Protocol of the Session on June 27, 2000

Selbst Frankreich baut seit 1998 auf Drängen der EDF die Kraft-Wärme-Kopplung massiv aus. Dort wurden 1999 2000 Megawatt hinzu gebaut.

Im Bund und in Bayern gibt es Handlungsbedarf. Was macht die CSU? Sie blockiert im Bundesrat, und sie blockiert im Bundestag beispielsweise das KWK-Vorschaltgesetz, das die Marktchancen für den Strom aus der Kraft-Wärme-Kopplung schafft. Sie haben das blockiert. An Sie ist der Appell gerichtet: Seien Sie, wenn das KWK-Ausbaugesetz vorliegt – die Vorarbeiten laufen – zu intelligenten Lösungen in der Energiewende fähig.

(Kaul (CSU): Wo haben wir blockiert? Es wurde noch nichts beschlossen!)

Natürlich. Das KWK-Vorschaltgesetz lag dem Bundestag und dem Bundesrat vor. Die CDU/CSU stimmte dagegen. Die CDU/CSU stimmte im Bundestag und Bundesrat allerdings auch gegen das EEG zur Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien. Herr Kaul, hören Sie noch fünf Minuten zu, denn dann ist meine Redezeit leider zu Ende.

Lassen Sie mich kurz zum Einsparpotenzial etwas sagen. Wir haben drei Säulen: Die Effizienz, die Einsparung und die erneuerbaren Energien. Laut Wirtschaftsinstituten liegt das Einsparpotenzial im gesamten Energieumsatz bei 43%. Mit dem heutigen technischen Potenzial kann man bei Strom ein Drittel einsparen. Ich sage Ihnen, Herr Dinglreiter, wir müssen wegen unserer großen Verantwortung für die nachfolgenden Generationen und für das Klima auf Atomenergie verzichten und dafür alle technischen Potenziale und die politischen Möglichkeiten für die Energieeinsparung und die Energieeffizienz nutzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür hat die Bundesregierung die Weichen gestellt. Nun liegt es an Bayern, diesen Weg zu unterstützen. Es zeugt vom ewig gestrigen Denken des Herrn Ministerpräsidenten, dass er sich ins Abseits von Wirtschaft, Industrie und Politik stellt. Mit allen Tricks, Störfeuern und Drohungen hat er versucht, die Vereinbarung zum

Atomausstieg abzublocken. Ich sage Ihnen: Politik ist Gestaltung und nicht Blockade, Herr Ministerpräsident.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zuerst versuchten Sie, die Vereinbarung zur Atomenergie über die EU-Kommission zu blockieren. Sie haben aber die nette Antwort bekommen: Geht nicht. Andere Länder sind schließlich auch aus der Atomenergie ausgestiegen, haben dazu politische Beschlüsse gefasst oder sind nie in die Atomenergie eingestiegen. Danach haben Sie den Baseball-Schläger „Bundesrat“ aus dem Kofferraum geholt und damit gedroht.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das klappt auch nicht so ganz. Jetzt ziehen Sie mit aller Kraft die Kommunen „an Land“ und argumentieren mit Baurecht und Wasserrecht.

(Maget (SPD): Beleidigt sind Sie alle!)

Sie ziehen nun die letzten Strippen, die es zu ziehen gibt. Sie haben sich ins Abseits gestellt.

(Dinglreiter (CSU): Sie werden davon noch profitieren!)

Zum Beleg dazu zitiere ich die Presse: „Atomkonsens – Gau für Stoiber“ oder „CSU steht beim Atom-Ausstieg auf einsamem Posten. – Die letzten Mohikaner – Landtagsabgeordnete blitzen selbst bei den Bayernwerken ab“. Orientieren Sie sich endlich verantwortlich an Wirtschaft und Politik und unterstützen Sie auch in Bayern die Vereinbarung.

Beim Thema „Zwischenlager“ haben Sie sich in ihrer Scheinheiligkeit zu ungeahnten Höhen aufgeschwungen. Sie wollen in Bayern weiterhin den Profit aus der Atomstromproduktion einstecken. Sie scheuen nicht davor zurück, die Leistungssteigerung des Atomkraftwerks Gundremmingen voranzutreiben, gleichzeitig wollen Sie aber den Atommüll den anderen Menschen in anderen Bundesländern vor die Füße kippen. Das nenne ich zwiespältig und scheinheilig, meine Damen und Herren von der CSU. So geht es nicht. Schon in den so genannten Entsorgungsvorsorge-Grundsätzen von 1979/1980 waren Zwischenlager vorgesehen. Damals waren Sie damit einverstanden. Nun gilt es, diesen Teil der Vereinbarung verantwortlich nach strengsten Sicherheitskriterien umzusetzen und die Kapazitäten auf den tatsächlich im AKW anfallenden Atommüll zu beschränken.

Sie, meine Damen und Herren haben es in der Hand, sich zusammen mit den Energieversorgungsunternehmen dafür einzusetzen, dass die Atommüllmenge reduziert und nicht durch Leistungsteigerung oder Übernahme von Reststrommengen unverantwortlich vergrößert wird. Hier ist Handlungsbedarf. Würde er erfüllt, käme das der Wirtschaft zugute. Die Windenergie hat zum Beispiel das fünfzehnfache Arbeitsplatzpotenzial der Atomenergie. Durch den Ausbau der Windenergie wurden in den letzten Jahren bundesweit 30000 Arbeits

plätze geschaffen. Nach den Berechnungen des Wuppertal-Instituts ergibt sich, ein ordentliches Wärmedämmungsprogramm unterstellt, bis zum Jahr 2020 ein Potenzial von circa 400000 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Dies würde die Wirtschaft Bayerns stärken; damit würden die notwendigen Exportchancen eröffnet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein gewohnter Bestandteil Ihres scheinheiligen Spiels ist es, auf die vergleichsweise niedrigen CO2-Emissionen pro Kopf in Bayern zu verweisen. Tatsache ist aber, dass Bayern wie alle anderen Bundesländer den Auftrag hat, die Klimaschutzziele zu erreichen. Auf den aufgrund unseres einstimmig angenommenen Antrags hin zu erstattenden Berichts zu der Frage, wie Bayern seinen Beitrag dazu leisten will, sind wir schon gespannt. Bundesweit wurden die CO2-Emissionen seit 1990 um knapp 16% reduziert. In Bayern liegt diese Quote aber gerade einmal bei 1%, Herr Dinglreiter. Denn der Verkehr hat drastisch zugenommen. Trotzdem haben Sie für 4 Milliarden DM ein neues Straßenausbausystem beschlossen, wodurch die Emissionen aus dem Verkehr in Bayern weiter steigen werden. Deshalb haben wir einen Dringlichkeitsantrag vorgelegt, wie Sie in Bayern die Energiewende, für die die Bundesregierung und insbesondere die grünen Abgeordneten hervorragende Rahmenbedingungen geschaffen haben, umsetzen können. Unterstützen Sie diesen Dringlichkeitsantrag aus Verantwortung für die Zukunft und für unsere Kinder.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Dr. Söder das Wort. Seine Redezeit beträgt zehn Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der als großer Erfolg gepriesene Gipfel war ein schwarzer Tag für Deutschland mit fatalen Folgen für den Wirtschafts-, Technologie- und Umweltstandort Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da hilft alles Schönreden und Schönbeten nichts, Frau Paulig und Herr Maget. Die Folgen sind unabsehbar und schädlich für unser Land.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Das glaubt die CSU!)

Verstünden Sie sich als Interessenvertreter der Menschen in Bayern und nicht als Statthalter von Berlin, wären Sie im Land erfolgreicher.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gipfel war nicht an Sachfragen, sondern ausschließlich an politischer Ideologie und Koalitionsarithmetik orientiert. Der Standort Bayern und seine Menschen wer

den dadurch erhebliche Nachteile haben. Formal ist die Vereinbarung nur eine politische Willenserklärung – eine Art Medienshow –, rechtlich hat sie noch keine Wirkung. Wir werden das Gesetz abwarten müssen. Eines ist aber ganz klar: Der angekündigte Energiekonsens kann nur unter Beteiligung der Länder zu Stande kommen. Ohne die Länder einzuschalten wäre er null und nichtig. Wir werden uns dagegen wehren, dass über die Köpfe der Menschen und über die Länder hinweg Vereinbarungen getroffen werden. Zentralismus aus Berlin werden wir als Föderalisten nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Materiell gesehen ist der Kompromiss schädlich. Denn im liberalisierten Weltmarkt Energie verbietet sich der Versuch, mit nationalen Alleingängen Politik zu gestalten. Aufgabe verantwortungsvoller Energiepolitik muss vielmehr sein, die Versorgung mit ausreichender und bezahlbarer Energie unter Beachtung der Klimaschutzziele sicher zu stellen. Genau diese Anforderung erfüllt die Vereinbarung aber nicht. Sie können die Zahlen von irgendwelchen Ökoinstituten zitieren, solange Sie wollen, Frau Paulig, Tatsache ist: Ohne Kernenergie ist die allgemeine Versorgung auf Jahre hinaus nicht zu gewährleisten.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf dem Stromsektor haben wir ein Drittel Überschuss!)

Zwei Drittel der allgemeinen Stromversorgung Bayerns kommen aus der Kernenergie. Es ist utopisch zu glauben, man könnte mit Einsparungen oder mit regenerativen Energien allein einen Ausgleich für die Kernenergie schaffen. Genauso utopisch ist es zu glauben, die GRÜNEN werden wieder im nächsten Bundestag sitzen. Die Einsparungsmöglichkeiten, die derzeit auch in der Enquete-Kommission behandelt werden, erreichen allenfalls den Mehrbedarf, der in den nächsten Jahren gedeckt werden muss. Über einige intelligente Modelle kann man diskutieren. Sie werden aber nicht reichen, die Kernenergie zu ersetzen.

Was erneuerbare Energien angeht, braucht sich die CSU-Landtagsfraktion nichts vorhalten zu lassen. Denn Bayern ist Spitzenreiter und Marktführer bei den erneuerbaren Energien. Sie wurden in Bayern schon betrieben, als andere Länder noch gar nicht daran gedacht haben. Bayern hat zwischen 1991 und 1998 über 600 Millionen DM in den Einsatz erneuerbarer Energien investiert. Mehr als die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien kommt aus Bayern. Bayern ist die Nummer eins bei erneuerbaren Energien.

(Dr. Ritzer (SPD): Ja, aber vor allem wegen der Wasserkraft!)

Einerseits zuzugeben, dass Bayern auf diesem Sektor ganz gut ist, andererseits den Verantwortlichen vorzuwerfen, dass der Anteil erneuerbarer Energien noch etwas größer sein müsste, ist scheinheilig. Versuchen Sie zuerst einmal im Bund eine vergleichbare Leistung zu bringen, bevor Sie in Bayern solche Ansprüche stellen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

160 Milliarden Kilowattstunden jährlich werden in Deutschland aus Kernenergie erzeugt, dagegen nur 0,01 Milliarden Kilowattstunden aus der Photovoltaik. Wer vor diesem Hintergrund glaubt, den Ausstieg aus der Kernenergie vereinbaren zu können, und sagt: „Ja, jetzt forschen wir halt ein bisschen“, dafür aber entweder gar keines oder viel zu wenig Geld ausgibt, der liegt völlig falsch. Deshalb ist der Kompromiss grundsätzlich fatal und falsch. Die Folgen hat Adolf Dinglreiter bereits angedeutet. Der Kompromiss ist ökonomisch schädlich. Denn die Strompreise werden steigen. Deshalb wird der revierferne Standort Bayern auf Kohle setzen müssen. Eine Alternative gibt es nicht. Steigende Strompreise sind aber ein Nachteil für die Wirtschaftsunternehmen in Bayern. Zwar sprechen Sie ständig von Mittelstandsoffensiven, wenn Sie aber einmal die Chance hätten, Ihr mittelstandsfreundliches Herz zu zeigen, tun Sie es nicht.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Doch, das machen wir auch!)

Nein, Sie tun es nicht. Eine weitere Folge ist, dass wir auf Dauer Stromimporte aus dem Ausland brauchen. Das bedeutet, sich in Abhängigkeit zu begeben und Versorgungssicherheit zu gefährden, von den Kosten ganz zu schweigen. Zwar wird im Rahmen des Kompromisses gesagt: „Wir wollen erreichen, dass künftig kein Strom aus Kernenergie aus dem Ausland kommt“, ich frage mich aber, wie träumerisch Sie sind zu glauben, dies verhindern zu können. Die ganze Welt setzt auf Kernenergie, nur die GRÜNEN und die SPD wollen sie nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das tut Ihnen offenbar weh. Im Grunde genommen handelt es sich nicht um einen Ausstieg aus der Kernenergie, sondern um einen Ausstieg aus Arbeitsplätzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

40000 Menschen sind davon betroffen. Ich erinnere mich noch gut an SPD-Anträge, zum Beispiel an den des Kollegen Dr. Scholz, man müsse bei der KWU in Erlangen helfen und Arbeitsplätze retten. Wenn Sie aber jahrelang die Energieindustrie systematisch kaputt machen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Arbeitsplätze verloren gehen. Alles andere wäre scheinheilige Politik.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ökologisch ist der Kompromiss von katastrophaler Signalwirkung für die Klimaschutzpolitik in der Welt. Denn wer aus der Kernenergie aussteigt, steigt in die Klimavernichtung ein. Die CO2-Emissionen werden deutlich steigen. Allein in Bayern gäbe es ohne Kernenergie pro Jahr 48 Tonnen mehr Schadstoffe. Sie sollten sich überlegen, was Sie damit anfangen wollen. Ihre Politik ist ein

Verrat an Rio und Kyoto. Ich kann mich nur darüber wundern, wie die GRÜNEN ihre Seele verkauft haben. Es ist weder seriös noch intellektuell redlich, aus der Kernenergie auszusteigen und damit das Klima zu verschlechtern. Bezeichnenderweise muss die Schlagzeile des GRÜNEN-Parteitages lauten: „Fischer siegt, das Klima verliert“.

Wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, geht Knowhow verloren. Zwar wird behauptet, vom Ausstieg solle die Forschung nicht betroffen sein, Professoren in der Enquete-Kommission sagen aber, dass es schon heute kaum mehr Studenten in dieser Ausbildungsrichtung gibt.

(Gartzke (SPD): Gott sei Dank!)