Nun zum Vorwurf, der Wille des Kindes sei ignoriert worden. Auch das Kind unterliegt der gerichtlich festgestellten Ausreisepflicht. Zudem wollte die Mutter nach eigenem Bekunden mit ihrem Kind ausreisen, was durch das Verhalten der Nachbarin, ob mit oder ohne Zustimmung der Mutter, kann ich nicht klären, verhindert wurde. Ich darf deshalb feststellen, dass die Maßnahmen der mit der Abschiebung befassten Behörden im vollen Umfang rechtmäßig und nicht inhuman waren. Ob die politische Lage im Heimatland eine Rückkehr zulässt, prüft in solchen Fällen nach den geltenden Gesetzen ausschließlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Wir, die bayerischen Ausländerbehörden bis hin zum Innenminister, haben hier kein eigenständiges Prüfungsrecht, sondern haben das, was durch Gerichte rechtskräftig festgestellt ist, zu vollziehen.
Deswegen macht es keinen Sinn, uns zu einem generösen Verhalten und Handeln aufzufordern, Herr Schindler. Das ist nicht Gegenstand der Gesetze. Vielmehr haben wir die sehr schwere Pflicht, das zu vollziehen, was die Gesetze, die auch mit Ihrer Zustimmung beschlossen worden sind, und die Gerichte vorgeben. Die Altfallregelung ist einstimmig mit Zustimmung Ihrer Leute und des Bundesinnenministers Schily beschlossen worden. Deshalb können Sie uns nicht vorwerfen, dass wir diese einstimmig von den Innenministern verabschiedete Altfallregelung konsequent vollziehen.
Ein Verbleiben ausreisepflichtiger Ausländer trotz eindeutiger Entscheidungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bzw. von Verwaltungsgerichten würde, wie Kollege Fischer bereits deutlich gemacht hat, zu einer Sogwirkung führen. Hätten Ihre Maßstäbe Geltung, könnte letztlich jeder, dem es gelingt, legal oder illegal nach Deutschland einzureisen, auf Dauer hier bleiben. Nur durch eine konsequente Aufenthaltsbeendigung ausreisepflichtiger Ausländer kann aber dem Eindruck entgegengewirkt werden, die Bundesrepublik nehme aus allen Staaten der Erde Personen auf, die in schwierigen politischen oder wirtschaftlichen Verhältnissen leben.
Herr Regensburger, bestätigen Gerichtsentscheidungen, auf die Sie sich sehr stark berufen, nicht oft behördliche Entscheidungen mit der Begründung, sie bewegten sich im Rahmen der Entscheidungsbefugnisse und der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, was aber nicht zwingend so sein
muss, auch wenn Sie sich immer darauf zurückziehen, der gerichtlichen Entscheidung folgen zu müssen, obwohl das Gericht gar keinen Zwang ausübt, und übertragen Sie diese Situation nicht fälschlicherweise auf den vorliegenden Fall?
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Dr. Hahnzog, Qualitätsmerkmal bayerischer Ausländerpolitik ist es, bestehende Gesetze und Gerichtsentscheidungen konsequent zu vollziehen. Wir wissen, dass wir dafür die große Zustimmung der bayerischen Bevölkerung haben.
Herr Staatssekretär Regensburger hat insgesamt 15 Minuten gesprochen. Das bedeutet nach unserer Geschäftsordnung, dass die Fraktionen jeweils zehn Minuten Redezeitverlängerung haben. Die SPD-Fraktion und die GRÜNEN haben bereits signalisiert, dass sie weitere Redner zu Wort kommen lassen wollen. Als erstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Schindler das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär! Ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie offen und ehrlich die Linie der Bayerischen Staatsregierung in der Ausländerpolitik dargestellt haben. Bekanntlich hat sich Bayern gegen eine Altfallregelung gewehrt, und beim Lesen der Ausführungsbestimmungen stellt man auch fest, dass Sie alles dafür tun, damit möglichst kein einziger Fall in den Genuss der Altfallregelung kommt.
Darüber hinaus nehmen Sie mit den Ausführungsbestimmungen auch noch ein bisschen Rache an all jenen, die sich in der Vergangenheit für Ausländer, die hätten ausreisen müssen, eingesetzt haben. Denn in den Ausführungsbestimmungen heißt es wörtlich: „Ein kurzfristig illegaler Aufenthalt ist nur dann unschädlich, wenn er darauf beruht, dass nicht unmittelbar um Duldung nachgesucht wurde... Wurde dagegen der Ausländer zum Beispiel auch nur kurzfristig von Unterstützern in Obhut genommen mit dem Ziel, eine Abschiebung zu vereiteln, hindert dies die Anwendbarkeit der Altfallregelung.“ Dann heißt es weiter, dass all diejenigen, die sich der Unterstützung irgendwelcher Leute bedient haben, automatisch nicht in den Genuss der Regelung kommen. Damit wird klar, worum es Ihnen geht: Ein Exempel zu statuieren und all denen, die sich für Ausländer eingesetzt haben, zu zeigen, dass es so nicht geht und dass sie die Zeche dafür zu zahlen haben.
Ihre Ausführungen, Herr Staatssekretär, waren in wesentlichen Teilen falsch. So haben Sie zum Beispiel
behauptet, die Nachbarin hätte die Tochter daran gehindert, zur Mutter in den Bus einzusteigen. Hätten Sie den Film gesehen, könnten Sie diese falsche Darstellung, die sich bereits in Ihrer Stellungnahme findet, heute wohl kaum nochmals bringen.
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit bedauern Sie und viele Ihrer Kollegen, Herr Staatssekretär, dass wir in einer Gesellschaft lebten, die es sich angewöhnt habe, wegzusehen; wo immer es Schwierigkeiten gebe, zögen sich die Leute in ihr Schneckenhaus zurück und versuchten, mit den Problemen erst gar nicht konfrontiert zu werden. Im vorliegenden Fall haben Leute hingesehen, haben Nachbarn und viele Bürgerinnen und Bürger sich um Ausländer gekümmert, wofür ich ihnen dankbar bin.
Diese Bürgerinnen und Bürger haben nicht akzeptiert, wie mit einer Familie, die sich in das dörfliche Leben in Pentling eingefügt hatte, wo die Kinder in der Schule gute Erfolge erzielt haben, umgegangen wurde. Sie haben hingesehen, als der Polizeibus vorfuhr.
Herr Kollege Fischer, bei der vorliegenden Eingabe handelt es sich seit 1998 um den zweiten Fall einer Petition, die wir ins Plenum bringen. Ihre Behauptung, wir brächten Eingaben immer dann ins Plenum, wenn es gerade opportun sei, trifft nicht zu.
Der vorliegende ist erst der zweite Fall von vielen Hunderten. Sie wissen genauso gut wie ich, in wie vielen von Hunderten Fällen wir übereinstimmen. Wenn wir einen Fall ins Plenum bringen, hat das seinen Grund. Der vorliegende Fall ist geeignet, hier nochmals diskutiert zu werden. Denn offensichtlich will die Bayerische Staatsregierung an den Betroffenen und den Unterstützern ein Exempel zulasten einer Familie und zulasten von zwei kleinen Kindern im Alter von zehn und elf Jahren statuieren. Diese Kinder sind in Bayern aufgewachsen, können kein Armenisch und finden in Armenien auch keine Heimat, weil Pentling ihre Heimat ist. Im Übrigen wissen Sie, Herr Staatssekretär, so gut wie ich, dass ein Gerichtsbeschluss, noch dazu kein bestandskräftiger, nicht sofort vollzogen werden muss.
Kein Mensch hätte die Staatsregierung daran gehindert, noch einmal abzuwarten. Vielleicht traut sich der VGH sogar, in der Hauptsache zugunsten der Betroffenen zu entscheiden und festzustellen, dass die von Ihnen gewählte Auslegung der Altfallregelung nicht deren Wortsinn entspricht. Ich gestehe zu, dass Sie, Herr Staatssekretär, Sinn, Geist und Intention der Altfallregelung besser kennen als ich. Denn Sie haben sich intensiv
Wenn die gewählten Worte Sinn geben sollen – Sozialhilfebezug rückwärts oder in die Zukunft gewandt, Integration in der Vergangenheit oder zum Stichtag 19.11. 1999 – ist Ihre Auslegung nicht zulässig. Vielmehr muss auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Innenministerkonferenz, sprich auf den 19.11.1999 abgestellt werden, und zu diesem Zeitpunkt war im vorliegenden Fall kein nennenswerter Sozialhilfebezug mehr gegeben.
Weil sie gemerkt haben, dass Ihre Argumente so toll nicht sind, haben Sie am Schluss Ihrer Ausführungen noch behauptet, die Betroffenen hätten gegen die Passpflicht verstoßen. Davon war in der Stellungnahme gegenüber dem Petitionsausschuss nicht die Rede, und so gesehen haben Sie, Herr Staatssekretär, dieses Argument nur nachgeschoben, wohl wissend, dass sich Frau A. in vielen Telefonaten bemüht hat – darüber sind Aktenvermerke angefertigt worden, und es gibt Schriftverkehr zwischen der Ausländerbehörde Regensburg und der armenischen Botschaft –, einen Pass zu bekommen, sich die armenische Seite aber geweigert hat, diesen Pass auszustellen, solange keine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist.
Sie wissen genau, dass sich die Katze in den Schwanz beißt; dennoch werfen Sie es vor. Wie schwach eigentlich sind Ihre sonstigen Argumente?
Weil es ein so exemplarischer Fall ist und weil Sie an diesem Fall demonstrieren, dass Sie eigentlich keine Altfallregelung wollen, weil es ein Fall ist, mit dem Sie offensichtlich – ich traue mir das zu sagen – ein bestimmtes Wählerklientel befriedigen wollen, eignet er sich, hier diskutiert zu werden. Deswegen haben wir ihn auf die Tagesordnung gebracht.
Herr Regensburger, fühlen Sie einfach mal die Lebenswirklichkeit einer Familie aus einem Kriegsgebiet nach, die sich in einem fremden Land aufhält. Die Frau erzieht zwei kleine Kindern allein, da sie seit 1996 getrennt lebt. Schauen Sie sich das an. Machen Sie die Augen auf und sehen Sie, wie solche Menschen leben müssen. Sie ist der Pflicht nachgekommen, sich um die Pässe zu bemühen. Wie schwierig das mit zwei kleinen Kindern sein kann, wissen wir als Mütter und Väter. Man muss sich um die Öffnungszeiten eines Landratsamtes und anderer Ämter kümmern. Wir wissen, wie schwierig es in einem fremden Land ist, wenn man nicht genügend Geld hat.
Frau A., Herr Regensburger, hat sich, entgegen der Darstellung des bayerischen Innenministerium mit all ihren Möglichkeiten um armenische Pässe bemüht. Ihre Bemühungen blieben erfolglos. Das können Sie ihr nicht anrechnen. Am 05.08.1997 vermerkte das Landratsamt in einem Aktenvermerk, dass die von der armenischen Botschaft zur Passausstellung verlangte Bescheinigung für Frau A. nicht ausgestellt werden könne. Ich habe diesen Aktenvermerk. Im April 1998 berichtete Frau A. dem Ausländeramt in einem eineinhalbseitigen Schreiben – auch dieses Schreiben habe ich, es ist beim Landratsamt eingegangen – wiederum ausführlich, detailliert und sehr konkret über ihre vergeblichen Bemühungen bei der armenischen Botschaft wegen der armenischen Pässe. Immer wieder wurde ihr von der Botschaft mitgeteilt, dass Voraussetzung der Passbeantragung der Nachweis über einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus in der BRD sei und dass auch eine persönliche Vorsprache daran nichts ändern würde.
Nach erneuten vielen Telefonaten bestätigte die armenische Botschaft am 05.01.2000 schriftlich – das liegt mir auch vor –, dass für die Passbeantragung unter anderem der Nachweis über einen rechtmäßigen Status in der BRD erforderlich sei. Die armenische Botschaft erteilte Frau A. keinen armenischen Pass, weil sie mit der Duldung keinen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus hatte. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Ausländerbehörde begründete die Nichterteilung der Aufentshaltsbefugnis unter anderem mit dem fehlenden Pass. Mein Gott, Herr Regensburger, was soll die gute Frau denn überhaupt noch machen?
Ich, meine Damen und Herren, frage mich immer, wenn ein solcher Härtefall dem Petitionsausschuss vorliegt, warum man die Altfallregelung nicht so auslegen kann wie andere Bundesländer auch – was Sie, Herr Regensburger, gerade eingeräumt haben, dass man das hätte tun können. Aber man möchte hundertprozentig oder sogar hundertfünfzigprozentig den IMK-Beschluss in Bayern auslegen. Wir hätten die Möglichkeit einen Härtefall zu sehen und ihn als solchen zu würdigen. Warum tun wir das nicht? Warum haben wir einen Petitionsausschuss? Was ist das für eine Farce?
Wie Sie, meine Damen und Herren von der CSU, seelisch mit einer solchen Entscheidung zurechtkommen, das frage ich mich – und als Christin sowieso.
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Schindler, Sie waren der Meinung, in Bayern würde die Altfallregelung in keinem einzigen Fall angewandt, weil die Ausführungsbestimmungen so restriktiv wären, dass das gar nicht möglich wäre. Ich kann Ihnen das Gegenteil belegen. Es gibt eine Statistik vom 29.02.2000. Nach der haben wir nach der Altfallregelung
bisher 128 Aufenthaltsbefugnisse erteilt; Hessen hat 585; Rheinland-Pfalz 426; Schleswig-Holstein 168 und andere Bundesländer zum Teil noch erheblich weniger. Die Zahlen von Nordrhein-Westfalen liegen mir nicht vor.
Ich wehre mich nur gegen den Vorwurf, es gebe in Bayern eine Nulllösung. Das ist nachweislich nicht der Fall.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Paulig?
Herr Staatssekretär, können Sie dem Plenum darlegen, wie viele verheiratete oder allein erziehenden Frauen mit Kindern sich unter den anerkannten Altfällen befinden?
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Nein, das habe ich nicht parat. Ich bitte um Nachsicht, dass ich nicht auf alle Fragen vorbereitet sein kann.
Es ist ein totaler Unsinn, Herr Kollege Schindler – ich muss das so deutlich bezeichnen –, wenn Sie uns vorwerfen, wir würden mit dem Vollzug der Altfallregelung an den Unterstützerkreisen Rache nehmen. Solche Motive und Gefühle liegen uns fern. Wir versuchen, das Ganze mit möglichst wenig Emotion zu machen und bei der Sachlichkeit zu bleiben. Das unterscheidet uns von Ihnen.
Ich möchte aber auch klarstellen, dass, ob jemand auf Dauer in Deutschland bleiben kann, nicht davon abhängig sein kann, ob sich nun gerade mehr oder weniger zufällig einer oder mehrere Unterstützerkreise dafür einsetzen. Das kann und darf kein Maßstab für solche Entscheidungen sein.