Die Folge ist, dass wir für unsere Kernkraftwerke sehr bald kein Personal mehr finden werden. Dafür wird die SPD dann in zwei Jahren einen Antrag auf Green-Card für Reaktorsicherheit stellen.
Der größte Hammer ist die Frage der Entsorgung. Das ist wirklich ein dicker Hund. Man kann zwar versuchen, das Ganze mit Taschenspielertricks zu rechtfertigen; doch bleibt es ein dicker Hund. Ein Moratorium für das Endlager Gorleben bis zum Jahr 2010 – was soll dieses Moratorium eigentlich? Ist die Situation ab dem Jahr 2010 besser? – Es ist also Quatsch. Gorleben hat den Steuerzahler schon viel Geld gekostet. Der Standort ist lange untersucht worden. Er ist hervorragend. Aber nein, wir machen etwas anderes, unterstützt von der SPD: Zwischenlager bis zum Jahr 2005.
Was wird in der Zwischenzeit geschehen? Soll es dann so genannte Zwischen-Zwischenlager geben, ohne gesetzliche Grundlage, ohne entsprechende Schutzbestimmungen, ohne Bürgerbeteiligung?
Auf Bürgerbeteiligung stehen die GRÜNEN doch so, Frau Paulig. Aber wo ist im vorliegenden Falle der Ansatz dafür? Was sich jetzt abzeichnet, ist eine Politik lokaler Endlager. So etwas können wir nicht akzeptieren. Wir können nicht dafür sein, die entsprechenden Behälter irgendwo abzustellen, also zulasten der Bürger, anstatt sie dort zu lagern, wo es sicher ist. Immer wieder wird argumentiert, die Castor-Transporte seien zu unsicher und könnten daher nicht akzeptiert werden. Da kann ich nur einigen Mitgliedern der GRÜNEN entgegnen: Wer mitgezündelt hat, darf sich nicht über das Feuer beklagen.
Die getroffene Vereinbarung, der gesamte Kompromiss, der da angekündigt wurde, ist rechtlich, ökologisch, ökonomisch und aus technologiepolitischen Gründen
schädlich für Deutschland, für Bayern. Das Ziel der im Vorfeld geführten Gespräche bestand darin, Konsens zu erreichen. Aber seien wir einmal ehrlich: Konsens wurde nur bei Rot-Grün, vielleicht sogar nur bei den GRÜNEN erzielt. Doch haben wir es nicht mit einem Konsens zu tun, der von der Mehrheit der Deutschen getragen würde. Die Umfragen zeigen es, meine Damen und Herren von der SPD und von den GRÜNEN: Trotz all Ihrer Überlegungen dazu, wie Sie Ihre Politik besser verkaufen können, haben Sie nicht mehr die Mehrheit der Deutschen hinter sich. Die amtierende Bundesregierung hat das Vertrauen der Mehrheit der hiesigen Bevölkerung verloren – wegen ihrer Aussagen zur Atompolitik oder zum Benzinpreis. Die Deutschen haben es satt, ständig die Ergebnisse der Parteitage der GRÜNEN zum Maßstab ihres Lebens machen zu müssen. Das wollen die Menschen hier nicht mehr.
Das hat nichts mit „Letzter Mohikaner“ zu tun. Was richtig ist, wird nicht dadurch falsch, dass der Parteitag der GRÜNEN anders entschieden hat. Wir werden weiterhin für die Interessen der Menschen in Bayern kämpfen, für die Interessen der jüngeren Generation, die eine zuverlässige Energiepolitik für die Zukunft braucht und im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt werden will, nicht einsam und allein dastehen will.
Meine Damen und Herren von der SPD und von den GRÜNEN, machen Sie es nicht wie die deutsche Fußballnationalmeisterschaft, die von einem hohen Platz abgestiegen ist. Sie sind auf dem besten Wege dazu, Deutschland absteigen zu lassen. Wir leisten Widerstand dagegen.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen: Manchmal dauert es hier vorne am Mikrofon etwas länger; aber wir kommen schon klar mit der Technik. Herr Kollege Dr. Söder, ich kann mir vorstellen, dass Sie in der letzten Woche Einsamkeit gespürt haben, tiefste Einsamkeit. Ganz allein auf weiter Flur steht die CSU, Stoiber vorneweg, und hält fest an einer Dinosauriertechnologie, an einer Technologie, für die sich auf der ganzen Welt niemand mehr interessiert. Denn jeder weiß: So geht es nicht weiter. Wir müssen weg davon. – Aber viele können nicht weg davon, und zwar aus den verschiedensten Gründen, etwa aus finanziellen. Aber die Erkenntnis ist eigentlich überall da.
In der letzten Woche also war die CSU so wunderschön einsam. Ich war im Urlaub und habe in der Zeitung von dem Kompromiss gelesen. Da habe ich mich sehr gefreut; es war ein wunderschöner Abend. Da haben wir einmal die Sektkorken knallen lassen, weil es einmalig ist, was da passiert ist:
Natürlich! – Eine wichtige Industrienation, eine wichtige Exportnation hat den Mut, ist so konsequent und steigt aus der Nutzung einer Technologie aus, nachdem sie erkannt hat, dass es damit nicht weitergehen kann. Dies hat weltweite Signalwirkung – selbstverständlich, ohne Frage.
Es kommen zwei entscheidende Aspekte hinzu. Wir steigen mit klaren Fristen und mit klaren Mengenangaben aus. Wir haben einen klaren Zeithorizont. Das ist ein Anreiz für Investitionen zugunsten alternativer Energieträger. Entscheidend aber ist: Das Ganze läuft ohne Entschädigung. Darüber würde man sich in Schweden freuen. Dort wurde der Ausstieg 1980 beschlossen. Ein Kernkraftwerk dort wurde abgeschaltet, und es wurde kräftig gezahlt. Es ist eine große Leistung, dass hier keine Entschädigung gezahlt werden muss. Möglich geworden ist dies, nachdem auch die Industrie erkannt hat, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Alle Beteiligten haben unterschrieben. Konsens ist erzielt worden.
Die Spitzen der Deutschen Stromindustrie, ja, der gesamten Wirtschaft stehen hinter dieser Regelung und haben sie unterschrieben. Eine Unterschrift ist eine Unterschrift.
Ich war bei der Flurbereinigung tätig. So kann ich Ihnen sagen: Wenn ein Bauer im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens unterschrieben hat, hat er das Land wie vereinbart bekommen. Die Unterschrift ist entscheidend. – Aber im Hinblick auf den Ausstieg steht die CSU einsam da. Dabei ist der in dem Zusammenhang erzielte Kompromiss ein großer Erfolg.
Nach eineinhalbjährigen Verhandlungen hat man ein fantastisches Ergebnis erzielt, das weltweit Konsequenzen haben wird. Aus diesen Konsequenzen ergeben sich Chancen. Wie kann man das Alles nur so kleinlich sehen, wie Sie es tun, meine Damen und Herren von der CSU? Die CSU sagt doch immer, sie hätte etwas mit Fortschritt zu tun. Ich weiß nicht, was an Ihrem jetzigen Verhalten fortschrittlich sein soll, meine Damen und Herren von der CSU. Jedenfalls bietet das erzielte Ergebnis sehr große Chancen.
Ich verbinde immer Fortschritt mit der SPD. Ich stelle mich draußen hin und weiß, wovon ich spreche. – Was brauchen wir jetzt? Die angesprochenen Chancen erge
ben sich auch für Bayern. Bayern hat klare Fristen erhalten. In Bayern wird in zehn Jahren das erste und in zwanzig Jahren das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet werden. Die Zeit bis dahin muss man nutzen. Wir können sie sinnvoll nutzen. Auf vier Gebieten müssen wir tätig werden. Wir müssen an Alternativen arbeiten. Diese werden uns voranbringen, zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze beitragen, dem Umweltschutz dienen und Exportchancen für die Zukunft eröffnen. Wir werden damit weltweit führend werden.
Erstens müssen wir Überkapazitäten abbauen. Es ist doch unbestritten: Von den hierzulande erzeugten 160 Milliarden Kilowattstunden an Strom kann man 20 Milliarden abbauen. So groß sind die Überkapazitäten. Diese abzubauen wäre völlig unproblematisch. Dadurch käme es auch nicht zu einer Erhöhung der CO2-Belastung. Das Ganze sollte man intelligent angehen, etwa mit Regelungstechnik. In dem Zusammenhang ist an die Denkfabriken zu erinnern, die es in Bayern gibt, etwa in Erlangen, bei Siemens, bei der KWU. Wenn wir dezentralen Konzepten endlich zum Durchbruch verhelfen, können wir jährlich noch weitere 30 Milliarden Kilowattstunden einsparen. Wir haben die Technik dazu, mehr zu erreichen. Hocheffiziente Gasturbinen werden in Bayern gebaut, und zwar an den Standorten Augsburg und Nürnberg. Auch die Zulieferindustrie hat in Bayern Standorte, etwa in Weißenburg, in Feuchtwangen. Ich könnte nun eine lange Liste von Standorten verlesen, Standorte von Betrieben, in denen Produkte wie die genannten Turbinen oder Teile davon entstehen. In Bayern ließe also sich also geradezu eine Effizienzrevolution erzielen. So etwas nenne ich Hightech. Jeder Naturwissenschaftler weiß, was Hightech ist: Man arbeitet mit einem hohen Wirkungsgrad, nicht mit möglichst viel Elektronik und Risiko. Letzteres ist nicht Hightech. Alles, was man dafür braucht, ist bei uns in Bayern verfügbar.
Die dritte Aufgabe besteht darin, die Nutzung der erneuerbaren Energiequellen auszubauen. Die Bundesregierung hat klare einschlägige Regelungen herausgegeben: das Stromeinspeisegesetz und Förderprogramme. Bei dem Förderprogramm, das die Bundesregierung schon umgesetzt hat, geht es um die gleiche Summe, die Bayern in den letzten zehn Jahren an Fördermitteln zugunsten erneuerbarer Energiequellen ausgegeben hat. Trotzdem erkenne ich an, dass Bayern in puncto erneuerbare Energiequellen vorn war. So müsste der Freistaat jetzt den Ehrgeiz haben, mitzumachen und seinen Vorsprung zu halten.
Die Menschen in Bayern haben erkannt, worum es geht. Nicht umsonst kommen 43% der Anträge für das 100000-Dächer-Programm aus Bayern. Bei dem Programm im Hinblick auf die Nutzung von Biomasse ist es mehr als ein Drittel.
In Bayern gibt es 300 Biogasanlagen. Mehr als 2000 einschlägige Anträge liegen der zuständigen Stelle in Eschborn vor. Die Chancen auf diesem Gebiet müssen wir nutzen.
Erneuerbare Energiequellen gibt es immer. Wir müssen dafür nicht in Dollar zahlen. Bei ihrer Beschaffung hängen wir nicht vom Export ab. Bei ihnen ist es anders als bei den Uranvorräten, die, sollte die bisherige Nutzung beibehalten werden, in sechzig Jahren erschöpft wären. Die Kohlevorräte reichen für 150, die Ölvorräte nur noch für 45 Jahre. Erneuerbare Energiequellen stellen eine riesengroße Chance dar. Deren Nutzung belastet die Umwelt überhaupt nicht. Dabei wird kein CO2 gebildet. Das wissen wir doch. Die Bundesregierung hat auf diesem Gebiet ihre Hausaufgaben gemacht. Jetzt geht es darum, die sich bietenden Chancen zu nutzen.
Wenn wir wegkommen wollen von der Atomenergie, müssen wir die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung ausbauen. Diesbezüglich steht Bayern wirklich nicht gut da. Nur 5% des in Bayern produzierten Stroms wird über Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt. Bundesweit sind es, den Industriestrom eingeschlossen, etwa 14%. In Schleswig-Holstein wird eine Quote von fast 20% erreicht. In Holland sind es 40%, auch in Dänemark. Was bedeutet das? Wenn wir die von der Bundesregierung vorgegebenen Ziele – diese liegen auf dem Tisch, die Finanzierung ist geregelt – erreichen wollen, müssen wir Überkapazitäten abbauen, die Effizienz beim Energieeinsatz steigern, die Nutzungsquote der erneuerbaren Energiequellen und die der Kraft-Wärme-Kopplung verdoppeln. Dies alles ist bis zum Jahr 2010 machbar. Bis dahin haben wir die Hälfte des Kernenergiestroms ökologisch und mit einem geringeren CO2-Ausstoß ersetzt. Wenn Überkapazitäten abgebaut werden, entsteht kein höherer Co2-Ausstoß.
Auch durch den Einsatz erneuerbarer Energiequellen und von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen entsteht kein höherer Co2-Ausstoß. Wenn wir das, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat, umsetzen, werden wir im Jahr 2010 die Hälfte des Atomstroms ersetzt haben. Bis dahin wird ein Drittel der derzeit laufenden Kernenergieanlagen abgeschaltet sein. Dann müssen wir diesen Weg weitergehen. Das bedeutet pro Jahr zusätzliche Investitionen von 10 Milliarden DM. Dieses Geld ist richtig investiert. Unser Ziel muss es sein, von diesen 10 Milliarden DM so viel wie möglich nach Bayern zu holen. Wir ziehen diese Investition lediglich vor; denn wer weiter auf die Kernenergie setzen will, muss in fünf bis acht Jahren entscheiden, wo er neue Kernkraftwerke bauen will. Es müssten dann zehn neue Kernkraftwerke für 150 bis 200 Millionen DM gebaut werden. Ich frage Sie, wo Sie den Bau dieser Kernkraftanlagen durchsetzen wollen.
Herr Kollege Dr. Söder, Sie haben sich aufgeregt, dass wir in der Kernenergie Kompetenz verlieren würden. Warum sollte heute ein junger Mensch für einen Beruf in der Kernenergie studieren? Dieser junge Mensch möchte eine Perspektive für sein gesamtes Berufsleben haben. Er muss fünf Jahre studieren und danach 30 bis 35 Jahre arbeiten.
Der Kernenergie-Lehrstuhl der TU wird dichtgemacht. Jeder Student ist so intelligent, nicht auf diese Technologie zu setzen.
Ich möchte zusammenfassen: Die CSU sieht alt aus und ist sehr einsam. Wie immer möchte sie Prozesshanselei betreiben. Der Oberjurist Dr. Stoiber will gegen einen Konsens klagen. Ich frage mich, wo er mit dieser Klage ansetzen möchte. Langsam habe ich meine Zweifel, ob man sein juristisches Staatsexamen weiterhin anerkennen kann. Ein Konsens ist ein Konsens. Alle sind dafür, nur Bayern ist dagegen. Jetzt möchte Herr Dr. Stoiber das Baurecht einsetzen. Vielleicht will er für den Bau einer Dachrinne in einem Zwischenlager ein Wasserrechtsverfahren durchführen. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.
Kein Mensch begreift mehr, warum die CSU quer schießt. Die CSU vertut viele Chancen, die im Interesse Bayerns nicht vertan werden dürfen. Wir müssen jetzt in die Zukunft blicken. Dies haben die Menschen in Bayern begriffen. Die Menschen sind weiter als die Staatsregierung. Wenn es so weitergeht, wird die Wende in der Energiepolitik an der Staatsregierung vorbeilaufen. Diese Wende ist aber eine Chance für Bayern.