Das Gegenteil ist der Fall. Die Gesellschaftspolitik, die in Bayern betrieben wird, ist ein Standortrisiko.
Es ist nicht zu leugnen, meine Damen und Herren von der CSU, dass Ihre restriktive, anachronistische, also „altbackene“ Gesellschaftspolitik in ganz offensichtlichem Widerspruch zu den Interessen der Wirtschaft steht.
Es kann nicht funktionieren, wenn man sich wirtschaftspolitisch global betätigen will, aber gesellschaftspolitisch die Schotten dicht macht. Keine Region der Welt kann heute auf Dauer konkurrenzfähig bleiben, wenn sie es nicht schafft, kluge Köpfe aus dem Ausland anzuziehen.
Wer Bayerns Wohlstand sichern will, muss heute in der Wirtschaft, an den Schulen, an den Universitäten und Fachhochschulen sowie in den Forschungsstätten Voraussetzungen für einen weltoffenen Austausch schaffen.
Gleichzeitig müssen wir mit denen, die schon eingewandert sind, die bayerische Kultur weiterentwickeln. Nur wenn es uns gelingt, alle Reserven und Ressourcen, also die unterschiedlichsten Fähigkeiten der bayerischen Bevölkerung zu mobilisieren, werden wir im weltweiten Wettbewerb mithalten können.
Schon lange haben IuK-Experten darauf hingewiesen, dass sich mittel- und langfristig ein Mangel abzeichnen werde; aber in jüngster Zeit gab es darauf handfeste Hinweise. Das Münchner Arbeitsamt beispielweise erklärt: Was wir jetzt bundesweit diskutieren, hat sich in München bereits vor zwei bis drei Jahren abgezeichnet. – Ich habe nicht gehört, dass damals bei der Staatsregierung die Alarmglocken geschrillt hätten. Längst sind neben Sprache und Schrift die neuen Medien neue Kulturtechniken. Wenn ich schon einen Computer und einen Internetzugang nicht nur besitze, sondern auch anwende und halbwegs damit zurecht komme, dann müsste eigentlich auch die Staatsregierung wissen, was die Stunde geschlagen hat.
Die Offenheit für Information und Technik wird in der Schule geschaffen – oder sie wird eben auch nicht geschaffen. Statt Lehrstühle abzubauen, weil immer weniger Informatik studieren wollten, hätte man sich damals im Kultusministerium lieber überlegen sollen,
warum das so war. Dann hätte man in den Schulen und Hochschulen auch rechtzeitig gegensteuern können.
Immerhin sollen jetzt mehr Computer in die Schulen und auch die Lehrkräfte sollen ausgebildet werden. Aber was ist mit den neuen Unterrichtsformen, die die neuen Medien sinnvoll im Unterricht einsetzen sollen? Der Erwerb und das Beherrschen dieser Kulturtechniken muss als Querschnittsaufgabe verstanden werden. Da genügt es nicht, Informatik als Fach einzuführen.
Ich gebe zu, es gibt schon ganz gute Ansätze. Aber trotz aller Bemühungen sind auch an den Hochschulen die Methoden von Lehre und wissenschaftlichem Arbeiten in vielen Fächern und bei allzu vielen Wissenschaftlern noch vorsintflutlich.
So erfreulich es ist, dass sich auf diesen Gebieten überhaupt etwas bewegt, so deutlich wird, dass Bayern damit der notwendigen Entwicklung nur hinterherhinkt, und zwar in einem Tempo, das von gestern ist.
Mit der Geschwindigkeit, mit der sich diese neuen Kulturtechniken ausbreiten und zur Grundlage werden, können alle diese bescheidenen Maßnahmen jedenfalls nicht mithalten. Es ist und bleibt ein Skandal, dass einer Branche Arbeitskräfte fehlen, der seit langem so regelmäßig Zuwachsraten vorhergesagt werden. Auch in den Regierungserklärungen des Ministerpräsidenten dürfen die neuen Arbeitsplätze durch die IuK-Technologien nie fehlen. Darauf hat er immer wieder hingewiesen. Dass man für neue Arbeitsplätze aber auch neue Arbeitskräfte braucht, das hat sich offensichtlich nicht herumgesprochen.
Natürlich sind die Unternehmen genauso Schuld wie die Politik. Sie haben ganze Jahrgänge von Informatikstudierenden in die Arbeitslosigkeit geschickt, und sie haben, um kurzfristig Kosten zu sparen, Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten drastisch abgebaut. Aber Aufgabe einer vernünftigen, vorausschauenden Politik wäre gewesen gegenzusteuern, wenn die Wirtschaft schon selber versagt.
Die Hightech-Branchen leiden darunter, dass ambitionierte Experten auswandern, weil sie anderswo bessere Chancen haben. Sie leiden auch darunter, dass es an Förderbedingungen für die multinationalen Teams fehlt, die heute in den multinationalen Unternehmen gebraucht werden.
Die rigide Handhabung des Ausländerrechts und die beständige Ausgrenzung von Menschen anderer Herkunft ist da reinstes Gift. Wer glaubt, mit ausländischen Spitzenkräften so umspringen zu können, wie man es damals mit den so genannten Gastarbeitern gemacht hat, wie es aber auch damals schon nicht geklappt hat, der ist auf dem Holzweg.
Die Menschen, die sich statt für die USA oder ein anders Hightechland für Bayern entscheiden sollen, müssen sich willkommen und nicht bloß geduldet fühlen. Die Vorstellung, dass man diese Menschen dann, wenn man sie nicht mehr braucht, zum Teufel jagt oder dorthin, wo der Pfeffer wächst, ist absurd, borniert und menschenfeindlich.
Außerdem ist es auch noch dumm, denn unsere Erfahrungen mit der Einwanderung auf Zeit haben wir schon gemacht. Es ist doppelt dumm, weil solche fremdenfeindlichen Einstellungen das Klima vergiften. Das ist genau das Gegenteil des Klimas, das wir brauchen, um mit unserer Forschung und Entwicklung auf Weltniveau zu bleiben.
Die berühmte „Champions League“, von der immer gern die Rede ist, erreichen wir – wie im Fußball – nur mit internationalen Teams, mit offenen Kooperationen. Nur wenn wir uns gesellschaftspolitisch öffnen und weiterentwickeln, werden wir auch wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben.
Es stimmt: Wir brauchen möglichst schnell eine Qualifizierung an den Schulen, in der beruflichen Aus- und Fortbildung, an den Universitäten wie an den Fachhochschulen. Die Staatsregierung muss hier noch deutlich an Tempo zulegen. Aber wir brauchen gleichzeitig eine geordnete Einwanderungspolitik und eine Weiterentwicklung der bayerischen Kultur. Wir brauchen eine kulturelle und gesellschaftliche Öffnung für neue Impulse, wie es sie in der bayerischen Geschichte und in unserer Kultur immer gegeben hat. Wir dürfen nicht stehen bleiben. Wir müssen uns mit der zunehmenden internationalen Konkurrenz nicht nur auf wirtschaftlichem und technologischem Gebiet offensiv auseinandersetzen, sondern genauso auf sozialem und kulturellem.
Herr Präsident, hohes Haus! Aktuelle Stunden, so ist mein Verständnis, sollen in der Tat aktuell gravierende Themen von politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher Brisanz in den Mittelpunkt bringen. Um bei der kur
zen Zeit, die man zur Verfügung hat, darauf einzugehen, ist es – darf ich das einmal sagen – schade, wenn so viele Plattitüden kommen.
Lieber Kollege Dürr, es kann doch nicht sein – falls Sie überhaupt noch rot werden können im Gesicht –,
dass Sie das alles hier erzählen als Vertreter der GRÜNEN, die über zehn Jahre ein Horrorgemälde gemalt haben, das mit dazu beigetragen hat, dass bei uns im Land Technikfeindlichkeit herrscht.
(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Jeder kehrt vor seiner eigenen Tür! – Weitere Zurufe von der SPD)
Damit habe ich Sie getroffen. Aber das ist eine Binsenwahrheit; nicht einmal mehr Binsen wachsen selbstverständlich; man muss es nur registrieren. Und weil der Bundeskanzler mit seiner „Green Card“, mit seinem Kurzschlag auf der Expo so genannt wird. Das ist nichts Aufregendes; da muss man nicht ablehnend sein und nicht euphorisch mitgehen, außer man muss bei jeder Aussage des Bundeskanzlers euphorisch einstimmen. Dann ist dies euer Problem.
Nun muss Ihnen einmal ein anderes Zitat einfallen, das haben Sie von mir entliehen. Nun suchen Sie sich selber ein Zitat. Die „Green Webcard“ ist sicherlich eine Überlegung, aber keine berauschende. Wer immer dies aussagt, muss wissen, dass es sowohl zu kurz gegriffen ist, wenn man Kinder und Inder wegen des Reims zusammenbringt, als auch zu glauben, dass damit unser Problem gelöst ist. Wir werden bilanzieren, wie viel Inder Sie bekommen.