Sie können es gar nicht oft genug hören, Herr Hahnzog. Da versucht die Opposition, uns gegen die Unterstützerkreise auszuspielen, und da tut die Opposition so, als kenne sie die Rechtslage nicht. Es ist immer das glei
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch das Schlimme! – Fortgesetzte Zurufe von der SPD – Glocke des Präsidenten)
(Zuruf von der SPD: Das sind doch auch Emotio- nen! – Anhaltende Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glocke des Präsiden- ten)
Das Video beantwortet nicht die Frage, warum ein Aufenthalt beendet werden musste. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Damen und Herren im Petitionsausschuss werden mir das bestätigen: Mir ist die Berichterstattung im Petitionsausschuss nicht leicht gefallen. Es berührt natürlich schon, wenn insbesondere der Aufenthalt von Kindern beendet werden muss, die sich in den Jahren des Hierseins sehr gut integriert haben. Aber weil unser Land ein sehr begehrtes Land für Asylbewerber ist, werden wir und insbesondere die Mitglieder des Petitionsausschusses laufend mit den Problemen konfrontiert, die aufenthaltsbeendigende Maßnahmen mit sich bringen.
Aus vielen gleich gelagerten Fällen wissen wir um die schwierigen Zustände in vielen Heimatländern der Asylbewerber. Aber gerade im Interesse der vielen gleich gelagerten Fälle müssen unsere Entscheidungen sachgerecht und auch nachvollziehbar sein. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem man die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden durch die gerichtlichen Instanzen nachprüfen lassen kann.
Hier hatte die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 13.01. dieses Jahres der Familie A. mitgeteilt, dass die Voraussetzung für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nicht vorliege und kündigte aufenthaltsbeendigende Maßnahmen an. Dagegen wurde geklagt. Im Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass nach der Sach- und Rechtslage weder Anspruch auf Duldung noch sonst auf Abschiebeschutz besteht. Ich zitiere wörtlich das Verwaltungsgericht:
Die Ausländerbehörde ist nicht gehindert, vielmehr gesetzlich verpflichtet, die Antragsteller auf der Grundlage des rechtskräftigen Bundesamtsbescheids vom 29.11.1993 abzuschieben.
Ich denke – wir weisen auch immer wieder darauf hin –, dass wir uns im Petitionsausschuss nicht als Obergericht sehen können. Wir haben gerichtliche Entscheidungen
zu respektieren, auch dann, wenn es dem einen oder anderen wehtut. Von der Opposition wird hier immer vorgebracht, die Altfallregelung werde bei uns anders ausgelegt.
In diesem Fall ging es insbesondere um das Problem des Sozialhilfebezugs. Der VGH hat sich auch mit dieser Frage beschäftigt und hat ausdrücklich erklärt, dass dies nicht so gesehen werden könne.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch hier der Opposition vorhalten, dass die SPD dort, wo sie in der Regierungsverantwortung steht, kaum anders entscheidet als in Bayern.
Ich gehe davon aus, dass heute der Landtag die Entscheidung des Petitionsausschusses bestätigt. Und lassen Sie mich noch eines sagen, meine Damen und Herren: Im Petitionsausschuss hat einer der Unterstützer erklärt, er halte die Ausländerpolitik Bayerns, so wie sie im Lande gehandhabt wird, für richtig. Er stehe dazu. Aber in diesem einen Fall mögen wir doch einmal eine Ausnahme machen.
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin im Grunde genommen dankbar dafür, dass sich das Parlament mit dieser Petition beschäftigt, weil dabei einmal mehr deutlich gemacht werden kann, wo in der Ausländer- und Asylpolitik die Unterschiede zwischen Rot und Grün einerseits und der Union andererseits liegen. Lassen Sie mich zu dem konkreten Fall Folgendes sagen.
(Schindler (SPD): Wir verstehen nicht, was Sie gemeint haben beim Unterschied zwischen Rot und Grün und der CSU! – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Darauf komme ich noch, Herr Kollege. Lassen Sie mich zunächst den Sachverhalt noch einmal sorgfältig schildern, weil er deutlich macht, wie hier jemand mit allen Mitteln, die unser Rechtsstaat bietet – das räume ich durchaus ein –, versucht hat, einen Daueraufenthalt in Deutschland zu ertrotzen oder zu erzwingen.
Die armenischen Eheleute reisten zusammen mit ihren beiden Kindern am 26.05.1993 – also vor sieben Jahren
von Armenien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein, um hier ihre Anerkennung als Asylberechtigte zu beantragen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte für alle Familienmitglieder die Asylanträge mit Bescheid vom 29.11. 1993 – also sehr schnell – ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzung des § 51 des Ausländergesetzes – Abschiebungsschutz – noch Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes vorliegen. Die Familie wurde unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise aus dem Bundesgebiet im Jahre 1993 aufgefordert.
Auf die dagegen erhobene Klage wurde das Bundesamt vom Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 25.11.1994 wegen der damals unsicheren Lage im Heimatland verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 des Ausländergesetzes vorliegen. Daraufhin erteilte das Landratsamt Regensburg der Familie erstmals am 22.02.1995 Duldungen, die mehrmals, zuletzt bis zum 30.12.1999, verlängert wurden. Der Ehemann hatte übrigens bereits 1996 freiwillig das Bundesgebiet verlassen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge widerrief mit Bescheid vom 23.07.1998 die Feststellung über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen hinsichtlich aller Familienmitglieder. Bezüglich der beiden Kinder und des Ehemannes wurde der Widerrufsbescheid bereits am 19.08.1998 bestandskräftig. Die Klage von Frau A. gegen den Widerrufsbescheid vom 23.07.1998 wurde vom Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 17.05.1999 zurückgewiesen. Rechtskraft trat am 12.06.1999 ein.
Mit diesem Tag war die Familie zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Spätere erneute Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung konnten daran rechtlich gesehen nichts ändern. Im Januar 2000 hatte das Landratsamt Regensburg die für die Abschiebung notwendigen Dokumente beschaffen können. Es stand fest, dass die Familie nicht an der von der Innenministerkonferenz am 19.11.1999 beschlossenen Altfallregelung teilnehmen konnte. Die Familie hat nach Mitteilung der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes Regensburg vom 23.06.1999 für die Zeit vom 07.11.1994 bis 30.06.1999 Sozialhilfeleistungen in Höhe von über 100000 DM erhalten. Der Sozialhilfebezug während annähernd fünf Jahren kann nicht mehr als vorübergehend im Sinne der Altfallregelung angesehen werden.
Herr Kollege Schindler, wenn Sie davon sprechen, dass gegen die Intention der Altfallregelung verstoßen wird, weiß ich nicht, was Sie damit konkret meinen. Die Altfallregelung ist relativ präzise. Ich weiß in dem Fall vielleicht ein bisschen besser Bescheid als Sie, weil ich an der Formulierung der alten und der neuen Altfallregelung in der Innenministerkonferenz mitgewirkt habe und deshalb über den Geist, Inhalt und die Intention der Regelung authentischer Auskunft geben kann als Sie, der Sie nur aus dritter Hand informiert sein können.
Ich darf ausdrücklich feststellen, dass sich der Vollzug Bayerns zu 100% im Rahmen dieser Altfallregelung hält. Ich bestreite nicht, dass die Altfallregelung gewisse Spielräume zulässt. Das liegt daran, dass in der Innen
ministerkonferenz das Prinzip der Einstimmigkeit herrscht und Regelungen ohnehin nur zustande kommen, wenn sich alle in einer solchen Formulierung wiederfinden können. Das führt dazu – das brauche ich Ihnen nicht zu erläutern –, dass es manchmal etwas schwammige Formulierungen gibt, die unterschiedlich ausgelegt werden können. Ich bestreite nicht, es gibt Länder, die die Altfallregelung anders auslegen als Bayern, aber die bayerische Auslegung hält sich zu 100% im Rahmen der Altfallregelung.
Herr Dr. Hahnzog, ich gestehe durchaus, dass es bayerische Ausländerpolitik ist, die Altfallregelung eng auszulegen. Ich kann Ihnen gern verraten, wir waren bis zuletzt gegen eine Altfallregelung, weil eine Altfallregelung immer wieder eine neue Altfallregelung zur Folge hat. Die Innenminister haben sich 1993 geschworen, das ist die letzte Altfallregelung. Aber nach jedem Stichtag wachsen sofort neue Altfälle heran, bis der Druck so stark ist, dass man wieder eine neue Altfallregelung erlassen muss. Ich persönlich halte die Altfallregelung für falsch, das räume ich gern ein, aber die Umstände damals ließen es sinnvoll erscheinen, der Altfallregelung für Bayern – in letzter Sekunde übrigens – zuzustimmen. Nicht nur Bayern hat sich gewehrt, sondern auch andere Länder der Bundesrepublik Deutschland haben sich gewehrt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommt ein weiterer Punkt dazu. Es geht nicht in erster Linie um den Sozialhilfebezug, sondern es geht darum, dass sich die Familie beharrlich geweigert hat, ihre Passpflicht zu erfüllen.
Das ist Bestandteil der Altfallregelung, das ist völlig unumstritten. Sie und Ihre Gesinnungsgenossinnen und -genossen müssen sich hier an die eigene Nase fassen, denn Sie und Unterstützerorganisationen haben die Betroffenen geradezu aufgefordert, sich keine Pässe oder Passersatzpapiere zu beschaffen. Jetzt leiden die Betroffenen unter Ihren falschen Ratschlägen.
Der Reisepass von Frau A. war bereits seit 05.05.1998 abgelaufen. Sie hatte für sich keinen Pass und für ihre beiden Kinder ebenfalls keinerlei Pässe. Sie war auch zu keinem Zeitpunkt bereit, für sich und ihre Kinder einen Pass zu beantragen oder zumindest Nachweise für eine Passbeantragung vorzulegen. Die Gründe und Hintergründe für eine solche Verweigerung liegen offensichtlich darin, dass man sich erhoffte, sich dadurch einer Ausreise oder Abschiebung entziehen zu können.
Mit Beschluss vom 08.02.2000 lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg den von der Bevollmächtigten von Frau A. erneut gestellten Antrag auf Gewährung von Abschiebeschutz ab. Auch das Gericht führte aus, dass
die Familie keinen einer Abschiebung entgegenstehenden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung 1999 habe – das ist durch Gericht festgestellt –, und zwar auch deswegen, weil sie ihrer Passpflicht nicht genügte. Diese Auffassung wurde sogar vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10.02.2000 bestätigt. Mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2000 hat das Verwaltungsgericht Regensburg eine Klage, mit der das Landratsamt Regensburg unter anderem verpflichtet werden sollte, eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, abgewiesen. Die Kläger ließen anstelle der Zulassung der Berufung eine mündliche Verhandlung beantragen, zu der das Verwaltungsgericht Regensburg für den 19.06.2000 geladen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da Frau A. mehrfach gegenüber der Ausländerbehörde erklärt hatte, dass sie das Bundesgebiet auf keinen Fall freiwillig verlassen und ihre Kinder vor einer Abschiebung verstecken werde – das sind konkret die Einlassungen von Frau A. –, wurde am 09.02.2000 auf Antrag der Ausländerbehörde vom Amtsgericht Regensburg Sicherungshaft erlassen, und zwar zur Vorbereitung und Sicherung der Abschiebung. Im Einvernehmen zwischen Frau A. und der Ausländerbehörde wurden die beiden Kinder während der Haftdauer bei einer Nachbarin untergebracht. Wir haben uns also durchaus bemüht, den familiären Verhältnissen gerecht zu werden. Der Gerichtsbeschluss hat uns ermächtigt, auch die beiden Kinder in Haft zu nehmen. Nur weil gesagt worden ist, man solle sie doch bei der Nachbarin belassen, weil das die Kinder weniger beeinträchtigt, haben wir dem zugestimmt.
Als Frau A. und der Behördenvertreter am Freitag, dem 11.02.2000, die Kinder bei der Nachbarin abholen wollten, hinderte diese die Tochter daran, in den bereitstehenden Polizeibus, in dem sich Frau A. bereits aufhielt, einzusteigen. Presse und Fernsehen waren von der Nachbarin bereits verständigt worden und waren vor Ort. Der Sohn stieg sofort freiwillig in den bereitstehenden VW-Bus der Polizei zu seiner Mutter ein. Die Tochter wurde von der Nachbarin zurückgehalten. Frau A. bat sofort um Herausgabe ihrer Tochter. Die Nachbarin bot daraufhin an, die Tochter in ihrem Privatauto zum Flughafen zu bringen. Auch darauf ist die Polizei eingegangen, um das Kind möglichst wenig zu beeinträchtigen. Anstatt das Kind jedoch wie zugesagt zum Flughafen zu bringen, fuhr die Nachbarin mit ihm zu dessen Schule, um Gelegenheit zu geben, sich vor den erneut bereitstehenden Fernsehkameras und anderen Pressevertretern von ihren Schulkameraden zu verabschieden.
Die Trennung der Tochter von ihrer Mutter und ihrem Bruder am Tag der Abschiebung ist, wie ich schon eingangs ausgeführt habe, somit eindeutig nicht unseren Behörden anzulasten, sondern auf das Verhalten der Nachbarin zurückzuführen. Dieses Verhalten muss ich auf das Schärfste missbilligen, und zwar unabhängig davon, ob die Mutter in das Vorgehen eingeweiht war oder nicht.
Wäre die Rückführung, wie verschiedentlich gefordert, gestoppt worden, würde dies andere Betroffene – es wäre nicht der erste Fall – geradezu ermutigen, die Aufenthaltsbeendigung durch rechtswidriges Entziehen von Kindern oder durch Untertauchen zu vereiteln. Es wäre eine Aufforderung, sich so zu verhalten, weil man damit einen Aufenthalt in Deutschland erzwingen könnte. Das kann aber kein vernünftiger Mensch wollen.
Nun zum Vorwurf, der Wille des Kindes sei ignoriert worden. Auch das Kind unterliegt der gerichtlich festgestellten Ausreisepflicht. Zudem wollte die Mutter nach eigenem Bekunden mit ihrem Kind ausreisen, was durch das Verhalten der Nachbarin, ob mit oder ohne Zustimmung der Mutter, kann ich nicht klären, verhindert wurde. Ich darf deshalb feststellen, dass die Maßnahmen der mit der Abschiebung befassten Behörden im vollen Umfang rechtmäßig und nicht inhuman waren. Ob die politische Lage im Heimatland eine Rückkehr zulässt, prüft in solchen Fällen nach den geltenden Gesetzen ausschließlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Wir, die bayerischen Ausländerbehörden bis hin zum Innenminister, haben hier kein eigenständiges Prüfungsrecht, sondern haben das, was durch Gerichte rechtskräftig festgestellt ist, zu vollziehen.