Protocol of the Session on March 21, 2000

(Maget (SPD): Kaum einen Osteuropäer!)

So ist es. Ich darf auch deutlich sagen: Ich bin an das Rednerpult gegangen, um für die Bayerische Staatsregierung zu sagen, dass ich den Kernpunkt der „Bildungslandschaft in unserer Zeit“ sehr ernst nehme. Die Fragen sind: Welche Forderungen und Herausforderungen ergeben sich? Was müssen wir ändern und verstärkt tun? Wo fühlen wir uns auf dem richtigen Weg?

Ich darf im Namen von Frau Kollegin Hohlmeier mit der Schule beginnen. Ohne Zweifel tut sich der Bundskanzler hart und es ist schon richtig, was Prof. Dr. Stockinger

mit dem Zeitungsartikel „Wut auf den Kanzler“ sagt, wenn er selbst in Hildesheim den Studiengang Informatik geschlossen hat. Wir haben uns in der Zeit 1996/97, als die Wirtschaft für die Ausbildung der jungen Leute und des Nachwuchses leider viel zu wenig getan hat,

(Frau Renate Schmidt (SPD): Das ist klar!)

beispielsweise durch die Gründung von fünf Fachschulen für Informatik mit immerhin 140 Absolventen jährlich und mit der 50-prozentigen Förderung von ebenfalls fünf kommunalen Fachschulen der gleichen Art bemüht, im Bereich der Programmierer Entsprechendes zu bringen. Wir waren nicht schnell genug, weil Sie – –

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Dies ist das zentrale Problem. Herr Wahnschaffe, am 5. April habe ich die Spitzen der bayerischen Wirtschaft bei mir, um zu fragen, was sie bräuchten. Die Wirtschaftler müssen antworten, was sie konkret brauchen; denn ich muss deutlich sagen, dass ich außer den großen Aussagen der Hundts und Henkels, sie bräuchten Informatiker, immer noch nicht weiß, welcher Art. Wollen sie von mir den Uni-Ingenieur oder die FH-Ingenieurin in größerer Zahl oder brauchen sie viele aus der dualen beruflichen Bildung? Ich meine, Sie brauchen sicher viele aus der dualen beruflichen Bildung. Ich habe gestern in Berlin bei der Bund-Länder-Kommission gesagt – hierüber hat es eine übereinstimmende Meinung aller Länder, wie immer sie regiert wurden, gegeben –, dass die Schulen nicht daran schuld waren, wenn in dualer beruflicher Bildung nicht genügend Informatiker ausgebildet wurden. Dies lag eindeutig daran, dass damals im dualen Bereich viel zu wenig Ausbildungsplätze bereit gestellt wurden. Ich sage dies nicht, um einen Vorwurf zu bringen, sondern weil wir daraus gemeinsam lernen müssen: die Wirtschaft, die Bildung und die Wissenschaft. Das, was ich jetzt als Bilanz vorlegen könnte, was die bayerischen Universitäten und Fachhochschulen auf den Weg gebracht und was wir gefördert haben, ist im Verhältnis zu allen 16 Ländern ein Spitzenwert.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Man- gel ist auch Spitzenwert!)

Trotzdem habe ich gebeten, 77 Stellen zu etatisieren, die bisher nur aus dem HSP 3 finanziert wurden, da sich nach 2000 keine Finanzierung mehr findet, weil sich der Bund zurückzieht.

(Zuruf von der SPD)

Frau Kollegin, aber nicht für diese Personalfrage. Ich habe gesagt, HSP III laufe aus, und das ist die Wahrheit. Sie müssen sagen, es gebe ein neues, aber mit anderen Akzenten, das müssen Sie zugeben. Das heißt, wir müssen im Freistaat Bayern Hunderte von bisher besetzten Stellen etatisieren, wenn wir keinen Einbruch erleben wollen. Wir haben Vorsorge getroffen und in der Informatik den ersten Akzent gesetzt. Wir haben mit den Fachhochschulen in allen Bereichen die Informatik angeboten, und die Anzahl unserer Studentinnen und Studenten

hat sich in den letzten fünf Jahren schlichtweg verdoppelt.

Auf die Frage, warum es vorher so wenig gewesen seien, haben Sie sich selbst die Antwort gegeben. Wenn Du nicht einmal, und da spreche ich aus 5-jähriger Erfahrung, den besten Chemiker und Physiker hinbekommst und die Ingenieure von der Wirtschaft nicht genommen werden, wirst auch Du zögern, Deiner eigenen Tochter und Deinem eigenen Sohn zu sagen, sie sollten dies studieren. Wir brauchen ein höheres Maß an langfristigem Vertrauen, worauf man beiderseits aufbauen und wo man weitergehen kann.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir hier weiterhin unseren Beitrag hervorragend leisten. Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Wäre es nach Ihnen gegangen, hätte es keine „Offensive Zukunft Bayern“ gegeben, schon gar nicht für Bayern-Online, für die Software-Produkte und nicht die Hightech-Sache. Was haben Sie sich darüber mokiert, dass wir alle diese Dinge akzentuieren?

Jetzt stehen mir dank der Mehrheitsfraktion und der Entscheidung der Staatsregierung 30 Millionen DM zusätzlich für die Informatik, verteilt über die Universitäten und Fachhochschulen, zur Verfügung. Außerdem stehen 30 Millionen DM für Würzburg und Augsburg zum Aufbau von Bio-Informatik und angewandter Informatik als neuem Bereich zur Verfügung. Ferner haben wir die sechste Fakultät für Bamberg mit Schwerpunkt angewandte Informatik freigegeben. Das heißt, dass wir mit 30 Millionen plus 30 Millionen DM nochmals einen Schub geben. Die virtuelle Hochschule wird im Sommer anlaufen und als zentralen Schwerpunkt den Bereich der Informatik und Kommunikationstechnologie haben. Für uns ist also ein atemberaubendes Tempo die Herausforderung. Das können sie nie ganz einholen, wenn Sie junge Leute gut ausbilden sollen, weil Sie dann drei, vier, fünf Jahre brauchen. Wenn das Hightech-Jahr noch viel kürzer als das gerechnete Jahr ist, ist es natürlich für die Bildungspolitik noch schwieriger.

Mein Resümee daraus und meine Bitte an die Politik und an die Wirtschaft ist, dass wir jetzt hoffentlich auch den jungen Leuten sagen können, sie könnten sich auf unseren Rat voll verlassen, es lohne sich, Informatik zu studieren oder sich in einem solchen Beruf ausbilden zu lassen. Ein zweites Mal darf man sie durch eine Kurzatmigkeit des wirtschaftlichen Schweinezyklus nicht enttäuschen.

(Beifall bei der CSU – Frau Renate Schmidt (SPD): Das ist richtig!)

Das Wort hat nun Frau Kollegin Dr. Baumann.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Zehtmair, ich finde es toll, dass Sie schon wissen, was der Bundeskanzler bei der Expo sagen wird. Ich gehe davon aus, dass Sie seine Rede bei der Cebit meinten. Das Problem ist: Studie

rende der Informatik gibt es zu wenig; es gab einmal in allen Bundesländern mehr. Es ist keine Einzelerscheinung in Bayern, dass sich die Anzahl der Studierenden halbiert hat und dass Studierende ihr Studium abbrechen, weil sie damit überfordert werden. Woran liegt dies? Es liegt in Bayern wie in allen anderen Bundesländern an der Schulbildung. Ich finde es kühn, wenn sich Herr Staatsminister Huber im „Bayernkurier“ darüber auslässt, dass 97% der bayerischen Gymnasien an das Internet angeschlossen sind.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Herr Hofmann, ich gehe davon aus, dass 100% der Gymnasien einen Telefonanschluss haben – viel mehr brauche ich für den Anschluss an das Internet nicht.

(Beifall bei der SPD)

Zählen Sie doch die tatsächlich vorhandenen Computer in den Klassenzimmern. Es ist heute in Bayern noch möglich, einen Leistungskurs Mathematik zu belegen, ohne an der Schule eine einzige Informatikstunde gehabt zu haben bzw. haben zu können.

Weil wir sie nicht überall haben können, kommen wir zur Lehrerbildung. Die wenigen Informatiklehrer an den Realschulen und Gymnasien – an den Hauptschulen gibt es keine, zumindest in meinem Stimmkreis gibt es nicht eine Hauptschule mit einem Computer – sind für die Fortbildung der anderen Lehrer an ihrer Schule zuständig. Sie sollen das in ihrer Freizeit tun. Das geht mit mehr oder weniger oder mit viel mehr Engagement auf freiwilliger Basis. Sie sind in den wenigen Schulen, die mit bis zu 40 Computern vernetzt sind, auch verpflichtet, das Netz zu pflegen. Jeder im Landtag, der vernetzt ist, weiß, dass zusätzliche Kräfte eingestellt werden müssen, die das Netz warten. Das von den Lehrern in ihrer Freizeit zu verlangen, ist einfach ungut. Hier haben wir Nachholbedarf. Dafür brauchen wir Leute. Herr Minister Zehetmair, ich kreide Ihnen schon an, dass Sie das nicht in die Wege geleitet haben, als Sie dafür zuständig waren. Nun ist es schier unmöglich, für die Schulen technisches Personal zu bekommen.

Nun komme ich zu den Hochschulen. Sie sagten, Sie hätten das Geld gebraucht, um die Fachhochschulen auszubauen. Ich meine, sinnvoller wäre es gewesen, Schwerpunkte zu bilden. In Niedersachsen ging es um Profilbildung. Das wollen wir auch. Das bedeutete, dass nicht an jeder Hochschule in Niedersachsen Informatik angeboten wird, sondern nur schwerpunktmäßig. Die Hochschule, die Sie genannt haben, hat einen anderen Schwerpunkt bekommen. Das war in Ihrem Sinne. Das machen Sie hier auch so.

Seit ich für das Thema zuständig bin, kreide ich in jeder Haushaltsrede an, dass seit 1998 die Hochschullehrer nicht mehr von der Stellenkürzung im öffentlichen Dienst gemäß Artikel 6 b des Haushaltsgesetzes ausgenommen sind. Sie verlangen von den Hochschulen, dass Stellen abgebaut werden. Manchmal sind die Hochschulen genannt. Zum Beispiel die Universität Würzburg soll bis 2005 20 Stellen abgeben. Auch die Technische Universität München hat Stellen vom Informatiklehrstuhl

abgegeben. Jetzt soll das Loch wieder geflickt werden, indem man Stellen von der Elektrotechnik aus dem Bereich Mechatronik herübernimmt. Im Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur wurde darüber diskutiert und versucht, die Lehrstuhlbesetzung durchzusetzen. Die Ministeriumsvertreter sagen, dass dies von anderen übernommen werde. Gemäß der Regierungserklärung vom Oktober letzten Jahres von Ministerpräsident Dr. Stoiber ist die Mechatronik ein Schwerpunkt der High-Tech-Offensive. Auch hier verschwinden Lehrstühle; sie werden umgesetzt.

Den anderen Ländern muss man nicht deren Lehrstuhlpolitik vorwerfen. Bayern muss vor seiner eigenen Tür kehren und kritisieren, dass kurzfristige Umsetzungen gemacht werden und die Stellensperre des Artikels 6b des Haushaltsgesetzes nicht aufgehoben wird. Es ist unsinnig, in Zeiten, in denen wir wissenschaftlich gut ausgebildetes Personal brauchen, bei der Hochschullehre zu kürzen. Genauso unsinnig ist es, beim technischen Personal an der Hochschule zu kürzen, das die Geräte warten soll. Gleiches gilt für den Landtag. Ich habe es satt, dass einmal pro Woche mein Computer wegen Stromausfalls im Landtag abstürzt. Das Netz muss gepflegt werden.

Die Computer müssen verlässlicher werden. In den USA werden Milliardenbeträge in Dollar in Projekte für die Verlässlichkeit der Computer gesteckt. Es geht nicht nur um das Billigermachen, sondern auch um die Verlässlichkeit der Technik. Wir haben bundesweit eine Lücke – auch in Bayern. Wer kennt es nicht, dass man im Reisebüro sitzt und buchen möchte, und dort kommt man nicht ins Computerprogramm. Daraus entsteht wirtschaftlicher Schaden, weil die Kunden warten müssen. Das ist vielleicht ein kleines Problem. Aber solche Probleme können in der Medizin und der Wirtschaft überall festgestellt werden. Die Verlässlichkeit der Computer insgesamt ist ein großes Problem.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Donhauser das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich muss man dankbar sein, dass solche Themen immer wieder aufgerufen werden, haben wir doch die Möglichkeit, Bilanz zu ziehen, was sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Ich habe seit 1968 mit Informatik zu tun. Ich habe Informatik studiert und weiß sehr wohl, was in den letzten 30 Jahren in diesem Bereich „abgegangen“ ist. Hätten Sie Mut, würden Sie sagen: Wir von der SPD, wir von den GRÜNEN sind die Hauptschuldigen, dass die deutsche Wirtschaft heute Mangel an Fachkräften hat. Wenn Sie Mut hätten – –

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir waren nicht an der Regierung!)

Es gibt eine Reihe Bundesländer. Und die Kulturhoheit liegt bei den Landesregierungen und nicht bei der Bundesregierung.

Wären überall so viele junge Menschen im dualen Bildungssystem ausgebildet worden wie im Freistaat Bayern, hätten wir diesen Mangel heute nicht.

(Odenbach (SPD): Sie widersprechen sich! – Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der SPD und von den GRÜNEN, Sie haben in den letzten Jahren vielen jungen Menschen – der Minister hat es aufgezeigt – die Zukunft genommen. Sie haben über Jahre und Jahrzehnte hinweg den technologischen Wandel gebremst und verzögert.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr wohl. Ich kann mich noch gut daran erinnern.

(Zurufe der Frau Abgeordneten Werner-Muggen- dorfer (SPD) und der Frau Abgeordneten von Truchseß (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über zwei Jahrzehnte hinweg haben Sie von der Informatik und der Einführung des Computers als „Jobkiller“ gesprochen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Parteiprogramm der GRÜNEN von 1984 war noch vom „gläsernen Menschen“, vom „vernetzten Menschen“ die Rede.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Die Technikfeindlichkeit wurde von Ihnen und niemand anderem geschürt.

Normalerweise wird vom Rednerpult aus geredet. Zwischenrufe sind etwas anderes als dauernde Zurufe.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Schuhmann (SPD))

Sie tun sich schwer damit, dass ich die Wahrheit sage.