Protocol of the Session on November 9, 2000

Auch heute scheuen Sie sich nicht mit Ihrer Behauptung, der Bund streiche die Einnahmen aus der Ökosteuer ein, eine handfeste Lüge zu verbreiten. Sie wissen nämlich genau, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer nicht dem Bund, sondern einzig und allein und in voller Höhe der gesetzlichen Rentenversicherung zufließen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist der Unterschied zu Ihrer Politik: Sie haben die Mineralölsteuer um 50 Pfennig erhöht und damit nur die Löcher im Bundeshaushalt von Theo Waigel gestopft, während wir mit der Ökosteuer die Lohnnebenkosten senken. Dies ist eine gute Politik und der Unterschied zu Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch des Abgeordne- ten Ach (CSU))

Was allerdings von Ihrer unsäglichen Ökosteuer-Verdummungskampagne übrig bleibt, ist, dass Sie die Mineralölkonzerne zur hemmungslosen Preistreiberei ermuntert haben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir freuen uns auch vor allem über die Wende zum Besseren in der Steuer- und Finanzpolitik; auch davon profitiert Bayern nachhaltig. Die Steuereinnahmen in Bayern sprudeln. Seit die SPD in Berlin regiert, gibt es hier in Bayern bei den Steuereinnahmen regelmäßig einen kräftigen Nachschlag – früher war dies genau umgekehrt. Als die CSU noch in Bonn regierte, mussten wir in Bayern immer wieder nachträglich kürzen und streichen, weil Finanzminister Waigel die angekündigten SteuerMilliarden doch nicht zusammenbekommen hat. Heute können wir aus Mehreinnahmen Schulden zurückführen und zusätzliche Haushaltsschwerpunkte finanzieren.

(Ach (CSU): Zulasten der Länder und Kommunen!)

Was lernen wir daraus: Eine CSU an der Regierung im Bund schadet Bayern, eine SPD-Regierung im Bund nützt unserem Land.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

Herr Kollege Dr. Bernhard, dies sieht man auch daran, dass in Deutschland die Steuern zum ersten Mal sinken, während sie vorher 16 Jahre lang ständig nur gestiegen sind.

(Widerspruch bei der CSU – Dr. Bernhard (CSU): Weil Sie es im Bundesrat blockiert haben!)

Herr Kollege Dr. Bernhard, zu dem Wort „Blockade“ komme ich sofort. Wenn sich der Blockadeversuch des Bayerischen Ministerpräsidenten bei der Steuerreform vor der Sommerpause im Bundesrat durchgesetzt hätte, warteten wir noch heute auf eine Steuerreform und hätten wir immer noch keine Steuersenkung.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Glück, zum Wohle der Industrie und zum Glück der bayerischen Menschen hat sich Ministerpräsident Dr. Stoiber mit seiner Linie der Blockade und der Verschleppung im Bundesrat nicht durchsetzen können.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um den Kurs der Haushaltskonsolidierung fortzusetzen, war es richtig, dass Bundesfinanzminister Eichel die Erlöse aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen vollständig zur Schuldentilgung eingesetzt hat.

(Ach (CSU): Zulasten der Kommunen und Länder!)

Die daraus resultierenden Zinsersparnisse können voll für Infrastrukturmaßnahmen auch zugunsten der Länder verwendet werden. Wir bayerischen Sozialdemokraten haben uns in Berlin durchgesetzt. Bayern wird aus dem Antistauprogramm des Bundes 577 Millionen DM und zusätzlich in den nächsten drei Jahren 376 Millionen DM

aus den UMTS-Zinsersparnissen erhalten; dann haben wir die LWS-Verluste fast schon wieder ausgeglichen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu kommen zur Verstärkung bereits im Bau befindlicher Verkehrsprojekte weitere 144 Millionen DM. Das sind zusätzlich insgesamt rund 1,1 Milliarden DM aus Bundesmitteln für Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte mich gefreut, bei unserem Einsatz für Bayern in Berlin die Bayerische Staatsregierung an unserer Seite gewusst zu haben. Der einzige Beitrag der Staatsregierung war aber ein Brief des Wirtschaftsministers mit unerfüllbaren Wünschen an den Bundesverkehrsminister als Weihnachtsmann. Leider verstärkt sich der Eindruck, dass es Ihnen bei all Ihren Initiativen auf Bundesebene nicht darum geht, für Bayern das Optimale herauszuholen, sondern eher darum, durch unerfüllbare Wunschlisten und Forderungskataloge Belege für eine angebliche Benachteiligung Bayerns durch den Bund zu konstruieren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Entlarvend ist Ihre Reaktion auf die Bekanntgabe eines weiteren Berliner Geldsegens für Bayerns Straßen durch uns. Statt sich über das Geld zu freuen, haben Sie, Herr Dr. Stoiber, Innenminister Dr. Beckstein mit 36-stündiger Verspätung schimpfen lassen, weil wir so dreist waren, unseren Erfolg für Bayern auch noch selbst bekannt zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, so ist dies heute: Die SPD lässt Straßen bauen und Stoiber lässt Beckstein toben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, wir setzen uns in Berlin mit Nachdruck für bayerische Interessen ein.

(Ach (CSU): Aber ziemlich erfolglos!)

Wir laden Sie herzlich dazu ein, dies auch zu tun. Was wir aber nicht brauchen, sind Trotz- und Schmollreaktionen der CSU gegen eine missliebige Bundesregierung. Herr Dr. Stoiber, die entscheidende Frage für unseren Freistaat ist, ob Sie Ihre Hauptaufgabe darin sehen, als Ministerpräsident die Interessen des Freistaates Bayern zu vertreten oder sich vielmehr als Oppositionsführer der Union gegen die Regierung Schröder in Position zu bringen und Ihr Hauptaugenmerk auf den unionsinternen Kampf um die Kanzlerkandidatur zu legen.

(Beifall bei der SPD)

Ich kritisiere, dass Sie an den parlamentarischen Diskussionen in diesem Hohen Hause um wichtige landespolitische Fragen ohnehin kaum mehr Anteil nehmen.

Hier im Bayerischen Landtag sind Sie nur noch Zaungast. Während der drei Plenartage nach der Sommerpause waren Sie insgesamt eine Stunde und zehn Minuten anwesend. Weder an der Aussprache über den bayerischen Staatshaushalt – nicht einmal den Kollegen Ach konnten Sie hören – noch an der Debatte über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums, an der Debatte über die EU-Grundrechte-Charta und an der Diskussion über die bayerische Energiepolitik haben Sie teilgenommen. Die CSU-Fraktion nimmt das leider klaglos hin.

Ich kritisiere in diesem Zusammenhang auch die permanente Erhöhung des Etats für die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsregierung und insbesondere der Staatskanzlei, die ohnehin so aufgeblasen ist, dass selbst das Weiße Haus in Washington nur mit Mühe mithalten kann.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Ach (CSU): Gehen Sie doch einmal nach Düsseldorf, Herr Kollege!)

Ich war zum Beispiel einmal mit Journalisten in Hannover in der dortigen Staatskanzlei.

(Ach (CSU): Ich rede von Düsseldorf!)

Die haben gestaunt, wie bescheiden eine Staatskanzlei aussehen kann. Sie haben es nicht für möglich gehalten, dass das Gebäude, das wir in Hannover betreten haben, tatsächlich der Sitz eines deutschen Ministerpräsidenten sein kann.

(Glück (CSU): So bescheiden ist auch die politische Wirkung Hannovers!)

Die Journalisten waren anderes, Gediegeneres und Pompöseres gewohnt.

Herr Stoiber, ich werfe Ihnen vor, dass Sie Ihre ureigensten Aufgaben als Ministerpräsident des Freistaates vernachlässigen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Weil das so ist, mache ich Ihnen einen Vorschlag. Kandidieren Sie beim nächsten Mal einfach für den Bundestag. Wir beide hätten einen Vorteil davon. Ich hätte hier in diesem Hohen Hause einen Gegner weniger,

(Dr. Bernhard (CSU): Den Sie fürchten!)

und Sie könnten ab 2002 endlich richtiger Oppositionsführer in Berlin sein.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Am deutlichsten wird die Vernachlässigung Ihrer eigentlichen Aufgaben bei der völlig unzureichenden Steuerung und Kontrolle der öffentlichen Unternehmen. Die Bayerische Landesbank ist zum Beispiel ein gutes und ertragsstarkes Unternehmen, dessen Erfolg niemand in Zweifel zieht. Dass aber eine 1,3-Milliarden-Mark-Pleite in Südostasien entstehen konnte,

(Ach (CSU): War nicht Stoibers Schuld!)

wirft schon Fragen nach dem internen Controlling und der politischen Kontrolle auf. Wozu sitzt im Verwaltungsrat der Bank das halbe Kabinett, wenn Kontrolle und Steuerung dennoch unzureichend bleiben? Danach darf doch wohl gefragt werden, vor allem deshalb, weil ohnehin niemand bereit wäre, im Ernstfall Verantwortung zu übernehmen, wie wir es von der LWS wissen.