Protocol of the Session on January 31, 2001

Massenhafter Einsatz von Tierarzneistoffen findet in allen Bereichen der Nutztierhaltung statt, nicht nur in der Schweinezucht, sondern auch in der Geflügelzucht und insbesondere in der Putenmast, und sogar in der Fischzucht soll in verbotener Weise nicht artgerecht gefüttert und sollen verbotenerweise Medikamente eingesetzt werden. Der Einsatz dieser Mittel ist nicht die Ausnahme, sondern die traurige Regel in Ihrer „guten fachlichen Praxis“, die Sie über Jahre und Jahrzehnte vertreten und aufgebaut haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Besonders in der Jungtieraufzucht geht häufig

(Allgemeine Unruhe – Glocke des Präsidenten)

ohne Antibiotikaspritze und Futtermedizin nichts mehr. Die Spritze ist mittlerweile das tägliche Handwerkszeug auch des normalen Bauern geworden, wie früher das die Mistgabel war. Einige Beispiele: Wo sind die Spezialisten und Spezialistinnen, wie Frau Schweiger? Die Ferkelaufzucht geht nur noch mit Impfplan: Eisen und mehrmals Antibiotika – anders geht es offenbar nicht mehr in den konventionellen Betrieben –, Kupfer im Kälberfutter, Einsatz von Medizinalfutter – bei den geringsten Anzeichen von Erkrankungen, oft genug auch schon ohne Anzeichen. Wir haben das im Landwirtschaftsausschuss immer wieder diskutiert. Sie haben unsere Warnungen in den Wind geschlagen – wie unsere Vorsitzende gerne sagt. Antibiotika zum Trockenstellen der Kühe sind die Regel und nicht die Ausnahme. Die Hormonspritze für die Rausche in der Schweinezucht sind schon selbstverständlich. Das ist die ganz normale beschissene Praxis. – Herr Präsident.

Das ist eine Verwilderung der Sprache, Herr Kollege. Das ist nicht rügenswert, aber es ist eine Verwilderung.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Landwirtschaft ist es noch schlimmer!)

Ich habe es sofort bemerkt, Herr Präsident, deswegen habe ich mich geduckt.

Ich verkenne die Probleme nicht, in denen der Durchschnittslandwirt steckt. Von kriminellen Machenschaften haben wir heute schon genug gehört. Nach jahrzehntelanger Preisdruckpolitik wird auch noch nach dem letzten Strohhalm – auch wenn es ein chemischer ist – gegriffen, um ein paar Mark zu verdienen. Die Hemmschwelle der Bauern, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur chemischen Keule zu greifen, ist allerdings durch Ihre Art und Weise, wie Sie die Bauern beschulen, beraten, wie geforscht wird und was in den Fachmagazinen zu lesen ist, die voll von Chemiereklame sind, sehr niedrig geworden. Das ist das große Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wie wirkt sich diese Turbomast auf die Verbraucher aus? – Dazu einige Beispiele: Das geringste Problem ist noch das PSE-Fleisch. Ich muss das deutlich machen. Die fränkische Aussprache kann leicht zu einem Missverständnis führen. Ich meine nicht BSE-Fleisch, sondern PSE-Fleisch, das als wässeriges Fleisch bekannt ist, und das in der Pfanne auf die Hälfte zusammenschrumpft. Das ist das normale Ergebnis der Turbomast. Wegen dieser Erfahrung kaufen immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher Fleisch aus biologischer Erzeugung. Hier tritt dieses Phänomen nicht auf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Besonders problematisch ist, dass durch diese Misswirtschaft vermehrt Allergien und Antibiotikaresistenzen auftreten. Mittlerweile werden bei 50% der Rinder die gefährlichen EHEC-Bakterien gefunden. Vor zehn Jahren war das noch bei 2% bis 5% der Rinder der Fall. Jetzt sind wir bei über 50%. Diese Entwicklung stellt sich zwangsläufig ein, wenn falsch – zuviel Eiweiß und zuviel Kraftfutter – gefüttert wird. Das haben Studien in den USA, Kanada und anderswo erwiesen.

Die GRÜNEN warnen seit Jahren vor dieser Fehlentwicklung und wurden von Ihnen – unsere Vorsitzende hat das vorhin angesprochen –, im Landwirtschaftsausschuss oder hier an dieser Stelle regelmäßig verlacht und verhöhnt. Unsere Forderungen nach mehr Qualitätsorientierung, nach mehr ökologischer, natürlicher und bodengebundener Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion haben Sie regelmäßig verlacht. Herr Vorsitzender Loscher-Frühwald, Sie können nachher dazu etwas sagen. Sie können die Protokolle haarklein nachlesen, wie Sie uns für unsere Forderungen regelmäßig haben abblitzen lassen. Jetzt sind diese Forderungen plötzlich selbstverständlich. Staatsminister Miller übertrifft uns fast schon mit seinen Forderungen. In der Vergangenheit wollte er aber nichts davon wissen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD hat uns zum Teil ausgebremst. Hätten Sie alle nur die Hälfte unserer Anträge in diese Richtung angenommen, stünden wir in Bayern als „Feinkostladen Deutschlands oder Europas“ da.

Was wäre das für ein Segen für die bayerischen Bauern, wenn sie die Sonderstellung hätten, die wir ihnen in diesem Lande immer verschaffen wollten!

(Zuruf des Abgeordneten Heckel (CSU))

Lieber Kollege Heckel, lesen Sie die Protokolle über die Beratung der Anträge, die wir zum Beispiel im Jahr 1998 gestellt haben.

(Hofmann (CSU): Hättet ihr damit BSE verhindert?)

Ich erinnere an meine Worte hier zum Gesetzentwurf zur Privatisierung der Fleischbeschau, als ich die Chronologie der Verschlechterung des Verbraucherschutzes durch einige Maßnahmen der Staatsregierung vorgetragen habe.

(Hofmann (CSU): Wollen Sie damit sagen, dass es dadurch keinen BSE-Fall gegeben hätte? – Zurufe von der SPD)

Ich nenne die Eingliederung der Veterinärämter in die Landratsämter. Wir haben Ihnen gesagt – auch der Städte- und Gemeindetag hat Ihnen das gesagt –, dass die Privatisierung der Fleischbeschau und die anderen Maßnahmen nicht gut gehen können, vor allem das Geflecht, das Sie mit dem Tiergesundheitsdienst aufgebaut haben, der sich durch seine Unterorganisationen, etwa durch eigene Labors, selbst kontrolliert. Wir haben schon damals gesagt, dass das eine Katastrophe für den Verbraucherschutz ist.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Lesen Sie das Protokoll vom 8. Juli 1998 darüber nach, Herr Hofmann.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gehen Sie in sich, Herr Hofmann! Zeigen Sie Reue!)

Statt echten Verbraucherschutz zu installieren, haben Sie ein System zur Verschleierung und Legalisierung dieser Misswirtschaft aufgebaut. Hand in Hand mit der Fleischindustrie und dem Bauernverband haben zwei Ministerien ein Filzsystem der Eigenkontrolle aufgebaut, um die ganze Misswirtschaft zu verschleiern. Das funktioniert bis heute. Deshalb haben wir einen Antrag eingebracht, in dem wir fordern, dass dieses System offengelegt und geändert werden muss.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Es darf nicht sein, dass sich die Landwirtschafts- und Fleischlobby weiterhin selbst kontrolliert. Es war die größte Dummheit, die man jemals gemacht hat, den Tiergesundheitsdienst mit all seinen Untergliederungen derart zu installieren.

Wir haben einen richtungweisenden Antrag gestellt: Heraus aus der Turbomast! Da meine Redezeit zu Ende ist, kann ich ihn nicht weiter erläutern. Sie können ihn aber lesen. Wir sind bereit, Sie bei der Agrar- und Landwirtschaftswende zu unterstützen. Dazu braucht es aber neue Köpfe. Lieber Herr Minister, seien Sie so nett und räumen Sie Ihren Stuhl. Nehmen Sie Ihren Hut und gehen, und nehmen dabei viele führende Köpfe aus dem Ministerium, die Sie miserabel beraten haben, gleich mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Loscher-Frühwald, bitte.

Herr Präsident, Hohes Haus! Ich will zunächst zu den drei vorliegenden Dringlichkeitsanträgen ein Wort sagen. Herr Starzmann, der Antrag auf Drucksache 14/5617 mit der Überschrift „Keine weitere Verbrauchergefährdung durch Medikamente in der Schweinemast“ wird in den zuständigen Fachausschuss überwiesen. Wir werden ihm zustimmen. Man kann dazu im Plenum nicht so ausführlich Stellung nehmen, wie es notwendig ist. Der Antrag wird sicher diskutiert werden. Zu dem Antrag auf Drucksache 14/5618, „Raus aus der Turbomast!“, werde ich gleich etwas sagen. – Im Antrag auf Drucksache 14/5622 wird ein schriftlicher Bericht der Staatsregierung gefordert. Er wird sicher gegeben werden.

Nun zu dem Antrag auf Drucksache 14/5618: Herr Kollege Schammann, wir werden diesem Antrag nicht zustimmen. Das will ich begründen. In Ziffer 1 fordern Sie eine Umstellung der Investitionen nach den Kriterien der Ökotierverordnung. Dazu muss ich feststellen, dass unser Agrarinvestitionsprogramm nach den Richtlinien

des Bundes und des Landes auch mit der Europäischen Union abgestimmt werden muss. Die Europäische Union hat eine Ökotierverordnung erlassen. Für die Betriebe, welche diese Ökotierverordnung einhalten müssen, ergeben sich bestimmte Probleme bezüglich der Fläche, des Auslaufs und dergleichen mehr. Einen bayerischen Alleingang wird es hier nicht geben können. Betroffen sind alle Ökobetriebe, nicht nur diejenigen, die jetzt umstellen wollen. Sie haben Ihre Forderung speziell auf jene Betriebe bezogen, die jetzt vom konventionellen auf den ökologischen Betrieb umstellen wollen.

In Ziffer 2 fordern Sie eine Begrenzung des Tierbestandes auf zwei Großvieheinheiten pro Hektar. Damit treffen Sie aber nicht die intensiven Schweinemastbetriebe, um die es geht. Über dieses Thema haben wir heute genügend gehört. Sie treffen damit vor allem die kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe in den Grünlandgebieten, also im Allgäu und gewiss auch in Oberbayern. Diesen Betrieben fehlt weitgehend die notwendige Flächenausstattung. Die Begrenzung, die Sie fordern, kann nicht bedeuten, dass bis zu zwei Großvieheinheiten gefördert werden, sondern nach meiner Beurteilung würde für diese Betriebe die Förderung dann insgesamt wegfallen. Diesem Schnellschuss werden wir nicht zustimmen. Wir möchten, dass so etwas in ganz Deutschland und auch auf europäischer Ebene durchgesetzt wird; denn wir stehen nach wie vor im europäischen und auch im globalen Wettbewerb. Ich bin neugierig, was Frau Künast in dieser Richtung unternimmt, und ob sie die Begrenzung auf zwei Großvieheinheiten durchsetzen will. Wir werden sie dabei gerne unterstützen. Das bedarf aber noch weiterer Diskussion und weiterer Überlegungen.

In Ziffer 3 Ihres Antrags fordern Sie, die Silomaisprämie abzuschaffen. Die Silomaisprämie ist kein bayerisches Förderprogramm, sondern eine Förderung von der Europäischen Union aufgrund der Kulturpflanzenregelung. Deshalb ist die Silomaisprämie höher als die Prämie für Getreidebau. Wir sind nicht gegen eine Umstellung auf eine Grünlandprämie oder auf Prämien zum Anbau von Leguminosen und Ölpflanzen. Das liegt aber nicht in unserer Entscheidungskompetenz, sondern das muss auf europäischer Ebene entschieden werden. Ich bin neugierig, ob Frau Künast das in Brüssel durchsetzen wird.

In Ziffer 4 wollen Sie die Verwendung von Antibiotika und sonstigen Leistungsförderern im Futtermittelbereich generell unterbinden. Da gehen wir sogar noch einen Schritt weiter als Sie. Wir fordern, dass die Produktion derartiger leistungsfördernder Arzneimittel verboten werden muss, weil wir wissen, dass solche Mittel, wenn sie produziert sind, letztlich auch eingesetzt werden. Deshalb wollen wir ein Verbot in Deutschland und in der Europäischen Union erreichen.

In Ziffer 5 verlangen Sie, den Einsatz von Futtermitteln mit gentechnisch veränderten Anteilen in Bayern generell zu unterbinden. Herr Starzmann, Futtermittel werden nicht nur in Bayern und Deutschland, sondern europaund weltweit gehandelt. Mir ist bekannt – diese Zahlen können Sie aus der Fachpresse entnehmen –, dass weltweit auf über 37 Millionen Hektar genveränderte Pflanzen angebaut werden. Daher wird es schwierig

sein, in Bayern dafür zu sorgen, dass keine gentechnisch veränderten Futtermittel eingesetzt werden. Herr Kollege Schammann, ich werde der Bundeslandwirtschaftsministerin Künast einen Brief schreiben; ich werde der Ministerin Ihren Antrag schicken und sie bitten, zu den einzelnen Ziffern aus der Sicht der Bundesagrarpolitik Stellung zu nehmen. Das werde ich per Einschreiben schicken mit der Bitte, uns möglichst schnell konkrete Antworten zu geben.

(Beifall bei der CSU)

Futtermittelrecht ist Bundesrecht. Herr Kollege Schammann, all das, was Sie fordern, müssen Sie zunächst auf Bundesebene voranbringen. Unsere Aufgabe ist die Kontrolle, dass Standards eingehalten werden. Wir werden sehr darüber wachen, dass strenge Kontrollen durchgeführt werden, und zwar nicht nur bei den Landwirten, sondern auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen. Bei der Vorsorge und beim Verbraucherschutz müssen alle Bereiche, die mit der Nahrungsmittelproduktion zu tun haben, in strenge Kontrollen einbezogen werden.

Es war meiner Auffassung nach höchste Zeit, dass man sich auf europäischer Ebene darauf geeinigt hat, den Einsatz von Antibiotika als Masthilfsmittel zu verbieten. Doch kann es nicht sein, meine ich, dass man in dem Zusammenhang eine Übergangsfrist von fünf Jahren festsetzt. Wir fordern ein sofortiges Verbot, nicht eines, das erst in fünf Jahren greift.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Herr Kollege Schammann, schon mit dem Thema Ihres vorliegenden Dringlichkeitsantrags – die Antragsüberschrift lautet: Raus aus der Turbomast! – versuchen Sie, Landwirtschaft und gleichzeitig Lehre, Forschung und Beratung in eine Ecke zu stellen, in die sie nicht gestellt werden dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Schammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dort stehen sie aber!)

Die überwiegende Mehrheit unserer Landwirte ist sich der eigenen Verantwortung bewusst und erzeugt qualitativ hochwertige und auch gesunde Nahrungsmittel. Wir sagen: Aufgetretene Fehler müssen konsequent bereinigt werden. Doch wehre ich mich dagegen, dass jetzt die gesamte Landwirtschaft an den Pranger gestellt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Lehre und Forschung verfolgen nicht das Ziel, die wissenschaftliche Grundlage für „Turbomast“ zu liefern. Wer das behauptet, unterstellt etwas, was nicht zutrifft.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist mit den Antibiotika? Was ist mit den Hormonen?)

In der Tierzucht und bei den damit zusammenhängenden Aufgaben richtet man sich nach vielen Gesichtspunkten, vor allem nach den Aspekten Tiergerechtigkeit, Tierschutz, Gesundheit und Verbraucherschutz. Eine