Herr Staatsminister, ich darf noch ein wenig ins Detail gehen. Welche Initiative ergreift die Bayerische Staatsregierung, um den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission zu den least developed countries zu verhindern, der einen völlig freien Warenzugang inklusive Zucker zum europäischen Markt vorsieht und damit die Existenz des heimischen Zuckerrübenanbaus bedrohen würde?
Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Herr Kollege Brosch, wenn dies Wirklichkeit würde, müssten wir damit rechnen, dass die Zuckererzeugung in erster Linie über Rohrzucker erfolgt. Die Produktionsmethoden, die in den Entwicklungsländern angewendet werden, entsprechen häufig nicht den Anforderungen an eine nachhaltige und ökologisch unbedenkliche Landbewirtschaftung. Es müssten vielmehr erhebliche Umweltbeeinträchtigungen befürchtet werden. Es kann nicht Ziel der Entwicklungshilfe sein, auf diese Art und Weise die Natur zu beeinträchtigen.
Die Staatsregierung hat nachdrücklich auf diese Entwicklung hingewiesen. Es ist aber auch Sache der Zuckerwirtschaft selbst und ihrer Verbände, mögliche Auswirkungen dieser europäischen Entscheidungen den europäischen Gremien bewusst zu machen. Die Wirtschaft wird dabei die volle Unterstützung der Bayerischen Staatsregierung haben.
Herr Minister, ist der Bayerischen Staatsregierung bekannt, dass die Bundesregierung den Wunsch der Zuckerindustrie unterstützt, die Zuckermarktordnung nicht nur um zwei, sondern um sechs Jahre zu verlängern?
Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Frau Kollegin von Truchseß, ich habe gerade darauf hingewiesen, dass die Mehrheit des Agrarministerrates, darunter auch der deutsche Landwirtschaftsminister, sich am 23. Oktober 2000 gegen den Kommissionsvorschlag, die Zuckermarktordnung nur um zwei Jahre zu verlängern, ausgesprochen hat und eine Verlängerung des heutigen Systems um fünf Jahre gefordert hat.
Herr Staatsminister, welche Anstrengungen unternimmt die Bayerische Staatsregierung, um die heimische Zuckerwirtschaft bei einer Angliederung der mittelosteuropäischen Staaten zu schützen und wirtschaftlich zu erhalten?
Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Eine der wichtigsten Voraussetzungen bei einer Erweiterung der Europäischen Union ist, dass die Bedingungen der Zuckermarktordnung auch auf die Beitrittsländer übertragen werden und dass auf deren Einhaltung geachtet wird. Die deutsche Zuckerwirtschaft ist in diesen osteuropäischen Ländern mit eigenen Werken ver
treten. Hier mischen wir uns nicht ein. Unsere Aufgabe ist es, für Rahmenbedingungen zu sorgen, sodass in Europa überall nach gleichen Standards produziert wird und dass die Beitrittsländer weder benachteiligt noch bevorzugt werden.
Herr Minister, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen. Die nächsten Fragen richten sich an das Staatsministerium des Innern. Staatsminister Dr. Beckstein beantwortet sie. Erste Fragestellerin ist Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.
Herr Staatsminister, trifft es zu, dass die Bayerische Staatsregierung erst im Jahr 2004 alle bayerischen Gemeinden an das Internet angeschlossen haben will?
Frau Werner-Muggendorfer, im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung entscheiden die bayerischen Gemeinden eigenständig darüber, ob sie sich an das Internet anschließen und dort mit Informationsangeboten präsent sein wollen. Um diesen Entschluss positiv zu beeinflussen, hat die Staatsregierung dem kommunalen Bereich den Zugang zum bayerischen Behördennetz eröffnet und wirbt darüber hinaus um dessen Beteiligung am Pilotvorhaben „Virtueller Marktplatz Bayern“.
Der in der Frage angedeutete Sachverhalt ist damit nicht nur unzutreffend, sondern auch unverständlich. Die Staatsregierung hat stattdessen gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden immer wieder ihre Auffassung bekräftigt, dass Bayern seinen Spitzenplatz im globalen Wettbewerb nur dann behaupten kann, wenn auch die kommunale Verwaltung von den modernen technischen Möglichkeiten Gebrauch macht und sich zu einem öffentlichen Dienstleistungszentrum für die Bürger entwickelt, und zwar nicht 2004, sondern jetzt.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass Ihr Kollege, Herr Staatsminister Huber, genau diese Aussage beim Gemeindetag in Deggendorf gemacht hat und sich meine Frage darauf bezieht? Er hat geäußert, bis 2004 sollen alle Rathäuser am Netz sein. Ist Ihnen das bekannt?
Mir ist die Äußerung im Detail nicht bekannt. Ich weiß aber, dass der Kollege Erwin Huber intensiv dafür wirbt, dass
die Entscheidungen in den Gemeinden und Städten schnell fallen. Er hat mich bezüglich einiger Gemeinden in Mittelfranken persönlich angesprochen und gesagt, dass wir die Entscheidungen für die Teilnahme am „Virtuellen Marktplatz“ beschleunigen sollen. Ich kann nicht ausschließen, dass die Gemeinden eine gewisse Zeit für die Entscheidung und für den Vorlauf brauchen, sodass der Anschluss nicht kurzfristig möglich ist. Bezüglich einer Prognose, bis wann sich alle Gemeinden beteiligen werden, liegen mir keine aktuellen Erkenntnisse vor.
Die Staatsregierung will, dass sich die Gemeinden möglichst unverzüglich, wenn nicht sofort beteiligen. Das bedeutet, dass wir die Entscheidung nicht etwa im Jahr 2003 oder 2004 wollen, sondern jetzt. Ich hebe aber hervor, dass es eine kommunale Selbstverwaltung gibt und dass die Kommunen entscheiden und nicht die Staatsregierung, und zwar – hätte ich beinah gesagt – weder ein bestimmtes Ministerium noch die Staatskanzlei.
Welche Hilfestellungen könnte das Innenministerium den Gemeinden, die Probleme haben, außer dem „Virtuellen Marktplatz“ oder dem Behördennetz geben, um den Gemeinden den Anschluss leichter und schneller zu ermöglichen?
Wir haben in umfangreicher Weise Hilfestellung geleistet. Es wurden eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen durchgeführt und zahlreiche sonstige Möglichkeiten angeboten. Wir haben das Projekt „Virtueller Marktplatz Bayern“ als Hauptmaßnahme, um Bayern bei der Entwicklung ganz nach vorn zu bringen. Noch einmal: Ob eine Gemeinde will oder nicht, ist deren Entscheidung. Wir können das letztlich nicht erzwingen.
Herr Minister, wie stellt sich die Bayerische Staatsregierung zu der Forderung des CSU-Landtagsabgeordneten und Präsidenten der Handwerkskammer von München und Oberbayern, Herrn Heinrich Traublinger, der in seiner Rede am 27.09.2000 anlässlich der Sitzung der
Kreishandwerksmeisterinnen und Kreishandswerksmeister in München einen Dringlichkeitsantrag „Aufenthaltsgenehmigung für Bürgerkriegsflüchtlinge“ ankündigte, in dem die Staatsregierung gebeten wird, zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, um Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien eine Duldung zu erteilen, was ergab die Prüfung, und wird die Staatsregierung dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen folgen und die Duldungen für Bürgerkriegsflüchtlinge bis zur Mitte nächsten Jahres verlängern?
Frau Kollegin Köhler, Herr Kollege Traublinger hat den Dringlichkeitsantrag noch nicht gestellt und bedarf insoweit gewiss nicht der Unterstützung durch die Grünen. In der Sache ist aber klar, dass ein Daueraufenthaltsrecht für Bürgerkriegsflüchtlinge bereits wegen des Anwerbestopps für Staatsangehörige aus Nicht-EU-Staaten nicht in Betracht kommt.
Soweit die Arbeitsaufenthalteverordnung Ausnahmen zulässt, können auch die hier lebenden Bürgerkriegsflüchtlinge in den Genuss dieser Sonderregelungen kommen. Im Übrigen gilt, dass die Bürgerkriegsflüchtlinge nur Gäste auf Zeit waren. Eine Arbeitsaufnahme wird ihnen grundsätzlich nur für die Dauer des Flüchtlingsstatus erteilt, um die Sozialkassen zu entlasten. Wenn die Gründe wegfallen, die für die Aufenthaltsgewährung maßgeblich waren, gibt es auch keine rechtliche Möglichkeit mehr, eine weitere Erwerbstätigkeit zuzulassen. Dies schließt nicht aus, bei außergewöhnlichen Härten im Einzelfall, die Ausreisefrist kurzfristig zu verlängern. Diese Voraussetzungen waren jedermann klar, als wir die Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen haben.
Unter welchen Voraussetzungen ein Gesetz zur Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung zukünftig Ausländern ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gewähren kann, ist derzeit noch nicht absehbar. Es ist deshalb auch ausgeschlossen, diese Regelungen im Vorgriff anzuwenden. Von dieser Linie abzuweichen, gibt es keine Veranlassung. Es wäre nicht vertretbar, die Bürgerkriegsflüchtlinge zu benachteiligen, die sich gesetzestreu verhalten haben und ausgereist sind. Das ist die überwältigende Mehrzahl. Auch ist nicht einzusehen, weshalb ausgerechnet jene Betriebe, die am längsten bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge beschäftigt haben und sich seit langem um Ersatz hätten bemühen können, nun bevorzugt werden sollen. Ich möchte noch einmal betonen: Härtefälle können im Einzelfall geregelt werden.
Herr Staatsminister, ich habe in meiner Frage auch auf den Vorschlag von Nordrhein-Westfalen abgestellt und gefragt, ob es nicht Sinn macht, zumindest für die Personen, die einen Arbeitsplatz haben, den Aufenthalt unbü
rokratisch zu verlängern. Wie werden Sie sich zu diesem Vorschlag in der Innenministerkonferenz stellen?
Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium) : Soweit ich den Vorschlag von Nordrhein-Westfalen in Erinnerung habe, geht es dabei um etwas anderes als das, was Sie hier ansprechen. Nach meiner Kenntnis hat Nordrhein-Westfalen die Regelung, dass eine Verlängerung des Aufenthalts bis zum 31. Juli des nächsten Jahres erfolgen kann, wenn die Familienangehörigen bereits vorher zurückgehen.
Ich kann Ihnen nur sagen, wie ich es in Erinnerung habe. Ich habe den Erlass von Nordrhein-Westfalen nicht vorliegen und ich kenne ihn auch nicht. Die Innenministerkonferenz findet am 22., 23. und 24. November statt. Wir werden uns bei den Vorbesprechungen darüber verständigen, wie wir in der Frage der Bürgerkriegsflüchtlinge vorgehen wollen. Dabei geht es vor allem um die Frage der Kosovoalbaner. Was die Bosnier angelangt, so steht nur die Frage der traumatisierten Bürgerkriegsflüchtlinge auf der Tagesordnung.
Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass diese Betriebe, von denen hier gesprochen wird, überhaupt keine Möglichkeit haben, anderweitig Ersatz für diese Arbeitskräfte zu finden und dass Sie, wenn Sie bei Ihrer Position bleiben, billigend in Kauf nehmen, dass gerade diese Handwerksbetriebe gravierende Einbußen zu verzeichnen haben werden?
Frau Kollegin Kellner, die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen war nur auf Zeit. Jedermann wusste das. Ich wiederhole: Jedermann wusste das. Jeder Betrieb wusste das. Es gibt die Möglichkeit, im Rahmen der EU im gesamten Bereich der Europäischen Union Arbeitskräfte anzuwerben. Das ist eine auf Dauer vorgesehene Möglichkeit. Es war für jedermann klar, dass es keine Zuwanderungsmöglichkeit für Arbeitskräfte aus Drittländern, aus dem Kosovo oder aus Bosnien gibt. Das gibt es auch nicht in Nordrhein-Westfalen. Wer etwas anderes behauptet, der stellt die nordrhein-westfälischen Regelungen bewusst falsch dar. Das Gleiche gilt für BadenWürttemberg. Dort wird geprüft, ob der Aufenthalt um wenige Monate verlängert werden kann. Es stellt sich die Frage, ob man dies im Einzelfall oder übergreifend regelt. Es geht auch um die Frage, wie man Abschiebungen im Winter vornimmt. Aber auch für Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen gilt, dass daraus kein Daueraufenthalt aus Drittstaatländern werden kann.