Protocol of the Session on July 12, 2000

Herr Staatssekretär.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Artikel 19 Absatz 3 Satz 3 des Bayerischen Gesetzes für Erziehung und Unterricht bestimmt – ich zitiere –:

Bei Kindern und Jugendlichen, die ständig auf fremde Hilfe angewiesen sind, können Erziehung und Unterrichtung pflegerische Aufgaben beinhalten.

Auf der Grundlage dieser Gesetzesbestimmung können an Förderschulen, insbesondere an Schulen für Körperbehinderte und Schulen zur individuellen Lebensbewälti

gung, Pflegekräfte beschäftigt werden mit dem Ziel, durch die pflegerischen Maßnahmen Erziehung und Unterricht zu fördern.

Bei Artikel 19 Absatz 3 Satz 3 des BayEUG handelt es um eine so genannte Kann-bestimmung. Dies bedeutet, dass kein Anspruch der einzelnen Schule auf Zuweisung von Pflegekräften besteht. Vielmehr können Pflegekräfte an Förderschulen beschäftigt werden, soweit dies im Rahmen des Staatshaushaltes möglich ist und nicht andere Aufgaben, etwa die Versorgung der Klassen mit Lehrkräften, vorrangig berücksichtigt werden müssen.

Für das Schuljahr 1999/2000 stehen 775,5 Vollzeitbeschäftigungsmöglichkeiten für Pflegekräfte zur Verfügung. Die auf der Grundlage von Artikel 19 Absatz 3 Satz 3 BayEUG beschäftigte Pflegekräfte an Förderschulen ergänzen die Pflegedienstleistungen, die über die Pflegeversicherung, die Krankenkassen oder die Sozialhilfe finanziert werden. Sie tragen dazu bei, dass pflegebedürftigen Schülern und Jugendlichen ein Schulbesuch ermöglicht bzw. erleichtert wird. In der Regel werden sie in Klassen oder Gruppen eingesetzt. Die Zahl der Pflegestunden hat sich in den letzten Jahren beträchtlich erhöht, nämlich von 21682 im Schuljahr 1992/93 auf 26178 im Schuljahr 1998/99. Das entspricht einer Steigerung um 4496 Pflegestunden bzw. 20,7%.

Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ist der Auffassung, dass bei Schülern, die einen so hohen Pflegebedarf haben, dass eine Individualpflege rund um die Uhr notwendig ist, die Stellung einer solchen Pflegekraft auch während der Zeit des Schulbesuchs Aufgabe des zuständigen Sozialhilfeträgers gemäß §§ 39 ff. BSHG (Eingliederungshilfe) ist. Damit können die bisher für die Individualpflege gebundenen schulischen Pflegekräfte wieder mehr für Klassen und Gruppen eingesetzt werden.

Keine Zusatzfrage. Die nächste Frage stellt Herr Kollege Nöth. Bitte, Herr Kollege Nöth.

Herr Präsident, Herr Staatssekretär, meine Damen und Herren! Da gerade in der jetzigen Umstellungsphase die Beratungsfunktion des Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Bayern von großer Bedeutung und Wichtigkeit ist, aufgrund von Erkrankung und Versetzung diese Funktionsstelle in Mittelfranken aber in der Vergangenheit über längere Zeiträume nicht besetzt war, frage ich die Staatsregierung, wann frühestmöglichst damit zu rechnen ist, dass die Stelle des Ministerialbeauftragten für das Realschulwesen in Mittelfranken ausgeschrieben wird, und ob dafür gesorgt werden kann, dass diese Funktion schnellstmöglichst besetzt werden kann.

Herr Staatssekretär.

Herr Präsident, Herr Abgeordneter Nöth, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Ministerialbeauftragte für die Realschulen in Mittelfranken ist seit 1. März 2000 an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus abge

ordnet, da der bisherige Personalreferent im Realschulbereich seinen gesetzlichen Ruhestand mit Wirkung vom 1. Juni 2000 angetreten hat. Über eine Versetzung des Ministerialbeauftragten Mittelfranken kann frühestens nach Ablauf der haushaltsrechtlichen Sperre der Stelle des bisherigen Amtsinhabers – also frühestens zum Dezember 2000 – entschieden werden. Aufgrund dieser haushaltsrechtlichen Bestimmungen ist eine Ausschreibung der Stelle des Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Mittelfranken erst nach diesem Zeitpunkt möglich. Ihre Besetzung ist zum Februar 2001 geplant. Die Vertretung des MB Mittelfranken ist durch den MB Oberfranken im Einvernehmen mit diesem sichergestellt.

Zusatzfrage: Herr Kollege Nöth.

Herr Staatssekretär, wäre es nicht sinnvoll, darüber nachzudenken, ob in einem Regierungsbezirk der Ministerialbeauftragte dauerhaft einen Stellvertreter aus seinem Regierungsbezirk erhalten kann. Denn was wir derzeit erleben, dass also übergreifend ein Ministerialbeauftragter gleichzeitig zwei Regierungsbezirke betreut, das scheint auf Dauer keine Lösung zu sein.

Herr Abgeordneter, ich erkenne an, dass durch diese Doppelbelastung des MB Oberfranken, der jetzt auch für Mittelfranken zuständig ist, offenkundig wird, dass dies keine Ideallösung darstellen kann und vor allem über diesen langen Zeitraum hinweg ohne Zweifel eine außerordentliche Belastung auch des MB Oberfranken darstellt.

Ich nehme Ihre Anregung gerne mit. Sie ist in anderen Bereichen in ähnlicher Form verwirklicht, wenn ich zum Beispiel an die Gymnasien denke. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das Gegenstand einer Diskussion bei uns im Hause wird, und bedanke mich für diesen wertvollen Hinweis.

Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Dr. Jung. Er ist nicht da. Dann rufe ich die nächste Frage auf. Frau Kollegin Kellner, bitte.

Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Ist es richtig, dass an Berufsoberschulen und Fachoberschulen für das kommende Schuljahr 280 Lehrerinnen- und Lehrerstellen fehlen, und welche Maßnahmen gedenkt die Staatsregierung zur Behebung dieses Mangels zu ergreifen?

Herr Staatssekretär.

Herr Präsident, Frau Abgeordnete Kellner, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der jeweils weit über der Prognose liegenden erheblichen Schülerzuwächse an Fachoberschulen und Berufsoberschulen – seit 1995 um 43,4% – wird im kommenden Schuljahr in der Tat die Unterrichtssituation äußerst angespannt sein.

Es ist richtig – ich will das hier auch gar nicht bestreiten –, dass schon beim Pflichtunterricht ein Defizit an Lehrerstellen besteht. Neben der Umsetzung einer Unterrichtskapazität in Höhe von 45 Lehrkräften aus dem Berufsschulbereich, die aus dem Wegfall der Berufsaufbauschule begründet ist, mussten deshalb überplanmäßige Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, die eine beträchtliche Aufstockung des Personalbestands ermöglichen.

Die Schulen werden versuchen, durch organisatorische Maßnahmen den Umfang der Unterrichtsausfälle einzuschränken. Trotzdem ist noch nicht ganz absehbar, ob alle Pflichtunterrichtsstunden abgedeckt werden können.

Erfahrungsgemäß wird sich die Situation allerdings zum Schulhalbjahr in den Eingangsklassen entspannen.

Die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Die Fragestunde ist damit beendet. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen.

Wir fahren in der Tagesordnung fort und kommen zu den Dringlichkeitsanträgen. Bevor ich diese aufrufe, weise ich darauf hin, dass der Ältestenrat beschlossen hat, zunächst probeweise bis zur Sommerpause 2001 die Gesamtredezeit für die Beratung der Dringlichkeitsanträge so zu bemessen, dass die abschließende Behandlung von mindestens einem Dringlichkeitsantrag jeder Fraktion sichergestellt werden kann und insgesamt, einschließlich der Redezeit der Staatsregierung, eine Behandlungsdauer von drei Stunden möglichst nicht überschritten wird. Jeder Fraktion stehen für die Beratung der Dringlichkeitsanträge insgesamt 45 Minuten zur Verfügung. Es ist dann Sache der Fraktionen, diese Redezeit auf die einzelnen Dringlichkeitsanträge und die jeweiligen Redner zu verteilen. Ein entsprechendes Hinweisblatt ist bereits an Sie verteilt worden.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Kobler, Unterländer und anderer und Fraktion (CSU)

betreffend Weiterentwicklung des Pflegeversicherungsgesetzes und des Heimgesetzes (Drucksache 14/4034)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Werner-Muggendorfer, Wahnschaffe und anderer und Fraktion (SPD)

betreffend Verbesserung der Pflege durch Weiterentwicklung der Pflegeversicherung und des Heimgesetzes sowie durch das Qualitätssicherungsgesetz (Drucksache 14/4084)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Paulig, Schopper und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

betreffend Weiterentwicklung und Sicherung der Pflegequalität (Drucksache 14/4087)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und erteile Herrn Kollegen Kobler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Monaten gab es im Bereich der Pflege, der Alten- und der Krankenpflege, viele Schlagzeilen, Verärgerungen, Enttäuschungen. Es gibt dafür vielerlei Ursachen: Personalmangel, mangelnde Qualifizierung. Die Negativschlagzeilen lauteten: „Viele müssen weggesehen haben“, „Horrorheim“, „Die Angst geht um“ und vieles mehr.

Seitens der CSU können wir nicht nachvollziehen, dass die für verschiedene Bereiche zuständige Bundesgesundheitsministerin Fischer bei der Fortentwicklung, bei der weiteren Qualifizierung der Pflege, bei einer neuen Ausbalancierung, bei der Schaffung neuer Instrumentarien rückwärts marschiert und solche Saltos rückwärts macht.

Lieber Herr Kollege Maget, Sie wissen möglicherweise, dass Frau Bundesministerin Fischer vor nicht allzu langer Zeit in München gewesen ist.

Eine gelungene Veranstaltung!)

Ihr haben wahrscheinlich noch lang die Ohren geklungen, von dem, was sie dort von Experten zu hören bekommen hat. Ich weiß nicht, warum Sie sie hier heute womöglich noch verteidigen wollen. Mit den Gesetzesvorlagen, die Sie heute mit Ihren Anträgen verteidigen wollen, wird nur dazu beigetragen, Heimbewohner, Leistungserbringer und Kassen weiter zu verunsichern.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir die Diskussion der letzten Wochen im Fachausschuss vergegenwärtige, komme ich zu der Auffassung, dass weithin die Einsicht besteht, dass in der gesamten Pflegelandschaft griffige Verbesserungen vorzunehmen sind. Man muss dort nachjustieren, wo Schwachstellen sind und wo nicht das Nötige getan wird.

Die Pflege, gleich ob Altenpflege, Krankenpflege oder häusliche Krankenpflege, stellt eine wichtige Säule der Gesundheitspolitik dar. Es ist wirklich nicht nachvollziehbar, warum die Bundesgesundheitsministerin vor kurzem die für die häusliche Krankenpflege einschlägige Vorlage passieren ließ, obwohl davon die Pflege erheblich negativ tangiert wird und das verhältnismäßig gute Image der Pflege geschädigt wird. Auch im Hinblick auf die Kosten war die Vorlage zur häuslichen Pflege völlig kontraproduktiv, aber das ist nicht das heutige Thema. Ich möchte es nur sagen, weil die Pflege insgesamt ein sehr breiter Komplex ist. Es muss deutlich gemacht werden, dass in der Vorlage, über die der Bundesausschuss für Ärzte und Kassen entschieden hat, in Bezug auf eine Reihe von Krankheitsbildern eine gewaltige Leistungsreduzierung vorgesehen ist.

Frau Bundesgesundheitsministerin Fischer hat in der vergangenen Woche von Seiten der Experten für Altenpflege und Krankenpflege Einschlägiges erfahren können. Auf dem von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg erleidet die bisher qualitativ hochwertige Pflege

insgesamt einen Rückschlag. Wenn man so fortfährt, wird weiter Vertrauen zerstört, und wir enden möglicherweise in einer Art Crash. Es besteht größte Gefahr, dass Tausende von Versicherten vor allem im Bereich der häuslichen Krankenpflege – Aidskranke, Schmerz- und Asthmapatienten – die notwendigen Leistungen nicht mehr erhalten, es sei denn, sie bezahlen sie aus eigener Tasche.

Im Antrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 14/4034 geht es um zwei grundsätzlich auseinanderzuhaltende Bereiche. Es geht darum, das Pflegeversicherungsgesetz und das Heimgesetz entsprechend sachlich und effizient weiterzuentwickeln. Unsere Fraktion und auch das Plenum haben bereits am 2. Februar dieses Jahres die Staatsregierung gebeten, den Landespflegeausschuss darauf hinzuweisen, insbesondere den Personalschlüssel in der Pflege auf 1 : 2,2 zu verbessern, was interessanterweise nochmals von den Grünen in ihrem Dringlichkeitsantrag gefordert wird, obwohl wir dies bereits im Februar beschlossen haben.

(Zuruf des Abgeordneten Werner (SPD))

Herr Kollege, Sie müssen sich den Antrag anschauen. Weiter wird ein Inflationsausgleich von 5% gefordert. Auch das ist damals mit breiter Mehrheit dieses Hohen Hauses beschlossen worden.

Die Staatsregierung hat mit den beim Bundesrat in den letzten Monaten eingebrachten Gesetzentwürfen für ein Pflegezukunftsgesetz, für ein Qualitätsprüfungsgesetz Pflege und für ein Qualitätssteigerungsgesetz Pflege Initiativen von besonderer Tragweite im Sinne der Betroffenen ergriffen. Wir können nicht nachvollziehen, dass die Bundesgesundheitsministerin in Kenntnis der Schwachstellen, die unweigerlich vorhanden sind, denn sonst gäbe es diese Hiobsbotschaften und Schlagzeilen nicht, Prüfungen und Kontrollen zum weiteren Abbau von Unzulänglichkeiten und teilweise auch Missständen in den Altenpflegeheimen einschränken will. Das ist in der Tat verwunderlich; es gibt dafür keine sachliche Begründung. Unangemeldete Kontrollen sollen nicht mehr stattfinden dürfen.

(Werner (SPD): Das stimmt doch nicht!)

Warum gibt es noch Kontrollen, wenn sie nicht unangemeldet stattfinden dürfen? Der MDK soll hinsichtlich seiner Prüfungsbefugnis gewaltig eingeschränkt werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Pfaffmann?

Nein, ich bin aber gern bereit, mich nachher der Diskussion zu stellen. Ich bitte darum, mich die einzelnen Gesetzentwürfe einigermaßen komprimiert darstellen zu lassen.