Protocol of the Session on June 27, 2000

Ich darf eine Persönlichkeit zitieren, die von Energiepolitik durchaus etwas versteht. Sie hat erst vor kurzem gesagt:

Wir erwarten von einer zukunftsweisenden Energiepolitik, dass sie die bewährten Prinzipien des Energiemix sichert und kontinuierlich fortentwickelt. Grundprinzip muss das ausgewogene Miteinander verschiedener Energieträger und Erzeugungsarten sein. Dies ist wegen der enormen Höhe des Investments, wegen der Stetigkeit und Zuverlässigkeit volkswirtschaftlich dringend geboten. Der praktizierte Mix aus Kohle, Öl, Gas, Kernenergie hat in vieler Hinsicht die Bewährung bestanden. Er bildet die Grundlage für unser erfolgreiches Wirtschaftsmodell. Die Kernenergie kann auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden, ohne dass erhebliche volkswirtschaftliche und ökologische Nachteile entstehen.

Meine Damen und Herren, dies hat nicht ein Vertreter der Energieversorgungsunternehmen gesagt, sondern Hubertus Schmoldt auf dem Energiekongress in Essen am 5. Mai 2000.

(Gartzke (SPD): Das ist auch richtig!)

Das ist die Energiepolitik der Zukunft, die Sie völlig außer Acht lassen.

(Widerspruch des Abgeordneten Starzmann (SPD))

Wer heute aus der Kernenergie aussteigt, die in Bayern 80% der Grundlast in der Stromversorgung leistet, kann dafür als Ersatz noch nicht die neuen Energieträger heranziehen, auch in naher Zukunft nicht. Wer weiß, dass die Photovoltaik, die von vielen, die etwas davon verstehen wollen, als die wahre Alternative gepriesen wird, gerade einmal 0,004% der Stromerzeugung leistet,

(Maget (SPD): Traurig genug! – Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber sie kommt!)

die also hundert Mal mehr leisten müsste, um die 0,4% zu erreichen, die die Bundesregierung anstrebt, der sieht deutlich, wie weit wir von echten Alternativen entfernt sind. Meine Damen und Herren, das führt nicht weiter.

Rot-Grün will den Ausstieg, ohne zu wissen, wann, wie und in welchem Umfang erneuerbare Energien zu Verfügung stehen. Das ist keine sinnvolle Energiepolitik. Rot-Grün will den Ausstieg, ohne zu sagen, wie die zirka 7 Milliarden Mark, die die Förderung erneuerbarer Energien kostet, ohne preiswerten Kernenergiestrom auf Dauer aufgebracht werden können.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Rot-Grün vereinbart den Ausstieg innerhalb von 32 Jahren und – man höre und staune – sichert den Energieversorgungsunternehmen zu, als Bundesregierung keine Initiative ergreifen zu wollen, um die jetzigen Sicherheitsstandards zu ändern.

(Hofmann (CSU): Das muss man sich einmal vorstellen!)

Das heißt, die Energieversorgungsunternehmen brauchen nicht weiter zu investieren, auch dann nicht, wenn

es neue Sicherheitsstandards auf der Welt gibt. Das ist die Politik, mit der Sie Sicherheit in der Energieversorgung betreiben wollen. Wenn es also in dieser Zeit sicherheitstechnisch bessere Lösungen gibt, muss nicht nachgerüstet werden. Das ist schon eine merkwürdige Zusage, die Sie da getroffen haben.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Rot-Grün vereinbart mit diesem Ausstieg die Errichtung von Zwischenlagern an den Kraftwerksstandorten, um so Castor-Transporte zu vermeiden. Der Umweltminister wäre schließlich auch in einer schwierigen Situation, wenn er denjenigen gegenübertreten müsste, denen er lange angehört hat. Zwischenlager sollen sicher sein. Aber Gorleben, Ahaus oder Schacht Konrad, in die wir 5 Milliarden DM investiert haben, sollen angeblich nicht sicher sein. Das soll jemand verstehen.

(Gartzke (SPD): Die sind in den Sand gesetzt)

Rot-grün erzeugt mit dem Kernenergieausstieg einen technologischen Fadenriss, der energiepolitische Problemlösungen und die Zukunftschancen für die nachfolgenden Generationen einengt.

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Kollege.

Zwei Sätze noch. Auch Bundeswirtschaftsminister Müller sieht in 40 bis 50 Jahren wieder den Einstieg in die Kernenergie. Die Weiterentwicklung neuer Technologien wird von der Bundesregierung jedoch nicht möglich gemacht. Die Bundesregierung verspielt ein Stück Entscheidung für die Zukunft. Das ist ein Preis für die Sicherung des Bestandes der GRÜNEN, den wir nicht mitbezahlen werden.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Paulig das Wort. Sie spricht zehn Minuten.

Sehr geehrte Damen und Herren!

(Zurufe von Abgeordneten der CSU.)

Herr Hofmann schaut auf die Uhr. Bitte geben Sie mir nach acht Minuten ein Zeichen.

Herr Dinglreiter, die Sicherheitsanforderungen, die in der Vereinbarung festgehalten sind, richten sich nach § 7 des Atomgesetzes. Dort heißt es sehr klar, die Vorsorge gegen Schäden sei nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu treffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das heißt, alle Atomanlagen werden in der Auslaufphase auf das Sicherheitsniveau nach dem modernsten

und neuesten Stand von Wissenschaft und Technik gebracht. § 7 des Atomgesetzes bleibt erhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Das ist die Sachlage. Zusätzlich zu den Regelungen des § 7 wird die Sicherheitsprüfung eingeführt, die bei einigen Atommeilern bereits in diesem Jahr durchgeführt werden wird. Der generelle Sicherheits-Check ist alle zehn Jahre zu wiederholen. Die Daten, wann der Sicherheits-Check zu erfolgen hat, liegen auf dem Tisch. Der Sicherheitsstandard wird also nicht ausgehöhlt, sondern wesentlich verbessert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Biblis A hätte trotz seines maroden Sicherheitsstandards noch jahrelang laufen sollen. Jetzt wird intensiv überprüft, ob es sinnvoll wäre, dieses Kraftwerk sofort zu schließen. Das ist innovative und verantwortliche Politik.

(Kaul (CSU): International gesehen hat Deutschland den höchsten Sicherheitsstandard!)

Herr Kaul, auf das Stichwort „international“ wollte ich gerade eingehen.

Wir haben derzeit international gesehen die besten Bedingungen zur Förderung der erneuerbaren Energien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Tatsache. Die CSU ist der Meinung, wir wüssten nicht wohin und was wir wollten. Ich sage Ihnen gerne, unser Energiekonzept stützt sich auf drei Säulen: Energieeinsparung, Effizienz, Nutzung der erneuerbaren Energien.

Wir haben derzeit die weltweit besten Bedingungen für die Stärkung der erneuerbaren Energien. Siemens Solar in München hat eine zweite Schicht zum Bau von Solarmodulen eingestellt.

(Kaul (CSU): Damit kann man nicht die nötige Grundlast erzeugen!)

Die Firma ASE in Alzenau/Unterfranken – dies müsste Ihnen, Herr Kaul, bekannt sein – richtet eine zweite Produktionslinie ein. Europas größter Windpark ging in Brandenburg ans Netz. Hier wird technisches Innovationspotenzial mit privatem Investitionskapital ausgebaut.

(Kaul (CSU): Sie sind eine Traumtänzerin!)

Sie wissen, dass die Auftragsbücher des Handwerks und des Mittelstands so voll sind, dass die Darlehenszahlungen aus dem 100000-Dächer-Programm nicht ausgeschöpft werden können, weil die Anlagen nicht vorhanden sind. Das nennen wir Innovation. Das nennen wir Politik für den Mittelstand und das Handwerk.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kaul, Sie haben die Grundlast angesprochen. Beim Ausbau der effizienten Stromerzeugung durch Kraft

Wärme-Kopplung – KWK – haben wir das zweite Defizit. Bei den Anlagen zur Nutzung von Wärme und Strom mit einem Wirkungsgrad von 70 bis über 90% haben wir ein absolutes Defizit. In Bayern beträgt der Anteil an durch KWK erzeugten Strom etwa 6%; bundesweit liegen wir bei etwa 10%, wenn man die Privaten, die Energieversorger und die Industrie zusammen nimmt. Dänemark und die Niederlande beispielsweise haben 40% KWKAnteil. Das ist effiziente Stromerzeugung für die Grundlast. Finnland hat 35%.

(Kaul (CSU): Aber doch nicht in der Grundlast!)

Die Grundlast kann auch durch die Kraft-Wärme-Kopplung geschaffen werden. Herr Kaul, lassen Sie sich doch irgendwo beraten.

(Kaul (CSU): Jesus, Maria!)

Selbst Frankreich baut seit 1998 auf Drängen der EDF die Kraft-Wärme-Kopplung massiv aus. Dort wurden 1999 2000 Megawatt hinzu gebaut.