Protocol of the Session on February 1, 2000

Eine unserer Uraltforderungen an die CSU-Staatsregierung besteht darin, die Lehrerinnen und Lehrer besser in die Lage zu versetzen, innerhalb ihres Unterrichts– und

Erziehungsauftrags wirksamer reagieren zu können. Unsere Forderungen nach einer entsprechenden Lehreraus– und –fortbildung sowie nach Verbesserungen der Rahmenbedingungen haben wir schon beinahe gebetsmühlenartig mit Nachdruck vertreten. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie haben zu verantworten, dass wir damit nicht aus den Startapparaten herausgekommen sind.

Aber halt: Laut einer Zeitungsmeldung vom 29. Januar 2000 prasselt urplötzlich der volle Segen der Waldorf-Ministerin auf die zukünftigen Pädagogen der Universität Passau und damit auf das krisengeschüttelte Niederbayern herab. Ein sogenanntes ehrgeiziges Projekt für das neue Schulmillennium. Frau Staatsministerin Hohlmeier schuf flugs einen auf zwei Jahre angelegten Modellversuch zur „Bewältigung von Problemsituationen im Klassenzimmer“. Dieses Modell stattete sie mit 61000 DM, also 30500 DM pro Jahr und 15000 DM pro Semester aus. Wie sie sagte, genehmigte sie diese Mittel mit großer Freude, um junge Menschen aus den Unis zu entlassen, die gute Lehrer sind. Wenn man die 500 Millionen DM, die für die Einführung der R 6 gebraucht werden, mit dieser läppischen Summe vergleicht, weiß man, wie groß der Ehrgeiz der Ministerin auf diesem Gebiet wirklich ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir ein Landesprogramm „Schulsozialarbeit“ gefordert haben. Dafür wäre es höchste Zeit. Ich möchte auch noch auf das positive Beispiel eingehen, das Herr Sibler genannt hat: Die Bayerische Staatsregierung hat für die Entwicklung am Gymnasium Landau 40000 DM zur Verfügung gestellt, die Kommunen 200000 DM und private Geldgeber 400000 DM. Dies beweist, wie groß das angebliche Engagement der Bayerischen Staatsregierung auf diesem Gebiet an unseren Schulen ist.

Herr Kollege Egleder, Sie sprechen bereits seit 6 1/2 Minuten. Ihre Redezeit beträgt jedoch nur 5 Minuten.

Herr Präsident, ich glaube mich zu erinnern, dass einige meiner Vorredner ebenfalls ihre Redezeit überzogen haben.

Wenn ein Redner seine Zeit überzieht, dürfen dies nicht alle tun. Eine Redezeit von 6,5 Minuten ist schon sehr viel.

Ich weise im letzten Satz darauf hin, dass wir die drängenden Probleme in eigenen Veranstaltungen ansprechen werden. Ich denke an den immer massiver werdenden Unterrichtsausfall, an die katastrophalen Zustände beim Schulsport, an die tatsächliche Situation der mobilen Reserven und an die notwendigen Mittel, die wir unseren Kommunen als Aufwandsträger vor Ort zur Verbesserung ihrer Situation an die Hand geben müssen. Die Kommunen werden durch die Beschlüsse immer weiter in Verantwortlichkeiten hinein

gedrängt. Ich denke auch an die Mittagsbetreuung und an die Sachaufwandsträgerschaften.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Egleder, ich muss jetzt das Mikrofon abstellen. Ihre Redezeit beläuft sich mittlerweile auf 7,5 Minuten. Der nächste Redner ist Herr Kollege Siegfried Schneider.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde „Bessere Bildung für alle“ ist sicherlich wichtig. Es wäre wert gewesen, dass wir uns mit den Inhalten beschäftigen. Leider ist die Debatte in eine Auseinandersetzung über die Frage abgeglitten, ob die Inhalte des Volksbegehrens wirklich eine bessere Qualität bringen würden oder ob wir weiterhin die Qualität des bayerischen Bildungswesens sichern sollten, wie wir das seit vielen Jahren sukzessive tun. Herr Kollege Nöth und Herr Kollege Sibler haben in ihren Beiträgen deutlich gemacht, wie wichtig die Qualitätssicherung des bayerischen Bildungswesens ist. Beide haben exemplarisch darauf hingewiesen, welche Verschlechterungen an den Realschulen und den Gymnasien zu erwarten wären, wenn dieses Volksbegehren und der Volksentscheid Erfolg hätten.

Aus unserer Sicht ist dieses Volksbegehren ein klarer Angriff auf die Qualität des bayerischen Schulsystems. Die Leid Tragenden dieser so genannten Aufbaustufe werden die Hauptschüler sein; denn sie werden die Zeche zahlen müssen.

Der Umstand, dass für die Finanzierung des Zusatzunterrichts für mögliche spätere Gymnasialschüler auch Wahlunterricht für die Hauptschüler gestrichen werden soll, spricht Bände. In der 5. und 6. Klasse der Hauptschule wird sich das Augenmerk dezidiert auf die möglichen Gymnasial- und Realschüler richten. Der Schwerpunkt wird nicht mehr auf die Hauptschüler gelegt, für die die Hauptschule eigentlich da ist. Somit ist festzustellen, die Hauptschüler sind die Benachteiligten Ihrer Bildungsvorstellung und Ihres Volksbegehrens. Ihnen bleiben nur noch drei Jahre Hauptschule, und sie haben keine Chance, sich so differenziert fort– und weiterzubilden, wie dies notwendig wäre.

Frau Kollegin Münzel, Sie haben über die Grundschule und den unheimlichen und unmenschlichen Druck gesprochen. Ich weiß nicht, warum der Druck bei der Entscheidung, ob ein Kind ein Gymnasium, eine Realschule oder eine Hauptschule besuchen wird, größer sein soll als bei der Entscheidung, ob das Kind die Fördergruppe Gymnasium, die Fördergruppe Realschule oder die Fördergruppe Hauptschule besuchen soll. Im Entwurf des Volksbegehrens steht, diese Aufbaustufe kann und soll in eigenen Klassen geführt werden. Damit wird der Druck – wenn es ihn überhaupt gibt – genauso groß bleiben. Der GEW-Kreisverband Freising hat einen Antrag zur Landesversammlung gestellt. Ich möchte daraus zitieren:

Da die Zuteilung zu den Klassen der Leiter der Hauptschule nach den Noten der 4. Grundschulklasse ohne Berücksichtigung des Elternwillens vorzunehmen hätte, würde sich auch durch den BLLVVorschlag der Auslesedruck auf die Grundschule verschärfen.

Das wird also auch bei Ihnen so gesehen. Sie suggerieren den Eltern jedoch, dass das nicht so wäre. Herr Kollege Knauer hat aus dem SPD-Bildungspapier zitiert, in dem die Orientierungsstufe als das große Ziel dargestellt wird. Die GRÜNEN hatten einen eigenen Vorschlag, nämlich die Einführung der Orientierungsstufe. Ich zitiere „Die Welt“ vom 13. September 1999:

Der bildungspolitisch rückständige BLLV hat die schon vermoderten Rezepte aus Grossmutters Gesamtschulmottenkiste wieder ausgepackt.“

Das ist richtig. In Bayern gab es bereits die Orientierungsstufe. In den siebziger Jahren wurden hierzu eine Reihe von Versuchen gemacht. Ich habe mit einem sehr verdienten Studiendirektor eines Gymnasiums in Pfaffenhofen gesprochen, der übrigens ein Studienkollege des geschätzten Kollegen Dr. Schuhmann war. Dieser Studiendirektor hat mir über die Orientierungsstufe Folgendes geschrieben:

Die Ergebnisse der gemeinsamen Tests waren für beide Schularten unvorteilhaft, für das Gymnasium und für die Hauptschule. Die Tests zeigten, dass die Gymnasiasten unterfordert und die Hauptschüler überfordert waren, obwohl nach gemeinsamen Lehrplänen mit gemeinsamen Büchern und, bei der Erstellung der Aufgaben, unter Beteiligung von Lehrkräften der Hauptschulen gearbeitet wurde. Für die erst nach der 6. Klasse übertretenden Schüler musste eine Übergangszeit und Nachholfrist gewährt werden, da sie im Stoff weit zurück waren.

Dies deckt sich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Sibler, wonach die 7. Klasse Gymnasium eine Bremsklasse wird. Erst in der 8. Klasse könnte damit begonnen werden, auf gymnasialen Niveau zu unterrichten. Sie alle wissen, dass bezüglich der Bildungsdiskussion in der SPD in anderen Ländern vieles am laufen ist. Viele wollen wieder weg von der Gesamtschule und zurück zu einem mehr gegliederten Schulsystem. Dass die SPD in Bayern auf einem anderen Zug sitzt, zeigt, dass sie nicht in der Lage ist, moderne Erkenntnisse und Erfordernisse rechtzeitig zu erkennen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit unserer Bildungsoffensive wollen wir Kinder stark machen, das heißt, wir wollen sie begabungsgerecht fördern, wir wollen nicht nivellieren, wir wollen nichts einebnen, sondern jedem Kind den Spielraum lassen, den es braucht. Dafür wäre ein Erfolg des Volksbegehrens wahrlich ein grosses Hindernis.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste Rednerin hat Frau Radermacher das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben in der Tat Recht: Noch nie hat die Hauptschule eine solche Informationswelle wie seit einigen Wochen erfasst. Es gibt CD-ROM in rauen Mengen, KMS in Hülle und Fülle; Info-Plakate werden ausgehängt, Informationsveranstaltungen nicht freiwillig oder nach Bedarf, sondern auf Anordnung durchgeführt. Noch nie sind Elternvertreter und Elternbeiräte so sehr von Schulleitern dazu gedrängt worden, Informationsveranstaltungen durchzuführen. Sie dürfen aber nur organisieren und referieren, aber niemanden einladen, der eine andere Meinung hat. In meinem Fall wurde vom Schulleiter sanft darauf hingewiesen, dass man wohl besser unter sich bleiben und nur die Reform der Staatsregierung vorstellen sollte. Wenn Sie das für richtig halten, sollten Sie Ihr Demokratieverständnis überdenken, Frau Ministerin.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich hat die Regierung das Recht zu informieren, aber nicht das Recht, massiven Druck auszuüben und Machtmissbrauch zu betreiben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie tun so, als ob Ihre Schulreform bereits Gesetz wäre, und ignorieren, dass ein Volksentscheid ansteht. Was für ein Demokratieverständnis haben Sie, wenn Sie in dieser Phase nicht bereit sind, bei Elternveranstaltungen auch andere sprechen zu lassen?

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CSU hat die Hauptschule jahrelang vernachlässigt. Denken Sie nur an die gravierenden Stundenkürzungen. Sie haben Sonntagsreden gehalten und sonst nichts getan. 1992 und danach hätten Sie die Chance gehabt, Geld und Interesse in Modelle für M- und P-Klassen zu investieren. Passiert ist aber nichts. Bis zur Regierungserklärung im Februar 1999 war von solchen Klassen gar nicht die Rede. Für die Hauptschule hat der damalige Minister Zehetmair keinen Finger gerührt.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CSU war nicht in der Lage, sich durchzusetzen oder hatte damals kein Interesse daran. Wertvolle Jahre wurden vertan, in denen die Hauptschule zu einer gleichwertigen konkurrenzfähigen Schule hätte entwickelt werden können. Die Staatsregierung hat das Recht – ich betone es noch einmal – zu informieren, aber nicht das Recht, mit zweierlei Maß zu messen. So wurde zum Beispiel der BLLV ermahnt, weil er den Schulen verschlossene Briefe mit der Bitte um Weitergabe zugeleitet hat. Ich frage mich, weshalb es zu keiner Mahnung kam, als der Philologenverband – sehr vorsichtig, das hat der BLLV nicht so toll formuliert – schrieb: „Die Weitergabe von Information an die Eltern soll auch noch angesprochen werden. Sie soll natürlich mit dem Gebot der politischen Zurückhaltung, aber großzügig passieren.“ Und dann lag

ein großes Infopaket vom Bündnis mit Plakaten dabei, die auch noch in den Schulen ausgehängt wurden. Warum greifen Sie da nicht ein?

(Loscher-Frühwald (CSU): Im Vergleich zu dem, was der BLLV verbreitet, ist das sehr bescheiden!)

Eine Einladung, die von der CSU-Frauenunion an die Kinder für deren Eltern verteilt wurde, wird nicht dadurch neutral, dass bei der Veranstaltung dann Frau Hohlmeier referiert. Auch das ist ein Verstoß gegen Ihre eigenen Verordnungen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für Fälle, in denen die Hanns-Seidel-Stiftung als Einladende fungiert; denn da wird das selbe verbraten.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Ungerügt blieb auch, dass an der Schule Ebrach Kinder und Eltern zu einer kostenlosen Busfahrt zu einer Demonstration nach Nürnberg eingeladen wurden, Einkaufsbummel inklusive und mit Bleistift auf den Rückgabescheinen vermerkt, am nächsten Tag sei schulfrei. Da sollten Sie reglementieren.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was haben Sie dagegen unternommen, dass ein Landrat gemeinsam mit einem Schulamtsdirektor eine Zusammenstellung von Argumenten gegen das Schulvolksbegehren an alle Bürgermeister in seinem Landkreis verschickt hat?

(Zuruf von der CSU: Sehr gut! – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie das für richtig halten, beweist Ihre Dummheit und Ignoranz.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafter Widerspruch bei der CSU)

Die Liste derartiger Vorkommnisse ließe sich stundenlang fortsetzen, und wir werden das zu gegebener Zeit auch tun. Heute fordert die SPD-Fraktion den Ministerpräsidenten aber von dieser Stelle dazu auf, im Kultusministerium endlich für Recht, Ordnung und Gleichbehandlung zu sorgen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Spaenle das Wort.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Dummheit und Ignoranz von einer führenden Bildungspolitikerin der Opposition in einer Debatte über Bil

dungspolitik zu hören spricht für sich, aber nicht für die Qualität der Debatte.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)