Protocol of the Session on July 10, 2003

Obwohl Pisa gute Ergebnisse gezeitigt hat, haben wir einige Verbesserungen auf den Weg gebracht. Ich erinnere an die Sprachlernklassen. Hundert sind bereits eingerichtet, weitere hundert kommen hinzu. Die Sprachstandsdiagnosen im Kindergarten sind ein ganz wesentlicher Faktor. Sie haben früher in Abrede gestellt, dass man die deutsche Sprache lernen müsse, um Integrationschancen zu haben. Mittlerweile wird das Gott sei Dank von Ihnen akzeptiert. Darüber brauchen wir nicht mehr zu diskutieren.

(Frau Radermacher (SPD): Wer hat das denn gesagt?)

Von beiden Vorrednerinnen wurde der sexuelle Missbrauch von Kindern angesprochen und die Zunahme der Zahlen genannt. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass jede Zahl eine Zahl zuviel ist. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass auf Antrag Bayerns schon in der vorletzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags erhebliche Verbesserungen initiiert und im breiten Umfang durchgesetzt wurden. Weitere gesetzgeberische Schritte sind erforderlich. Beispielsweise ist es nicht hinnehmbar, dass Taten, in denen Kinder zu sexuellem Missbrauch angeboten werden, nur bei dem Hinzutreten weiterer Voraussetzungen strafrechtlich geahn

det werden können. Ein Vorschlag Bayerns hierzu liegt bereits seit 1998 vor, um diese Strafbarkeitslücke zu beseitigen. Leider haben Sie den Vorschlag im Bund nicht aufgenommen. Erst jetzt, im März 2003, hat die Regierungskoalition sich dazu bequemt.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass auf Antrag Bayerns der Bundesrat bereits im April 1999 den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes betreffend den sexuellen Missbrauch von Kindern verabschiedet hat. Diesen auch von vielen SPD-geführten Landesregierungen unterstützen Vorschlag hat der Deutsche Bundestag im April 2002 abgelehnt.

In der Antwort der Staatsregierung sind eine Reihe Maßnahmen aufgelistet, die den Opferschutz betreffen. Wir haben, sehr geehrte Frau Kollegin Hirschmann, über dieses Thema schon in der letzten Wahlperiode im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen ausführlich geredet. Es gibt die Tonaufzeichnung von kindlichen Opferzeugen, die ihnen die zusätzliche Vernehmung in der Hauptverhandlung ersparen. Wir haben das Adhäsionsverfahren verbessert. Wir haben unter anderem durch meine Initiative den Opferanwalt eingeführt. Der Täter-Opfer-Ausgleich ist verbessert worden. Die Polizeibeamten bekommen Handlungsanleitungen zur Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes. Es gibt ein Spektrum von Initiativen zur Prävention des sexuellen Missbrauchs in Schulen – zum Beispiel Filme, Erzieherinnenausbildung, Lehrerausbildung, Lehrerkonferenzen oder Sexualkundeunterricht. All das wurde verbessert und wird weiterhin unter diesem Gesichtspunkt noch verbessert werden.

Die Stiftung „Bündnis von Kindern gegen Gewalt“ leistet ebenfalls einen Beitrag zum gewaltfreien Aufwachsen junger Menschen in einer kinderfreundlichen Gesellschaft. Ich nenne das Projekt „Faustlos“. In Kindergärten und Schulen werden die Fachkräfte entsprechend qualifiziert. Die Medienerziehung und die Medienausbildung der Lehrer und Eltern ist uns ebenfalls ein weiteres wichtiges Anliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nun noch zu einigen Themen Stellung nehmen, die meine beiden Vorrednerinnen angesprochen haben. Sehr geehrte Frau Kollegin Hirschmann, Sie haben heute in Ihrer letzten Rede noch einmal alle die sozialpolitischen Probleme, die Ihnen am Herzen liegen, vor uns ausgebreitet. Von den Vorrednerinnen wurde zum Beispiel gesagt, Bayern habe eine ungenügende und einseitige Familienpolitik. Meine Damen und Herren, die Familienpolitik der CSU beruht auf drei Säulen und ist nicht einseitig. Sie setzten nur auf die Kinderbetreuung. Das kann es nicht sein.

(Frau Radermacher (SPD): Das stimmt doch nicht, was erzählen Sie denn!)

Wir müssen zum einen die Erziehungsfähigkeit der Familien stärken. Das wurde von Frau Schopper zugestanden.

(Frau Radermacher (SPD): Werden Sie doch konkret, Sie machen doch nichts!)

Ich meine, dass es sehr wichtig ist, in diesem Bereich weitere Initiativen auf den Weg zu bringen.

Die zweite Säule ist die Kinderbetreuung; sie wurde schon angesprochen.

Die dritte Säule ist auch unverzichtbar. Es ist das Familiengeld für die Väter und Mütter, die sich bereit erklären, die Kinder zu Hause zu betreuen. Sie wären benachteiligt, wenn sie keine zusätzlichen finanziellen Mittel bekämen. Wir wissen, dass die Kinderbetreuung dem Staat sehr viel Geld kostet. Die Familien, die dieses Geld nicht in Anspruch nehmen, würden nach Ihren Vorstellungen leer ausgehen. Trotzdem fragen Sie, wer die Rente zahlen soll. Warum haben Sie nicht dafür gesorgt, dass bei der letzten Rentenreform die Anerkennung von Kindererziehungszeiten besser berücksichtig worden ist?

(Frau Narnhammer (SPD): Ist doch!)

Das waren doch nicht Sie, die das gemacht haben.

(Unruhe bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Bei der letzten Rentenreform sind nur teilzeitberufstätige Mütter etwas besser gestellt worden. Alle anderen Väter und Mütter, die sich nur um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, ohne erwerbstätig zu sein, sind leer ausgegangen.

(Frau Steiger (SPD): Falsch!)

Der Topf der Rentenversicherung ist nicht voller geworden. Es hat eine Umverteilung zulasten der Väter und Mütter stattgefunden, die sich alleine der Erziehung ihrer Kinder gewidmet haben.

(Frau Steiger (SPD): Was lesen Sie denn eigentlich? – Unruhe bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Sie werden im Herbst 2003 ein neues Rentenkonzept auf den Weg bringen müssen, weil das, was Sie 1999 uns und der deutschen Bevölkerung vorgestellt haben, schon nicht mehr finanzierbar ist. Es hat nur eine kurze Laufzeit gehabt.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Ihre Vorschläge auch!)

Ich fordere Sie auf, für diesen Bereich Akzente zu setzen. Das wäre ganz dringend notwendig.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Reden wir über die bayerische Politik! Wäre das nichts?)

Frau Hirschmann, Sie haben auch den von uns sehr bedauerten Vorfall des Selbstmordes eines Schülers angesprochen. Ich weise Sie aber darauf hin, dass wir in unserem Positionspapier zur Pisa-Studie die stärkere Verantwortung der einzelnen Schulen niedergelegt und eine bessere Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus gefordert haben. Diese Forderung ist nicht erst seit diesem Jahr in unseren Papieren zu finden und wird umgesetzt, sondern bereits seit dem Jahr 1998, als wir

die innere Schulreform auf den Weg gebracht haben. Ich denke, die Ergebnisse der Pisa-Studie haben gezeigt, dass die Umsetzung der inneren Schulereform bereits Früchte getragen hat.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einmal ausdrücklich hervorheben, dass uns die herausgehobene Wertigkeit der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik nach wie vor ein Anliegen ist. Wir geben nicht nur Lippenbekenntnisse ab, weil wir trotz der schwierigen Haushaltssituation in den Bereichen Bildung und Familie nicht gekürzt haben. So werden wir auch weiterfahren.

(Beifall bei der CSU)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Narnhammer.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu den Beiträgen des Redners und der Rednerin der CSU äußern. Frau Dr. Fickler, Sie haben angemerkt, dass wir bereits 1998 kurz vor der Landtagswahl eine derartige Interpellation gestellt haben. Das ist richtig. Erinnern Sie sich aber an meine Ausführungen heute um 9.00 Uhr – ich glaube, Sie waren noch nicht im Saale. Ich habe deutlich gesagt, die SPD könnte sich die Interpellationen sparen, wenn die Staatsregierung endlich regelmäßig den Kinderbericht vorlegen würde.

(Beifall bei der SPD)

In der Interpellation steht, dass dieses Thema für die Staatsregierung eine politische Daueraufgabe sei. Ich frage deshalb, was es zu kritisieren gibt, wenn wir die Situation der Kinder in Bayern abfragen.

Insbesondere in den letzten Wochen haben wir immer wieder gehört: „Bayern ist Spitze“, „Bayern ist vorn“. Immer wieder wird betont, dass Bayern so viel für die Kinderbetreuung mache. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergessen Sie doch bitte nicht, welchen Nachholbedarf Bayern in Sache Kinderbetreuungseinrichtungen hat.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu Herrn Kollegen Unterländer – auch ich finde ihn ganz sympathisch. Für seine Art der Politik ist es aber symptomatisch, dass er die Kinderpolitik auf die Sozialund Familienpolitik reduziert. Ich finde es in Ordnung, dass Familien- und Sozialpolitik eine sehr große Rolle spielen. Sie vergessen aber, dass Kinderpolitik eine Querschnittsaufgabe ist und alle Politikfelder betrifft. Familien- und Sozialpolitik sind ein wichtiger Teil, aber nicht alles.

Von beiden Redner der CSU habe ich kein Wort über die Kinderrechte gehört.

Im Nachhinein wundere ich mich nicht mehr, dass es so schwierig war, die Kinderrechte in der Bayerischen Verfassung unterzubringen.

(Beifall bei der SPD)

Sie gehen nach dem Motto: Eine Watschn hat noch nie geschadet. Liebe Frau Dr. Fickler, Sie wissen wahrscheinlich selbst, welche mühseligen und mühsamen Diskussionen, gerade mit Vertretern Ihrer Fraktion, diesem letztendlich guten Ergebnis vorausgegangen sind. Das bitte ich, nicht zu vergessen.

(Frau Radermacher (SPD): Das war doch scheinheilig! – Beifall bei der SPD – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Für mich hat sich beim Zuhören ganz klar herausgestellt, dass ich gemeinsam mit meiner Fraktion und meinem Arbeitskreis Kinderpolitik in der nächsten Legislaturperiode für die Kinderrechte weiterkämpfen muss. Solange die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention nicht gelungen ist, vor allem in Bayern, und solange gewaltfreie Erziehung in Bayern immer noch ein Thema ist, das man nicht angehen möchte, werde ich weiterkämpfen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Frau Deml (CSU): Wo leben Sie eigentlich?)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.

(Zuruf des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU))

Ist das Ihr Beitrag zum Sommerkrach, Herr Kollege? Ich habe gerade überlegt, ob der hier gerade inszeniert wird. Ich rate dringend davon ab, das kostet nur Zeit.

(Hofmann (CSU): Wenn schon, dann fange ich ihn an! – Heiterkeit)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr schön, dass wir in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode noch einmal den Fokus des Bayerischen Parlaments auf Kinder und kinderfreundliche Gesellschaft und auch auf Kinderrechte legen. Ich halte das für ungeheuer wichtig, weil wir uns alle eine kinderfreundlichere Gesellschaft wünschen. Jeder, der sich mit Kindern, Kinderrechten und der kinderfreundlichen Gesellschaft auseinander setzt, der weiß, dass es in Deutschland und in Bayern tatsächlich an der Verwirklichung der kinderfreundlichen Gesellschaft fehlt.

Frau Kollegin Narnhammer, Sie werfen mir vor, dass ich für das Bündnis für Kinder gegen Gewalt Reklame mit dem T-Shirt-Aufdruck mache, „Mein Kind ist unschlagbar“. Ich stehe voll dahinter. Es gibt im Übrigen kein Ministerium in Deutschland, das mehr Marketing-Maßnahmen betreibt und mehr Marketing-Unternehmen eingeschaltet hat, als das Bundesfamilienministerium. Denken Sie an die Aktion „Schau hin!“. Das war eine reine Marketing-Maßnahme ohne inhaltlichen Hintergrund.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Steiger (SPD))

Wir finanzieren mit „Mein Kind ist unschlagbar“ das Projekt „Faustlos“ in unseren Kindergärten und Schulen. Das hat einen Sinn.