Protocol of the Session on November 10, 2000

Nächster Redner ist Herr Kollege Steinmaßl.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit dem 31. Oktober dieses Jahres sind die Protokolle zur Alpenkonvention endlich unterschrieben. Endlich haben alle Staaten, vor allem auch Österreich unterzeichnet. Jetzt gilt es, die Konvention schnell umzusetzen. Das ist nicht nur der Wunsch der GRÜNEN, sondern all derer, denen etwas an den Alpen liegt. Auch wenn Bayern nur einen Flächenanteil von 6% an den Alpen hat, so ist es für uns doch eine große Herausforderung, hier mitzutun. Entscheidend aber sind nicht die Protokolle, sondern wie gehandelt wird.

Es kommt mir immer so vor, als würden die Kollegen Sprinkart und Starzmann in ihrer Kritik Bayern mit dem Paradies vergleichen. Das gilt vor allem für Sie, Herr Sprinkart und in abgeschmälerter Form auch für Sie, Herr Starzmann. Wir erreichen dieses Ziel knapp, aber alles können wir nicht machen. Wenn man Bayern aber mit den anderen Alpenländern vergleicht, dann sind wir in allen Fragen weit vorn.

(Beifall des Abgeordneten Kaul (CSU))

Das beste Beispiel hierfür ist der Alpenplan. Der Alpenplan wurde 1972 entwickelt und in dieser Form nur in Bayern umgesetzt. Ich nenne die Jahreszahl noch einmal: 1972. Das ist lange, bevor es grüne Politiker hier im Bayerischen Landtag oder überhaupt gegeben hat. Mit diesem Alpenplan wurden über zwei Drittel der Flächen abgesichert, so dass dort kaum mehr Siedlung und Entwicklung stattfinden kann. Damit hat Bayern das Instrumentarium geschaffen, das bei allen Zielen der Alpenkonvention weit vorn steht: die Anwendung der Raumplanung als präventive Maßnahme. Das hat die letzte ad hoc-Expertengruppe „Lawinenereignisse 1999“ wieder eindrucksvoll bestätigt. Es ist eine Kommission aus Vertretern aller Alpenländer. Sie haben festgestellt, dass gerade Bayern mit seiner Prävention erreicht hat, dass durch Raumplanung gefährliche Gebiete und damit auch Naturgebiete freigehalten werden. Es zeigt sich deutlich, dass Bayern das einzige Land ist, das von der Ebene des Landes aus restriktiv handelt. Die Schweiz und Österreich haben dies hingegen ihren Gemeinden überlassen. Das Ergebnis können Sie sehen: der Wettlauf um Touristen und die Verbauung der Landschaft. Ich möchte den anderen Ländern keinen Spiegel vorhalten, aber wir sollten deutlich machen, wie wir uns in Bayern gemäß den Zielen der Alpenplanung vorbildlich verhalten haben. Das ist entscheidend.

(Beifall des Abgeordneten Kaul (CSU))

Nun gibt es noch aktuelle Dinge zu erledigen. Es werden viele kleine Projekte durchgeführt. Sie haben das auch angedeutet: Die Novelle „Naturschutzgebiet 1998“ hat die alpinen Bereiche in Artikel 13 besonders hervorgehoben. Wir haben einen Umweltpakt mit den Nutzern der Alpen geschlossen, mit den Kletterern, den Moutainbikern. Es gibt Forschungsprojekte zum Skisport in Verbindung zum Wald. Inzwischen gibt es Vereinbarungen mit dem Jagdverband, um die Schonzeiten zu verändern, damit die Verbissschäden noch weiter zurückgehen. Mit dem Förderprogramm „Buckelwiese“ unterstützen wir die Almwirtschaft. Hier darf ich mich an das anschließen, was Herr Kollege Zeller bereits sagte. Wir müssen selbstverständlich dafür sorgen, dass die Almwirtschaft funktionieren kann, denn sie ist es, die unsere Alpen als die Heimat gestaltet und erhält, wie sie das seit Jahrhunderten getan haben. Man muss die Almwirtschaft deshalb stützen und den Almbauern helfen.

Eines möchte ich noch zum Bergwald sagen: Sie wissen sehr genau, für die Gefährdung und Schädigung des Bergwaldes, sind vor allem auch Immissionen aus außeralpinen Bereichen verantwortlich. Deshalb muss man auch bei der Energiepolitik konsequent sein. Wenn es Einsparungen beim Energieverbrauch gibt, dann sollte

man nicht Atomkraftwerke, sondern Kohlekraftwerke bzw. fossile Kraftwerke abschalten. Dann tut man nämlich auch etwas für den Klimaschutz.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie waren auch schon besser ! – Zurufe von Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben die Alpenbiotopkartierung und Lifeprojekte und viele andere Dinge vor Ort. Inzwischen gibt es auch viele EU-Programme, die vor Ort umgesetzt werden. Das sind alles Dinge, die helfen, um die Dinge voranzutreiben. Wir werden einen Antrag im Hinblick auf die Euregionis und die Agendaprozesse in den Gemeinden einbringen, damit auch vor Ort einiges getan wird, um die Ziele der Alpenkonvention umzusetzen. Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Sie, Herr Starzmann, haben das Beispiel Inzell genannt. Ich möchte deshalb an den ehemaligen Bürgermeister Schwabl erinnern, der auch als Abgeordneter der SPD-Fraktion diesem Hause angehörte. Er ist stolz darauf, dass Inzell sich so entwickelt hat, wie es heute ist. In Inzell wurde der Tourismus weit vorangebracht. Das wollte ich nur nebenbei anmerken.

Im Hinblick darauf, dass Bayern nur für 6% der Alpenfläche verantwortlich ist, hat die Staatsregierung Vorbildliches geleistet, das alpenweit nachahmenswert ist. Das Bessere ist der Feind des Guten. Wir können noch vieles tun; vielleicht machen wir auch das, was die CIPRA vorschlägt: Sie empfiehlt, eine schwarze und eine weiße Liste zu führen.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre nicht schlecht!)

In der weißen Liste werden die positiven Projekte der Länder dargestellt, in der schwarzen Liste die negativen. Ich bin überzeugt, Bayern würde sich überwiegend auf der weißen Liste befinden.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Lück.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Heute geht es um ein Thema, das schon längst auf die Tagesordnung gehört hätte. Deshalb bedanke ich mich ausdrücklich für die heutige Debatte. Leider konnten wir das Thema vor einem Monat im Ausschuss nicht behandeln, da die CSU um Vertagung gebeten hatte, um sich eindringlicher mit dem Thema beschäftigen zu können.

Die Alpen sind mehr als Skipisten und Bergwanderwege. Sie sind Lebensraum für 12 Millionen Menschen und bestimmen als das Haus Europas die Zukunft Europas entscheidend mit.

Bauen, pflanzen und pflegen heißt auf lateinisch colere, dass Stammwort für Kultur. So wurde durch den menschlichen Einfluss die Naturlandschaft der Alpen überwiegend zu unserer heutigen Kulturlandschaft

gemacht, und diese einzigartige Landschaft – da sind wir uns einig – muss zum einen als kulturelles Erbe den kommenden Generationen erhalten werden und zum anderen den heute dort Lebenden – Herr Zeller, das ist auch unsere Meinung – zur Existenzsicherung dienen.

Der Alpenraum ist in vielen Bereichen bereits eine Erfolgsstory für wirtschaftliches Wachstum. Allerdings kommen dabei die sozialen und ökologischen Gesichtspunkte oft genug unter die Räder. Deswegen brauchen wir Strategien und Verhaltensweisen, die diese scheinbaren Gegensätze verbinden. Die Alpenschutzkonvention als leider teilweise unbekanntes Gebilde soll dies leisten. Mit den Beschlüssen von Luzern kommen wir wieder in neues, vielleicht auch lebendigeres Fahrwasser.

Zusammenhängende Lebensräume mit ähnlichen Problemen sollen über die Grenzen hinweg gemeinsam geschützt werden. Dass dies notwendig ist und sowohl partei- und als auch länderübergreifend befürwortet wird, ist auch ein Erfolg der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Sozialisten im Alpenraum, der ASA, die dieses Problem bereits in den siebziger Jahren aufgegriffen hat und die unermüdlich auf internationalen Fachtagungen und Konferenzen den Weg für die Alpenschutzkonvention bereitet hat.

Wo stehen wir nun heute, zehn Jahre nach der Verabschiedung der Leitlinien zur Alpenschutzkonvention und den erarbeiteten Protokollen? Papiere sind genug erstellt worden, Herr Steinmaßl, es sind wirklich viele da. Doch hapert es ganz gewaltig an der Umsetzung. Die Umsetzung in den Ländern jetzt zügig voranzubringen ist überfällig, das Dank unseres Einsatzes jetzt eingerichtete Ständige Sekretariat soll dabei helfen.

Und ich muss noch eines sagen, Herr Zeller. Wir sind in vielem Vorreiter und wir haben vieles erreicht. Wir sind weit gekommen. Aber ich glaube, ohne die Bremserfunktion einiger CSUler, die solche Dinge etwas negativ abtun, wären wir schon weiter. Die Menschen wollen ihre Lebensgrundlagen verbessern und sie wollen teilweise Bioreservate, um eine zukunftsfähige Basis für ihr Leben zu erhalten.

Dem Bergwald – auch das wurde bereits gesagt – geht es trotz der vielen Papiere, trotz unserer fortschrittlichen Politik leider wieder schlechter. Die Katastrophen nehmen zu. „Wiebke“, „Lothar“, Lawinen, Muren und Hochwasser lösen sich in immer kürzerer Folge ab. Wir reden von Nachhaltigkeit. Der Herr Umweltminister fängt jede seiner Reden mit Nachhaltigkeit an und endet damit. Diese Nachhaltigkeit ist nirgends so notwendig wie gerade im Bergwald,

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

aber bei der Umsetzung der Bergwald-Beschlüsse wird sie oft genug „nachhaltig“ vergessen. Das Bayerische Umweltverträglichkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz wurde so gestaltet, dass Berg- und Sesselbahnen ihre Beförderungskapazitäten drastisch von 2 auf 3,9 Tausend Personen ohne UVP erhöhen können.

(Zuruf von Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): So ist es!)

Der Schwellenwert mit 10 Hektar für Baumaßnahmen, Erdbewegungen und dergleichen ist so hoch gesetzt, dass zirka 98% aller Skipisten ohne UVP auskommen. Und Beschneiungsanlagen sind – Herr Zeller, Sie haben es gesagt –, in den letzten Jahren massenhaft genehmigt worden.

(Zuruf von der CSU: 29 sind eine Masse?)

Sie müssen das in Hektar sehen in Bezug auf unsere wenigen Skihänge. Ich muss sagen: Gott sei Dank fehlt es mancherorts am nötigen Kleingeld zum Bau und Gott sie Dank können wir die Forderungen nach Subventionen nach wie vor verhindern. Im Grunde klaffen auch hier Reden und Handeln meilenweit auseinander.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Entwicklung zeigt, dass bloße Beschwörungen die einzigartige Landschaft nicht erhalten.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich komme bald zum Schluss.

(Heiterkeit)

Die Agenda 21 muss umgesetzt werden, sie bietet genau die richtigen Ansätze; und die Menschen sollen natürlich einbezogen werden, Herr Zeller. Die jetzt beschlossenen Alpenraumprogramme hören sich toll an – sie werden ja auch von der EU finanziert –, aber wir müssen auch die Protokolle umsetzen. Ich hoffe, da Sie uns jetzt vehement das Wort geredet haben, dass Sie künftig unseren Anträgen zustimmen, die hier etwas voranbringen.

(Abg. Maget (SPD): Er hat es tatsächlich so gesagt!)

Ich glaube, wenn Sie zustimmen und das auch umsetzen, sind wir auf einem guten Weg.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Kreidl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Hauptdiskussionspunkt bei der sechsten Alpenschutzkonferenz in Luzern war das Verkehrsprotokoll, wie bereits erwähnt worden ist. Dieses Verkehrsprotokoll zählt zweifelsohne zu den wichtigsten Vereinbarungen im Rahmen der Alpenschutzkonvention. Ich darf in meinen Ausführungen zunächst auf die wesentlichen Ziele hinweisen, die im Zusammenhang mit dem Verkehrsprotokoll zu sehen sind. Es geht in erster Linie darum, die Belastungen und Risiken des inneralpinen aber auch des alpenquerenden Verkehrs

auf ein Maß zu senken, das für die Menschen, die Tiere und auch für die Pflanzen erträglich ist. Das soll erreicht werden durch eine verstärkte Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. Dies wiederum bedeutet letzten Endes, dass der Individualverkehr auf der Straße weitgehend eingeschränkt werden soll; denn vom Zurückdrängen kann man bedauerlicherweise kaum mehr reden.

Das Verkehrsprotokoll wurde nach langen Verhandlungen – insgesamt hat es zehn Jahre gedauert – am 31.10.2000 in Luzern unterzeichnet. Die ursächliche Schwierigkeit, die zu überwinden war und einer Unterzeichnung lange im Wege stand, waren die starre Haltung Österreichs, das ein Vetorecht auch für Straßenprojekte in den Nachbarstaaten verankert wissen wollte. Das hat Österreich sehr viel Kritik eingebracht. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass man für diese Haltung der Alpenrepublik durchaus Verständnis aufbringen muss, wenn man bedenkt, dass 28% der Fläche des Alpenraums in Österreich liegt. Damit entfällt der höchste Anteil aller acht Anrainerstaaten auf den Nachbarstaat, und ein Viertel der Gesamtbevölkerung, die natürlich durch den Verkehr besonders betroffen ist, lebt in Österreich.

Augenfällig für die starken Verkehrsbelastungen und die massiven Auswirkungen, die sich daraus ergeben, sind die Vorkommnisse an der Brennerautobahn, auf der der Verkehr enorm zugenommen hat.

Österreichs Sorge galt vor allen Dingen dem Bau der sogenannten Alemannia, dem in erster Linie von Italien verfolgten Projekt der Autobahnverbindung von Triest nach München. Die Alpenrepublik wandte sich auch gegen verschiedene Ortsumfahrungen. Nach langen kontroversen Verhandlungen wurde dieses Verkehrsprotokoll mit der Auflage beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die Maßnahmen zur Umsetzung entwickeln soll; denn es geht ja darum, das Ganze mit Leben zu erfüllen und das, was auf dem Papier steht, auch tatsächlich umzusetzen.

Anstelle eines Vetorechts wurde ein Streitbeilegungsverfahren beschlossen, mit dem die Entscheidung über Auslegungsfragen des Protokolls einem Schiedsgericht übertragen wird.

Die Vertragsparteien haben sich auf folgende wichtige Punkte geeinigt: Neubauten und wesentliche Änderungen von Verkehrsinfrastrukturen sollen zwischen den Ländern abgestimmt, umweltverträgliche Verkehrsmittel begünstigt, Kosten von Neubauten für Verkehrsinfrastrukturen müssen von den Verursachern getragen und auf den Bau neuer alpenquerender Straßen soll verzichtet werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Straßen mehr gebaut werden können. Ausgenommen von den Beschränkungen wurden Straßenprojekte ausgenommen, die Bestandteil des geltenden Bundesfernstraßenbedarfsplans sind. Denn der Bundesfernstraßenbedarfsplan war zum Zeitpunkt der Annahme des Protokolls bereits festgelegt. Er gilt für die A 7 Nesselwang – Füssen, für die B 19 Immenstadt – Kempten, die B 2 Eschenlohe – Garmisch-Partenkirchen und für die B 15 Regensburg – Landshut – Rosenheim. Diese Strecken, die nach allgemeiner Überzeugung zwingend notwendig

sind, sind von der Annahme des Verkehrsprotokolls nicht tangiert.

Der Bau neuer inneralpiner Straßen ist auch in Zukunft möglich, sofern Umweltverträglichkeitsprüfungen positiv ausfallen und die Bedürfnisse nach Transportkapazitäten nicht durch eine bessere Auslastung bestehender Straßen- und Bahnkapazitäten erfüllt werden können. Besonders wichtig wird sein, dass alle Vertragsparteien den Resultaten der Überprüfungen von Umweltverträglichkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung tragen, damit die Schutzkonvention mit Leben erfüllt wird und die Belastungen von Menschen, Tieren und Straßen durch den Verkehr in den Alpen erträglich gestaltet werden können.

(Beifall bei der CSU)