Unser Kollege Harald Güller wird auf die Frage der Abgrenzung der Bund-Länder-Kompetenzen und vor allem auf den Länderfinanzausgleich noch näher eingehen. Lassen Sie mich nur einige Eckpunkte nennen.
Wir fordern wie Sie eine Überprüfung der konkurrierenden Gesetzgebung und der Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91 des Grundgesetzes mit dem Ziel ihrer weitgehenden Abschaffung.
Sie sollten sich aber davor hüten, jede bundesweite Vereinbarung mit dem wohlfeilen Wort „Gleichmacherei“ zu bedenken. Wenn heute Eltern für ihre Kinder in allen Bundesländern vergleichbare Bildungsabschlüsse wollen, ist das keine Gleichmacherei, sondern eine absolute Notwendigkeit in einer mobilen Gesellschaft.
Einhergehen muss diese Neuverteilung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern natürlich auch mit einer Neuordnung der Finanzen. Wir wollen – wie Sie und nicht erst seit heute – einen fairen Finanzausgleich. Fairness heißt für uns, nicht zu vergessen, dass Bayern 38 Jahre von der Hilfe anderer Länder profitiert hat, aber auch, dass durch den Finanzausgleich nicht Verhältnisse auf den Kopf gestellt werden dürfen und dadurch arme zu reicheren Ländern und reiche zu armen Ländern werden. Natürlich ist das im Vergleich zu ihrer ursprünglichen Position zu sehen. Natürlich sollen die ärmeren Länder reicher werden, aber doch nicht reicher als die Zahlerländer; dies wollten Sie bewusst missverstehen.
Auch beim Finanzausgleich gilt: Wir brauchen Wettbewerb und Kooperation, Subsidiarität und Solidarität. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Kooperation und Solidarität für Sie im Zusammenhang mit Föderalismus Fremdworte sind, und das macht es so schwer, Verbündete für die Interessen Bayerns zu finden. Wir wollen – wie Sie heute nochmals betont haben – eben keinen reinen Wettbewerbsföderalismus wie Sie. Wir sind davon überzeugt, dass Föderalismus auf dem Boden von Kompromissbereitschaft und Kooperation am besten gedeiht.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich inhaltlich – und das ist nicht verwunderlich – zum Länderfinanzausgleich nicht sehr viel getan. Die Bundesländer arbeiten – oder besser verharren – in den zwei bekannten Gruppen: Zahler- und Empfängerländer. Jetzt soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden nach dem Motto – erlauben Sie mir diese despektierliche Anmerkung –: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis. Diesen hätten Sie auch ohne Klage erreichen können.
Damit bewahrheitet sich leider unsere zentrale Kritik von uns an Ihrer Klage beim Bundesverfassungsgericht. Die auch von uns als notwendig angesehene Reform des Länderfinanzausgleichs – und wir stimmen mit 60 bis 70% der von Ihnen heute genannten Forderungen über
Ich weiß aus vielen Diskussionen auf Bundesebene, dass die Klage hier Gräben aufgerissen hat, die nur schwer zu schließen sind. Ergebnis könnte eine sehr kleine Lösung sein, welche Bayern am wenigsten dient.
Gleichzeitig ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinreichend unkonkret, sodass wiederum die Gefahr besteht, dass sich beide Ländergruppen in der Diskussion auf die ihr genehmen Passagen beziehen werden. Vielleicht kann die Lösung des Problems darein bestehen, durch eine Neuaufteilung von Kompetenzen von Bund und Ländern einen zusätzlichen Zwang zu einer neuen Finanzaufteilung zu erzeugen und dadurch aus der festgefahrenen Situation herauszukommen.
Viel hat sich beim Länderfinanzausgleich nicht bewegt. Eines hat sich jedoch verändert: Ihre Position zur Neugliederung der Länder hat sich um 180 Grad gedreht. Heute Nacht dachte ich, ich lese Ihre Rede nicht richtig: Das ist nahezu O-Ton Schmidt aus unserer ersten Debatte zum Länderfinanzausgleich; seit dem Regierungswechsel muss das Saarland plötzlich nicht mehr aufgelöst werden.
O tempora mutantur, wie ändern sich die Zeiten und Stoiber mit ihnen nach dem schönen Motto: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an.
Für Sie beinhaltet die Diskussion über die Stärkung des Föderalismus die Forderungen an die Europäische Union und an den Bund. Für uns gehört auch der innerbayerische Föderalismus zu einer umfassenden Föderalismusdiskussion. Gegenüber dem Bund und gegenüber Europa sind Sie der größte Föderalist – innerbayerisch der größte Zentralist.
Heute haben Sie in diesem Zusammenhang wieder behauptet: alles in Bayern ist gut, besser, am besten – auch in der kommunalen Selbstverwaltung. Unsere erfolgreichen ersten Bürgermeister und Oberbürgermeister, von denen wir in Bayern mehr stellen als Sie, sehen das ein bisschen anders.
Wir trauen nämlich im Gegensatz zu Ihnen den kommunalen Gebietskörperschaften, den Gemeinden, Landkreisen, Städten und Bezirken zu, vieles, was derzeit von der Staatsregierung bis ins kleinste Detail geregelt wird, selbst zu regeln. Wir sind ebenso der Auffassung, das wir in Bayern nicht unzählige kommunale Fördertatbestände brauchen, sondern im Sinne der Subsidiarität das Geld in den Kommunen lassen und sie eigenständig
darüber verfügen lassen sollten. Wir sind weiterhin der Meinung, dass wir die Kompetenzen in den Regionen nutzen sollten – siehe regionale Hightech-Offensive – und nicht durch angeblich übergeordneten Staatskanzleisachverstand unterdrücken dürfen.
Letztendlich müssen wir im Freistaat endlich im Sinne von Subsidiarität und gelebtem Föderalismus das Konnexitätsprinzip erfüllen und den Kommunen die ihnen für ihre Aufgaben zustehenden finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.
Wenn ich mir das Bündel von Problemen ansehe, die ich heute nur grob habe schildern können, die mit einer Stärkung des Föderalismus auf europäischer, Bundes- und kommunaler Ebene verbunden sind, sage ich: Wir stehen erst am Anfang einer höchst komplizierten, aber auch höchst notwendigen Debatte.
Aber die Debatte lohnt sich; denn Föderalismus ist nicht die „spinnerte, typisch deutsche oder gar typisch bayerische Idee einiger Hinterwäldler“. Föderalismus ist die politische Umsetzung eines Grundbedürfnisses von Menschen, nämlich das Bedürfnis nach Heimat und Zugehörigkeit. Föderalismus heißt auch Achtung der Unterschiedlichkeit der Menschen in unterschiedlichen Regionen. Dieses Bedürfnis ist in unserer grenzenlosen und „globalisierten Welt“ berechtigter und größer denn je. Deshalb wollen wir einen lebendigen, kooperativen Föderalismus als Erfolgskonzept für Bayern und ganz Deutschland stärken und ihn gegen alle Bestrebungen, ihn auszuhöhlen, verteidigen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Sie haben in der Föderalismus-Debatte einen mehrfachen Rollenwechsel vollzogen. Heute haben Sie uns beispielsweise die Rolle des jovialen Ministerpräsidenten im Kreise der Länderchefs vorgespielt. Wie Frau Schmidt bereits gesagt hat, wird das Saarland nicht mehr abgeschafft. Oder Sie spielen die Rolle des Retters der Republik oder des Märtyrers in dieser Republik, der nicht einmal die Zustimmung der Opposition erfährt, wenn es um die Interessen Bayerns geht.
Herr Ministerpräsident, Sie gebärden sich hier in Bayern als ein Zentralist, der den Föderalismus dazu benutzt, seine Machtpositionen als Machthebel für die Staatskanzlei aufzubauen, und darum haben Sie unsere Unterstützung nicht.
Der Föderalismus ist auf allen Ebenen umzusetzen und mit Leben zu füllen: auf kommunaler Ebene, für die Bürgerinnen und Bürger, die sich im Ehrenamt engagieren, im Bund-Länder-Verhältnis und im europäischen und globalen Verhältnis. Dafür war Ihre Rolle nicht glaubhaft.
Sie sind kurz von Ihrem Manuskript abgewichen – und sofort bröckelte die Fassade ab –, als Sie am Bundespräsidenten Kritik geübt haben. Die Fassade des parteipolitischen Kalküls schlug voll durch.
Auch wenn Sie mit dreiviertel Ihres Redetextes den Gang zum Bundesverfassungsgericht zur Reform des Länderfinanzausgleichs verteidigten, so haben Sie uns doch nicht überzeugen können. Nach wie vor ist die Solidarität mit den schwachen Ländern, die Sie wie eine Monstranz vor sich hertragen, reines Lippenbekenntnis. An Ihnen wäre es gelegen, die Reform des Länderfinanzausgleichs in der politischen Auseinandersetzung, im politischen Gespräch und der politischen Überzeugung voranzubringen. Sie wären bis 2005 sowieso dazu gezwungen gewesen. Nun haben wir ein sehr enges Zeitkorsett, in dem es gilt, eine vernünftige und solidarische Lösung zu schaffen. Damit hätten Sie früher beginnen können. Sie wissen sehr wohl, dass die GRÜNEN Wettbewerbselemente im Länderfinanzausgleich unterstützen. Das haben wir eingebracht. Es reicht aber nicht, wenn die Politik versagt, das Miteinander versagt, die Gerichte zu bemühen und zu versuchen, die eigenen politischen Interessen über den Gerichtsweg durchzusetzen.
Ich habe in Ihrer Rede etwas über die Verantwortung der Länder vermisst. Wo bleibt denn der Beitrag Bayerns für eine globale Welt, die dem Klimaschutz gerecht wird? Wo bleibt der Beitrag Bayerns zur globalen Umsetzung und Einhaltung der Menschenrechte? Wo ist der Beitrag Bayerns für die Ausgestaltung der Grundrechtscharta auf europäischer Ebene? Sie sagen, Sie hielten die moralischen Werte hoch. Wo ist Ihr Beitrag zur weiteren Werteentwicklung und für einen Wertekonsens in der europäischen Integration?
Die EU ist eine Wertegemeinschaft. Diese Wertegemeinschaft muss ausgefüllt, gestaltet und gelebt werden. Die Bewertung der Politik der Türkei ist dabei ein wesentliches Element. An der Einhaltung der Menschenrechte, zum Beispiel der Einhaltung der Religionsfreiheit, werden wir die weitere europäische Integration ausrichten und umsetzen müssen.
(Dinglreiter (CSU): Für Lieferungen von Atomkraftwerken nach China sind Menschenrechte kein Problem?)
Erstens. Die Chancen des Föderalismus. Sie haben heute so getan, als sei der Föderalismus die Erfindung der bayerischen CSU.