wirft schon Fragen nach dem internen Controlling und der politischen Kontrolle auf. Wozu sitzt im Verwaltungsrat der Bank das halbe Kabinett, wenn Kontrolle und Steuerung dennoch unzureichend bleiben? Danach darf doch wohl gefragt werden, vor allem deshalb, weil ohnehin niemand bereit wäre, im Ernstfall Verantwortung zu übernehmen, wie wir es von der LWS wissen.
Wichtiger ist mir aber noch die unklare Vorstellung von der Aufgabe, die die Landesbank eigentlich zu erfüllen hat. Soll sie wirklich weiterhin so stark im Investmentund Börsengeschäft auf internationalen Märkten tätig sein? Schafft sie uns damit nicht Probleme mit dem EUWettbewerbs- und Beihilferecht, weil sie dort wie eine beliebige andere Privatbank auftritt, jedoch über die Gewährleistung des Staates verfügen kann? Oder sollte sie wieder eine viel stärkere Rolle bei der Wirtschaftsförderung in Bayern selbst spielen? Diese Diskussion würden wir gern anstoßen.
Auch bei der LfA wurden offensichtlich Strukturprobleme jahrelang nicht erkannt und nicht gelöst. Erst ein peinlicher Bericht des Obersten Rechnungshofs und die Kritik der Opposition haben die Staatsregierung endlich dazu bewegt, der LfA einen klareren Charakter und Auftrag zu geben und in einem neuen LfA-Gesetz festzulegen. Am schlimmsten sieht es aber bei der LWS aus. Auch hier ist Schlendrian und Inkompetenz bei der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat festzustellen. Die krasse Fehlsteuerung des Unternehmens ist hier sogar auf eine falsche und schlecht vorbereitete Entscheidung des Ministerpräsidenten selbst zurückzuführen. Gerade bei der LWS sind die Fehlentscheidungen der politisch Verantwortlichen, insbesondere Ihre, Herr Stoiber, offenkundig. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Sie dafür politische Verantwortung übernehmen müssen.
Einen Sündenbock zu suchen und zu entlassen, ist erstens feige, zweitens billig und drittens zu wenig.
Alle Menschen machen Fehler. Auch in diesem Raum sitzen nur Menschen, die alle schon einmal einen Fehler gemacht haben – offenbar bis auf einen. Für Sie gilt das Motto: Alles, was in Bayern erfolgreich läuft, wird zur Chefsache erklärt. Alles, was daneben geht, haben andere zu verantworten.
Wenn Hightech-Projekte inszeniert werden, liegt die Bayerische Staatskanzlei im Silicon-Valley. Wenn es um die Übernahme politischer Verantwortung geht, liegt sie im Tal der Ahnungslosen.
So verhält es sich auch bei strategischen Entscheidungen privater Unternehmer. Allzu gern schmückt sich der Ministerpräsident öffentlichkeitswirksam mit fremden
Federn, leugnet bei Missgeburten aber die Vaterschaft. Als BMW Rover kaufte, haben Sie sich feiern lassen, als hätten Sie den Kaufpreis aus eigener Tasche finanziert. Auch als der Zukauf von Rolls-Royce zur Debatte stand, haben Sie diesen in den Tagesthemen zehn Minuten lang als grandiosen Erfolg der bayerischen Standortpolitik gefeiert. Nachdem der Rolls-Royce-Kauf aber gescheitert war, sind Sie auf Tauchstation gegangen. Als sich herausgestellt hatte, dass der Kauf von Rover durch BMW vielleicht nicht die beste Idee dieses Jahrhunderts war, hat man vom Industriepolitiker Stoiber nichts mehr vernommen.
Ein echtes Debakel erlebt Bayern im Augenblick mit der e.on-AG. Aus dem ursprünglich geplanten Zusammenschluss von Gleichen ist die Übernahme des Viag-Konzerns durch die Veba geworden. Das ehemalige stolze bayerische Industrieimperium ist zerschlagen. Bayern hat im neuen Großkonzern e.on nichts mehr zu melden. Von den rund 40-Abteilungsleitern stammt kaum noch eine Handvoll aus den Reihen der Viag. Die letzten Verbliebenen wurden zu Frühstücksdirektoren degradiert.
Beim Verkauf der Anteile des Freistaates Bayern an der Viag wurde ein stolzer Preis erzielt. Allerdings wurde das Wichtigste versäumt, nämlich echten personellen Einfluss im neuen Großkonzern sicherzustellen. Die Staatsregierung hat jetzt jeglichen Einfluss auf Standortentscheidungen verloren. Standortzusagen zugunsten unseres Landes erweisen sich als wertloses Papier. Die Konsequenzen in Form von erheblichem Personalabbau und bei der Stilllegung bayerischer Kraftwerke wurden in der Staatskanzlei in München von den Herren Hartmann aus Düsseldorf und Harig aus Hannover wie kaiserliche Dekrete überbracht. Viag-Leute waren schon gleich nicht mehr dabei. Geharnischte Briefe des Ministerpräsidenten nach Düsseldorf werden dort zwar korrekterweise abgeheftet, erzielen aber keinerlei Wirkung mehr. Merkwürdig war, dass Sie zu diesem Thema heute kein einziges Wort verloren haben.
Wir finden es geradezu skandalös, dass e.on vier konventionelle Kraftwerke in Bayern schließen will, die gut sind und umweltverträglich arbeiten und die mit erheblichen öffentlichen Mitteln nachgerüstet wurden. Gleichzeitig soll Atomstrom zu Dumpingpreisen importiert werden. Eine solch unsinnige Energiepolitik kann niemand wollen. Statt dessen müssen wir jetzt endlich den Anteil regenerativer Energien an unserer Stromversorgung deutlich steigern.
Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der Zukunftsoffensive Bayern und der Hightech-Offensive insgesamt auf dem richtigen Weg sind.
Probleme bereitet sie allerdings in der konkreten Umsetzung. Hier sind Staatskanzlei und Wirtschaftsministe
rium offensichtlich überfordert. Zu viele Projekte sind nach euphorischer und zum Teil mehrfacher öffentlicher Ankündigung immer noch nicht gestartet. Spatenstiche zu organisieren, ist eben doch die leichtere Übung, als anschließend moderne Zukunftsprojekte zum Erfolg zu führen.
Das zeigt sich auch an dem „Virtuellen Marktplatz Bayern“, einer faszinierenden Idee, die wir begrüßen. Aber auch hier liegen die Probleme in der konkreten Umsetzung. Ich spare mir die Details, aber ich möchte Ihnen doch die Einschätzung der IHK München und Oberbayern zur Kenntnis bringen. Dort heißt es unverblümt und wörtlich zum „Virtuellen Marktplatz Bayern“: „Er überfordert viele kleine und mittlere Unternehmen und ist ein vollkommen unausgegorenes Konzept.“
Es ist richtig, Netzwerke und Datenkommunikation sind heute wichtige Standortfaktoren. Hier einen Schwerpunkt zu setzen, ist richtig. Falsch ist es aber, darüber die Pflege und den Ausbau der traditionellen Verkehrsinfrastruktur zu vernachlässigen. Der Zustand der bayerischen Staatsstraßen ist so bemitleidenswert, dass sich Innenminister Dr. Beckstein schon den Ehrentitel „Herr der 100 000 Schlaglöcher“ erarbeitet hat.
Herr Huber, schade nur, dass man Straßen nicht virtuell reparieren kann. Man braucht tatsächlich Geld dafür.
Das Gleiche gilt für die Schiene. Als Münchener kenne ich die S-Bahn am besten. Ich kann nur hoffen und wünschen, dass niemand, der den Hightech-Standort Bayern besichtigen will, ausgerechnet mit der S-Bahn fahren muss.
Wenn Sie „Ude“ rufen, sage ich Ihnen: Die Ude-Bahn fährt, aber die Stoiber-Bahn bleibt im Schnee stecken. Das ist der Unterschied.
Ich schlage vor, dass die sich noch im Besitz des bayerischen Staates befindlichen Anteile an der e.on die Grundlage für eine vierte Privatisierungstranche im Freistaat Bayern werden. Nach der heutigen Börsenkapitalisierung des Konzerns entspricht dies einem Marktwert von rund 5 Milliarden DM. Zur Verwendung schlage ich die Bereiche der Mobilität, also Schiene, Netze, Verkehrsnetze und Staatsstraßen, vor. Dieser Vorschlag ist auch deshalb zweckmäßig, weil der 5,6%-ige Anteil an e.on, wie vorher belegt, nicht mehr ausreicht, bayerische Interessen in der Konzernpolitik wirksam zu vertreten.
Die erfreuliche und positive Entwicklung des Arbeitsmarktes stellt uns vor neue Herausforderungen. Der knappe Produktionsfaktor heißt nicht mehr Kapital, sondern Wissen. Deshalb brauchen wir in Bayern viel größere Anstrengungen im Bereich der Bildung und Weiterbildung. Die Mittel, die zum Beispiel heute von Seiten des Landes für die Erwachsenenbildung aufgebracht werden, sind viel zu gering. 60 Millionen DM für ganz Bayern, für alle Einrichtungen der Erwachsenenbildung – das ist beschämend wenig; hier sind größere Anstrengungen erforderlich.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich die Tarifparteien im Rahmen des „Beschäftigungspaktes Bayern“ dem Thema der Weiterbildung zugewandt haben. Hier ist ein gewaltiger Nachholbedarf zu decken.
Risikokapital gibt es heute vielfach bereits genug, am Wissen mangelt es. Allein in Oberbayern fehlen derzeit in der IT-Branche 20 000 bis 25 000 Fachkräfte. Den Bedarf nicht erkannt und diese Fachkräfte nicht ausgebildet zu haben, ist ein Versäumnis der Bildungspolitik aller Bundesländer in den letzten Jahren.
Jetzt müssen wir plötzlich feststellen, dass wir nicht genügend gut ausgebildete Menschen im Lande haben. Fast schon auf Knien müssen wir durch die Entwicklungsländer und durch Osteuropa rutschen, um dort Experten abzuwerben. Nachdem Sie heute Green Card und Blue Card miteinander verglichen haben, will ich Ihnen auch dazu einen Vergleich nennen: Die Green Card ist sicher nicht unbedingt „das Gelbe vom Ei“, auf ihrer Grundlage gab es aber immerhin 494 Genehmigungen allein in Bayern.
Sie sagen: „Wahnsinn“. Viel ist es tatsächlich nicht. Aber vergleichen wir es einmal mit der Blue Card. Ich zitiere den Sprecher des bayerischen Innenministeriums, der am 26. Oktober gesagt hat, es wurde definitiv keine Blue Card vergeben.
Mittlerweile sind sich alle einig, dass wir in Zukunft auch in Bayern vermehrt Zuwanderung brauchen. Selbst die CDU gesteht ein, Deutschland braucht Zuwanderung. Das muss an manchen Stammtischen wie eine Bombe eingeschlagen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist selbstverständlich, dass Probleme, die wir mit der Zuwanderung haben, offen und klar ausgesprochen werden müssen. Wer kann denn leugnen, dass ein hoher Ausländeranteil im Wohnumfeld, an Schulen und Kindergärten zu Spannungen führt? Ich weiß, wovon ich spreche. In meinem Stimmkreis im Münchener Norden gibt es mittlerweile die ersten Hauptschulklassen mit einem Ausländeranteil von 100%. Die Frage ist nicht, ob man solche Probleme leugnet oder sogar tabuisiert; die Frage ist einzig und
allein, wie man mit diesen Problemen umgeht und wie man nach Lösungen sucht. Wer der Bevölkerung weismacht, es könnten künftig bei uns weniger Ausländer leben, der erhöht nicht die Integrationsbereitschaft der Bevölkerung, sondern gießt Öl in ein in Deutschland besonders gefährliches Feuer.
Das, was wir tun müssen, ist, stattdessen die Integrationskraft und den Integrationswillen in Deutschland zu erhöhen, und zwar auf beiden Seiten, bei den Einheimischen ebenso wie bei den Zuwanderern. Eine vom Bundeskanzler eingesetzte Kommission soll Vorschläge zur Zuwanderung unterbreiten, die eine sachliche Diskussion ermöglichen sollen. Der Versuch der CSU, Frau Süßmuth an der Spitze dieser Kommission zu verhindern, ist mir unverständlich. Die einzige Erklärung, die mir dafür einfiele, wäre, dass Sie an einem gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage deshalb nicht interessiert sind, weil Sie das Thema „Ausländer“ auch für künftige Wahlkämpfe warm halten wollen.