Protocol of the Session on March 21, 2000

(Beifall bei der SPD)

Als nächster hat Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger das Wort.

Herr Präsident, Hohes Haus! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde „Versäumnisse bei der Ausbildung von Computerspezialistinnen und Computerspezialisten“ kann man als typisch für die SPD betrachten. Nach dem gescheiterten Volksbegehren des BLLV, dem sich die bayerische SPD angeschlossen hatte, wurde der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maget in den Gazetten – sinngemäß – so zitiert: Sie dürfen die SPD nicht für jede Niederlage verantwortlich machen – so als hätte die SPD nichts mit dem Volksbegehren zu tun gehabt.

Auch in diesen Tagen, meine Damen und Herren – wir müssen das in diesem Zusammenhang sehen – versucht die SPD wieder, die Welt auf den Kopf zu stellen. Rot-Grün in Berlin beschließt, dass die so genannten 630-DM-Jobs mit kräftigen Zahlungen an die gesetzliche Sozialversicherung belegt werden sollen.

Herr Kollege Kaiser, hören Sie zu; si tacuisses gilt auch für Sie. Als man dann festgestellt hat, dass nunmehr in hohem Maße auch ehrenamtliche Träger bezahlen sollen – ich erinnere an unsere Freiwilligen Feuerwehren –, forderte man seitens der SPD die Bayerische Staatsregierung auf, dies zu ändern, obwohl doch hierzulande jeder weiß, dass für Sozialversicherungsangelegenheiten der Bund und nicht das Land zuständig ist. Ich sehe darin ein besonderes Beispiel für politische Dreistigkeit der eigentlichen Brandstifter.

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Das steht morgen auf der Tagesordnung! – Weitere Zurufe von der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, Rot-Grün fordert seit über einem Jahr auch den Ausstieg aus der Kernkraft. Damit werden nicht nur große Verunsicherungen bei Energieerzeugern und Energieverbrauchern herbeigeführt, damit wird nicht nur die weltweit führende deutsche Kernenergieforschung in die Knie gezwungen, damit soll nicht nur die derzeit umweltfreundlichste Art der Energieerzeugung vernichtet werden, sondern nun sollen auch noch die Kernkraftwerksbetreiber gezwungen werden, zusätzliche Zwischenlager zu errichten, obwohl von jenen die Endlagerstätten in Aarhaus und Gorleben bereits vorfinanziert werden.

(Dr. Schuhmann (SPD): Sie verlesen die falsche Rede!)

Meine Damen und Herren, wenn nun festgestellt wird, dass wir für den wichtigen Zukunftsbereich der I- und K-Techniken zu wenig Arbeitskräfte haben, dann spricht Renate Schmidt in der „SPK“ vom 3. März 2000 gleich von jahrelangen Versäumnissen der Wirtschaft und der abgewählten Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, diese Art, Politik zu machen, ist zu seicht und wird gottlob auch schnell durchschaut. Ein gutes Beispiel hierfür ist die 10. Ausgabe im Jahr 2000 des Ihnen wohl bekannten Magazins „Der Spiegel“. „Der Spiegel“ schreibt, dass die populistische Politik des Bundeskanzlers Schröder gerade bei seiner Rede zur Eröffnung der diesjährigen Cebit maßlos entlarvt werden konnte. Unter der Überschrift „Digitales Schweigen“ stellt der „Spiegel“ lapidar fest, dass eine ganz wichtige deutsche Institution den notwendigen Wandel bislang noch nicht geschafft habe, nämlich die Bundesregierung höchstpersönlich. Was Kanzleramt, Bundespresseamt und die 14 Ministerien den Besuchern im Netz anbieten, kommt – ich zitiere den „Spiegel“ – „dürftig und rückständig daher“. Da seien die letzten Kanzler-News schon mal eine Woche alt, oder beim Anklicken der Links erschienen nur leere Rahmen mit dem Bundesadler im Hintergrund; unter den

Schwerpunkten der Politik seien lediglich die Koalitionsvereinbarung, Schröders Regierungserklärung vom November 1998 und das Arbeitsprogramm 1999 aufgelistet, gerade so – ich zitiere erneut den Spiegel –, „als habe die Regierung in diesem Jahr nichts zu tun.“

Meine Damen und Herren, heute schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ auf der Hochschulseite in der Rubrik „Campus“ unter der Überschrift „Wut auf Kanzler“, dass eine Sprecherin der Universität Hildesheim die Diskussion um die „Green Card“, die Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgelöst hat, fürchterlich ärgert. Sie weist nämlich darauf hin, dass die niedersächsische Landesregierung mit dem damaligen Regierungschef Gerhard Schröder 1996 den Studiengang Informatik aus mangelndem Interesse an diesem Fach einfach gestrichen hat.

(Zuruf von der CSU: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, dazu kann ich nur sagen: Dies ist der Beweis dafür, wie populistisch die Campagne des Bundeskanzlers Gerhard Schröder bezüglich der I- und K-Technik und der entsprechenden Berufe angelegt ist.

(Beifall bei der CSU – Frau Renate Schmidt (SPD): Das sieht die Wirtschaft aber anders!)

Ich darf noch hinzufügen, dass das Oberverwaltungsgericht in Niedersachsen diese Entscheidung mittlerweile zwar aufgehoben hat, aber die 48 Stellen und die 700 Studierenden futsch sind.

Meine Damen und Herren, ganz anders ist es in Bayern. Vor etwa vier Wochen hat Erwin Staudt, der Vorstandsvorsitzende der IBM Deutschland, bei einer öffentlichen Veranstaltung in München gesagt: Stoiber hat die Nutzung und Wendigkeit des Internet früher erkannt als Bill Gates; denn als Bill Gates in seinen Büchern das Wort Internet noch nicht ein einziges Mal erwähnt hatte, haben wir in Bayern im Programm Bayern Online schon Datenautobahnen geschaffen, von denen wir heute profitieren. Nicht von ungefähr kommt ein Drittel aller bundesdeutschen Absolventinnen und Absolventen von Hightech-Studiengängen aus Bayern.

Meine Damen, meine Herren, woher kommt denn überhaupt dieser Boom, woher kommt der, wie der „Focus“ gestern schrieb, imaginäre Computer-Inder, der unser Land gleichermaßen verzückt und erschreckt? Dies resultiert aus einem unwahrscheinlichen und auch nicht vorhersehbaren Anstieg der Nutzung der Informationsund Kommunikationstechnologien, aus der Liberalisierung der Telekommunikation seit der Privatisierung der Deutschen Post und aus dem Anstieg der Internetnutzer. Im Jahre 1999 hatte das Internet in Deutschland noch etwa 11 Millionen Nutzer; im Jahre 2000 sind es 20 Millionen und im Jahre 2001 wird es 40 Millionen Nutzer zählen.

Meine Damen, meine Herren, die Zahl der Studierenden in Hightech-Fächern ging Anfang der Neunzigerjahre drastisch zurück und hat im Jahr 1995 den absoluten Tiefpunkt erreicht. Lassen Sie uns auch noch feststellen,

dass nicht jeder Studienanfänger in diesen Fächern tatsächlich sein Examen macht; die Abbruchquote ist relativ hoch. Lassen Sie mich aber auch feststellen, dass gerade die von Rot-Grün geschürte Technikfeindlichkeit mit ein Grund dafür ist,

(Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

dass diese Studiengänge von jungen hoffnungsvollen Studentinnen und Studenten immer mehr gemieden worden sind.

(Beifall bei der CSU)

Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, aber dies muss auch einmal gesagt werden.

Meine Damen, meine Herren, Bayern handelt.

(Maget (SPD): Verraten Sie uns jetzt noch, ob Sie für oder gegen die Green card sind?)

Meine Fraktionskollegen, die sich noch zu Wort melden werden, werden bezüglich der Arbeitsverwaltung und der Schulen und Hochschulen darstellen, warum Bayern mit Laptop und Lederhose so führend in Deutschland dasteht.

(Maget (SPD): Sind Sie jetzt dafür oder dagegen?)

Lassen Sie mich sagen, dass wir grundsätzlich gegen eine befristete Einwanderung ausländischer Computerspezialisten nichts einzuwenden haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer in der „Champions League“ spielen will, kann auf ausländische Spitzenkräfte nicht verzichten. Dies gilt auch hier, allerdings erstens befristet, zweitens zu denselben Konditionen, die deutsche Arbeiter auch haben wollen, und drittens nicht über die Schaffung eines neuen Einwanderungslandes Deutschland durch die Hintertüre.

(Maget (SPD): Wie dann?)

Kolleginnen und Kollegen von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hätten Sie, als wir grundsätzlich die Reform des Asylgrundrechtsartikels diskutiert haben, einer Änderung zugestimmt und eine Kontingentierung der Einwanderung zugelassen, dann könnten wir heute schon genauso davon profitieren, wie es uns die Amerikaner vormachen, die jährlich eine bestimmte Anzahl höchst qualifizierter Kräfte aus dem Ausland ins Land holen. Diese Chance, meine Damen, meine Herren von den Roten und den Grünen, haben Sie vertan.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein paar Worte zu Ihrem Dringlichkeitsantrag sagen – ich habe gehört, er soll in die Ausschüsse verwiesen werden. Auch dieser Dringlichkeitsantrag ist typisch für die SPD. Das, was die CSU bereits beschlossen hat, wird jetzt via Dringlichkeitsantrag der Öffentlichkeit nochmals dargestellt. Dafür danken wir Ihnen einerseits; andererseits bitte ich

aber die Öffentlichkeit, davon Kenntnis zu nehmen, dass wir es waren, die durch die Beschlüsse sowohl des Landtags am 17. Februar als auch des Ministerrates am 14. März dieses Jahres dazu beigetragen haben, dass die Weichen in Bayern in Sachen Informations- und Kommunikationstechnik richtig gestellt sind.

(Beifall bei der CSU – Frau Lochner-Fischer (SPD): Das war aber nach der Presseerklärung!)

Als nächster Redner hat Herr Dr. Dürr das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eben haben wir ziemlich viel über Bundespolitik gehört. Das war nicht unbedingt qualifiziert, aber es war viel. Jetzt wollen wir lieber über Bayern sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bayern ist offenbar ein digitales Entwicklungsland.

(Widerspruch bei der CSU)

In Ländern wie Indien gibt es einen Überschuss an Computerexperten, während unser Hightech-Land zu wenig hat. Das ist doch unbestritten.

(Dr. Bernhard (CSU): Niedersachsen!)

Dieses Defizit hat Ministerpräsident Stoiber als „Bankrotterklärung der Politik“ bezeichnet. Da hat er Recht: Das ist die Bankrotterklärung seiner eigenen Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da helfen alle Versuche, das eigene Versagen auf die Bundespolitik abzuwälzen, gar nichts, denn Bildungsund Forschungspolitik ist Ländersache.

Die riesigen Fehlbestände an Computerspezialisten in Bayern sind hausgemacht. Das ist, wenn man so will, auch der Fluch der guten Tat. Weil sich Bayern so viele Unternehmen aus der IuK-Branche hergeholt und weil sich so viele hier entwickelt haben, auch mit Unterstützung der Staatsregierung, schlägt das Versäumnis, nicht für entsprechend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen, doppelt zu Buche. Bayern hat sozusagen nur die Hardware gefördert und bei der Softwareentwicklung kläglich versagt.

Es ist richtig, wenn die SPD versucht, aus diesem Versagen Konsequenzen zu ziehen und die Versäumnisse zu beheben. Aber die Fragestellung greift ein bisschen kurz. Dass uns Spitzenkräfte in der Informations- und Kommunikationstechnologie fehlen, ist nicht nur eine Frage der Ausbildung; es ist das ganze Klima, das in Bayern auf keinen Fall besser als im übrigen Deutschland ist. Das Klima für internationale Spitzenforschung und Spitzentechnologie müsste aber in einem Land, dessen Regierung uns immer in der „Champions Lea

gue“ wähnt, besonders aufgeschlossen und weltoffen sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)