierung an der Vorgabe von 15% sinnvoll gewesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie um etwas mehr Ruhe bitten, wenn schon der Präsident nicht dafür sorgt.

(Hofmann (CSU): Das Präsidium hat gerade gewechselt! Die haben das gar nicht mitgekriegt!)

Ich bitte Sie, auf meine Bitte, etwas ruhiger zu sein, zu reagieren.

(Glocke des Präsidenten – allgemeine Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, ich ziehe diesen Zwischenruf von der Redezeit ab. Dann werden wir hoffentlich etwas Ruhe für Frau Kollegin Tausendfreund bekommen.

Bei den überproportionalen Abweichungen der Wahlberechtigten ist im zweiten Vorschlag gegenüber dem ersten Vorschlag eine Steigerung festzustellen. Besonders herausstellen möchte ich den Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen des Herrn Ministerpräsidenten mit einer Abweichung von plus 20,8%, den Wahlkreis Miesbach mit einer Abweichung von minus 17,9% sowie die mittelfränkischen Stimmkreise Ansbach-Nord mit plus 23,1% und Ansbach-Süd Weißenburg-Gunzenhausen mit plus 23%. Diese Abweichungen hätten nicht sein müssen.

(Breitschwert (CSU): Wie hätten Sie es gemacht?)

Für Mittelfranken haben wir vorgeschlagen, in Ansbach nichts zu ändern, sondern in Nürnberg einen Stimmkreis einzusparen. Diesem Vorschlag wurde jedoch nicht näher getreten. Nun zu den einzelnen Wahlkreisen: Bei Oberbayern-Süd kritisieren wir, dass im südlichen Oberland ein Fleckerlteppich entstanden ist. Dort sind die Landkreisgrenzen unnötigerweise angekratzt worden. In München ist zu kritisieren, dass vier Stadtbezirke durch die Stimmkreisgrenzen durchtrennt werden. In Mittelfranken ist die Aufteilung des Stimmkreises AnsbachSüd zu kritisieren. Dafür hätte in Nürnberg ein Stimmkreis eingespart werden sollen.

(Gabsteiger (CSU): Das ist doch Quatsch!)

In Erlangen und Erlangen-Höchstadt besteht eine Exklavenlage des Marktes Heroldsberg. In Schwaben-Nord sind zwei Städte des Landkreises in den Stimmkreis Augsburg-Stadt-West eingegliedert worden. Bei den übrigen Bezirken haben wir keine Bedenken. Allerdings müssen wir die neuesten Veränderungen im Bereich der Stadt Regensburg noch einmal genau prüfen. Herr Dr. Beckstein, ich werde Sie noch einmal für Modellrechnungen in Ihrem Ministerium heimsuchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit ist die Aussprache geschlossen Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts– und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Damit besteht Einverständnis. Es ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 b

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hufe, Hoderlein, Peters und anderer (SPD)

zur Änderung des Bayerischen Rundfunkgesetzes (Drucksache 14/5613)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von Seiten der Antragsteller begründet. Das Wort hat Herr Kollege Hufe.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Gesetzesänderung eingebracht, um sicherzustellen, dass die Auswahl des Spitzenpersonals im Bayerischen Rundfunk künftig demokratischer und transparenter als bisher erfolgt. Der Rundfunkrat, der aus 47 Mitgliedern besteht und in dem quasi alle gesellschaftlichen Schichten vertreten sind, hat im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verschiedene und sehr weitreichende Rechte. Der Rundfunkrat kann zum Beispiel den Intendanten aus mehreren Persönlichkeiten auswählen. Er kann auch an der Programmgestaltung mitwirken. Eines kann er allerdings nicht: Er kann nicht die Hauptabteilungsleiter, das heißt das Spitzenpersonal unterhalb des Intendanten, wählen. Er kann lediglich dem Vorschlag des Intendanten zustimmen oder diesen Vorschlag ablehnen.

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir dieses Verfahren demokratischer und transparenter gestalten. Wir haben uns mit diesem Gesetzentwurf an das Verfahren angelehnt, das bei den Professoren und Hochschulen angewandt wird. Wir möchten eine öffentliche Ausschreibung erreichen, wie das in vielen anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen der Fall ist. Der Bayerische Rundfunk soll daraufhin eine Sichtung vornehmen. Dann soll der Intendant eine Dreierliste vorlegen, wie das auch bei den Professoren der Fall ist. Eine der in dieser Dreierliste aufgeführten Personen soll dann gewählt werden.

Der Rundfunkrat hat damit eine echte Wahlmöglichkeit und muss nicht mehr nach dem Motto „Friss oder stirb“ handeln. Wir haben uns entschieden, den Gesetzentwurf jetzt einzubringen, weil im Bayerischen Rundfunk die Wahl eines neuen Intendanten ansteht. Dieser wird im Herbst gewählt und im Frühjahr installiert. Der neue Intendant oder die Intendantin soll wissen, unter welchen Bedingungen die Aufgaben wahrzunehmen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Hintergrund unseres Gesetzentwurfs war die Wahl von Frau Scharnagl zur Kulturchefin des Bayerischen Rundfunks. Die gesamte Presselandschaft hat von einer engen Verquickung zwischen dem Bayerischen Rundfunk und der CSU gesprochen.

(Hofmann (CSU): Was ist denn mit der Frau Müller, die früher Frau Clement geheißen hat?)

Dies war in allen Zeitungen zu lesen. Nur im „Bayernkurier“ war davon nichts zu lesen. Aufgrund dieser Diskussion ist dem BR und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Schaden entstanden. Wir wollen, dass ein solcher Schaden – unabhängig von der Person der Frau Scharnagl – in Zukunft nicht mehr vorkommt. Wir haben diesen Fall lediglich zum Anlass genommen.

(Zuruf von der CSU)

Wenn Sie der Meinung sind, dass das in Ordnung ist, dann können Sie dem Gesetzentwurf und dem transparenten Verfahren zustimmen. Damit können Sie die Rechte des volkvertretenden Rundfunkrates stärken. Das würde der CSU gut zu Gesicht stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir stellen uns quasi einer öffentlichen Ausschreibung. Die Abgeordneten des Bayerischen Landtags werden vom Volk gewählt. Vielleicht sollte man dieses Verfahren auch auf das Kabinett ausdehnen und auch für die Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung eine öffentliche Ausschreibung einführen. So weit wollten wir mit unserem Gesetzentwurf aber nicht gehen. Wir gehen auf jeden Fall hoffnungsvoll in die Beratungen. Wir hoffen, dass wir eine Mehrheit finden. Wir werden die Sache auch in den Gremien des Bayerischen Rundfunks beraten und dazu sicherlich auch eine Stellungnahme bekommen. Ich bin jedenfalls hoffnungsfroh, dass wir Sie im Laufe des Verfahrens von unserem Gesetzentwurf überzeugen können. Bei Herrn Hofmann wird uns das vielleicht nicht gelingen, aber bei ihm habe ich die Hoffnung sowieso aufgegeben. Die Mehrheit werden wir aber vielleicht überzeugen können.

(Hofmann (CSU): Ich habe nicht zugehört, was Sie sagten!)

Sie haben nicht zugehört, aber dazwischengerufen. Wir sind also voll der Hoffnung, dass wir eine demokratische Mehrheit aus den Reihen der CSU davon überzeugen können, dass dieses Verfahren, das Staatsminister Zehetmair bei den Professoren der Universitäten seit Jahr und Tag mit Erfolg pflegt, auch in den Bayerischen Rundfunk einbringen können. In den Fachausschüssen werden wir uns damit detailliert auseinander setzen.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Runge. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu Herrn Kollegen Hufe gebe ich die Hoffnung nie auf, schon gar nicht, was den Kollegen Hofmann anbelangt.

(Hufe (SPD): Man muss um jede Stimme kämpfen!)

Zwei Vorbemerkungen kann ich mir nicht verkneifen: Zum ersten erinnere ich an die Diskussion, in der es um die Gebührenerhöhungen ging. Ich verweise auf die letzte Lesung zum 5. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Damals wollte niemand in letzter Lesung diskutieren. Dieses Mal gehen wir schon in der Ersten Lesung voll in die Bütt.

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Bemerkung des Kollegen Hufe, alle gesellschaftlichen Gruppen bzw. möglichst viele von ihnen seien im Rundfunkrat vertreten. Leider sind wir in dieser Frage mit unserem Gesetzentwurf noch nicht weitergekommen.

Der Rundfunkrat ist zumindest das höchste Aufsichtsgremium des Bayerischen Rundfunks. Dennoch ist er in unseren Augen ein zahnloser Tiger. Kollege Hufe hat bereits dargestellt, wofür der Rundfunkrat zuständig ist. Er kann einige wenige Personalentscheidungen fällen, das betrifft beispielsweise den Intendanten und seine Stellvertreterin oder seinen Stellvertreter. Auch der Ver

waltungsrat und die gewählten Hauptabteilungsleiter und das Direktorium werden bestätigt. Haushalt und Jahresabschluss fallen ebenso in seine Zuständigkeit. Daneben soll der Rundfunkrat eigentlich den Intendanten und den Bayerischen Rundfunk kontrollieren und beraten. Wie wir aber alle wissen, sind diese Kontrollmöglichkeiten stark eingeschränkt.

Wir sehen in dem Antrag eine Stärkung des Rundfunkrates und werden ihn deshalb unterstützen. Kollege Hufe hat ausgeführt, dass der Antrag auch eine Reaktion auf die Besetzung der Hauptabteilung Kultur ist, die stark in den Medien diskutiert wurde. Wir meinen, dabei ist einiges unglücklich gelaufen. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie sollten den Gesetzentwurf eigentlich als Chance sehen, denn letztlich kann sich eine Entscheidungsfindung auch im Sinne des Intendanten und der Bewerber entwickeln.

(Beifall des Abgeordneten Hufe (SPD))

Sie könnten in Ihrer Argumentation so gut sein, dass Sie uns überzeugen, derjenige oder diejenige, den oder die Sie vorgeschlagen haben, ist in der Tat der beste Kandidat bzw. die beste Kandidatin. Wir könnten uns dann sehr viel auf anderen Schauplätzen ersparen.