Protocol of the Session on July 10, 2003

Wir finanzieren mit „Mein Kind ist unschlagbar“ das Projekt „Faustlos“ in unseren Kindergärten und Schulen. Das hat einen Sinn.

(Frau Narnhammer (SPD): Das ist auch gut so!)

Wir wollen die Gewaltspirale in unserer Gesellschaft durchbrechen. Deshalb gehen wir mit dem Projekt „Faustlos“ in die Kindergärten und in die Grundschulen. Deshalb mache ich dafür Werbung, durchaus auch mit Sympathieträgern aus unserer Gesellschaft. Sie sollten sich sehr genau anschauen, was dahinter steckt. „Mein Kind ist unschlagbar“ bzw. „Ich bin unschlagbar“ ist eine Botschaft, die nach Deutschland hinausgesandt wird.

Ich frage mich: Wo sind denn die Aktionen der anderen Länder? – Bayern ist das einzige Land, das eine Stiftung ins Leben gerufen hat.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Narnhammer (SPD))

Das „Bündnis für Kinder gegen Gewalt“ ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In den anderen Ländern gibt es nichts Vergleichbares. So etwas hat nur Bayern auf den Weg gebracht, weil uns das Wohl der Kinder so sehr am Herzen liegt.

(Frau Narnhammer (SPD): Mein Gott!)

Das ist übrigens eine bundesweite Stiftung. Deswegen haben wir auch Roman Herzog, Sabine Christiansen und Frau Furtwängler mit in den Vorstand hineingenommen. Die Bayerische Staatsregierung handelt und gibt keine Luftblasen von sich.

In Ihrer zweiten Wortmeldung haben Sie noch einmal sehr schön gesagt, dass letztendlich der Schutz der Kinder eine Querschnittsaufgabe ist. Genau das ist der Grund, warum wir Bedenken gegen Kinderbeauftragte haben. Wir wollen, dass sich das gesamte Parlament mit der Situation unserer Kinder in unserer Gesellschaft beschäftigt. Wir haben darauf verzichtet, bei allen 2050 Gemeinden nachzufragen, was sich im Bereich Kinderparlamente und Kinderbeauftragten tut. Es hätte sicherlich ein buntes Bild für Bayern ergeben.

Wir bauen ständig Personal ab und reden von Entbürokratisierung. Wird denn die Welt unserer Kinder tatsächlich besser, wenn wir bei allen Kommunen nachfragen? – Sie hätten übrigens Ihre Interpellation heute in der letzten Vollsitzung des Parlaments nicht behandeln können, wenn wir diese mühevolle Umfrage gemacht hätten, die Sie von uns eingefordert haben. Das Leben unserer Kinder würde dadurch nicht besser.

Der Landtag hat beschlossen, dass im nächsten Sozialbericht der Bayerischen Staatsregierung der Schwerpunkt auf die Kinder und Jugendlichen gelegt wird. Ich halte das für richtig.

Wir haben übrigens im Bildungs- und Erziehungsplan ein ganz wichtiges Element, dass Kinder verstärkt dazu erzogen werden, je nach ihrer Altersgruppe Verantwortung für ihre eigene Einrichtung, also Kindergarten, Kinderkrippe, Kindertagesstätte, Horte usw., mitzutragen.

Frau Kollegin Schopper, Sie haben gesagt, die CSU hat ein verzopftes Familienbild.

(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frauenbild!)

Entschuldigung, Sie hat gesagt, die CSU hat ein verzopftes Frauenbild. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Wir haben in Bayern mit 63% die höchste Erwerbstätigenquote bei den Frauen. Diese ist übrigens höher als in Frankreich und in allen anderen Ländern in Deutschland, höher auch als in den neuen Ländern, wobei dort eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Die Frauen in Bayern sind von Arbeitslosigkeit nicht stärker betroffen als die Männer.

(Frau Steiger (SPD): Sie sollten den Sozialbericht lesen!)

Daran sehen Sie durchaus, dass die Bayerische Staatsregierung keineswegs ein verzopftes Frauenbild hat. Die Erfolge geben uns Recht.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie haben auf die schwierige Situation bei den Gastkinderbeträgen hingewiesen. Ich gebe Ihnen teilweise Recht. Ich rufe zurzeit selbst die Bürgermeister einzeln an. Ich habe heute einen Brief von einem Bürgermeister bekommen, der überrascht war, dass ich mich mittlerweile persönlich um Kindergartenplätze – in dem konkreten Fall um Kinderkrippenplätze – kümmere.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das verzopfte Frauenbild ist bei der SPD genauso wie bei den Freien Wählern zu finden. Man ist überrascht, was einem manchmal entgegengehalten wird. Ich kann Ihnen nur sagen, das ist durchaus schwierig.

Zu Pisa und Weihwasser: Andere Länder in Deutschland wären froh, wenn ihre Kinder bei der Pisa-Studie ebenfalls im ersten Drittel wären.

(Beifall bei der CSU)

Deutschland wäre bei der Studie ganz wo anders gelandet, gäbe es nicht die Qualität der bayerischen Schulen.

(Beifall bei der CSU)

Dann würden wir uns umschauen, wo Deutschland in Wirklichkeit bei der Pisa-Studie steht. Sie sollten weniger von Weihwasser und mehr von den tatsächlichen Erfolgen reden, die wir mit der Qualität an unseren Schulen haben.

Die Ganztagsschule und die Ganztagsbetreuung sollten wir vorurteilsfrei betrachten. Ich sagen Ihnen ganz offen: Meine Tochter – mein fünftes Kind – war in der Ganztagsbetreuung. Sie hat mit 14 Jahren zu mir gesagt, sie würde gerne einen Übungsleiterschein machen oder am

Nachmittag eine Gruppe in der Kirche leiten. Sie wollte nicht mehr in die Ganztagsbetreuung gehen.

(Frau Steiger (SPD): Mit 14 kann man keinen Übungsleiterschein machen!)

Dann habe ich gesagt, dann bleibst du halt zu Hause.

Das geht bei der Ganztagsschule nicht. Warum geben wir den Eltern nicht die Freiheit, selbst zu entscheiden? Behandeln Sie dieses Thema vorurteilsfrei.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Hirschmann, Sie haben den Fall in Coburg angesprochen. Nachdem wir alle nicht die Ursachen kennen, Frau Hirschmann, bitte ich, sensibel damit umzugehen und nicht voreilig falsche Schuldzuweisungen zu machen.

(Frau Steiger (SPD): Die hat sie nicht gemacht!)

Solange Ermittlungen laufen, solange die Nachrichtensperre aufrechterhalten ist, sollten Sie das nicht tun. Ich meine, Sie machen es sich da schon etwas einfach.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ganz bestimmt nicht!)

Deswegen möchte ich auch noch einmal an die notwendige Sensibilität Ihrerseits appellieren.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die brauchen doch gerade Sie!)

Lassen Sie mich noch einmal zu Armut, verdeckter Armut, etwas sagen. Wir haben den Familienreport vom ifb für das Jahr 2003. In Bayern haben wir, eine Sozialhilfedichte von 17, das ist auf 1000 Einwohner gerechnet. Nordrhein-Westfalen hat 36, Schleswig-Holstein 43. Bayern hat damit die niedrigste Sozialhilfedichte in der Bundesrepublik. Ich könnte Ihnen diese Zahlen alle vorlesen, gerade für die rot-grün regierten Bundesländer. Armut hat eben leider Gottes schon etwas mit Wirtschaftspolitik, mit Wirtschaftswachstum und mit Arbeitsplätzen zu tun. Wenn wir in Bayern die niedrigste Sozialhilfedichte haben, dann hat das doch mit den Rahmenbedingungen zu tun. Frau Kollegin Schopper, zur verdeckten Armut: Wir vom Sozialministerium werben immer dafür, dass auf Sozialhilfe ein Rechtsanspruch besteht. Mehr können wir nicht machen.

Lassen Sie mich noch einmal auf die Interpellation zurückkommen und auf die Diskussion insgesamt eingehen, die hier und heute geführt wird. Für mich ist diese Interpellation eine gute Gelegenheit, gerade anhand der dort enthaltenen Zahlen, ein Resümee über getane Arbeit zu ziehen und gleichzeitig einen Ausblick auf die vor uns stehenden Herausforderungen zu geben. Gerade die Diskussion „Mehr Rechte für Kinder“ verleitet zur irrtümlichen Annahme, Handlungsbedarf bestehe in erster Linie in der Schaffung zusätzlicher formaler Rechtspositionen für Kinder. Übrigens hat auch die Jugendministerkonferenz einstimmig beschlossen, dass

das Zurückziehen auf formale Rechtspositionen allein für unsere Kinder nichts bringt.

Die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland und in Bayern ist, liebe Kolleginnen und Kollegen – das muss man immer wieder verdeutlichen und sagen – keine Frage der juristischen Durchsetzung, sondern sie ist vielmehr ein Problem der gesellschaftlichen Beachtung. Das zu bedenken ist ungeheuer wichtig. Wir müssen in Deutschland ein Klima schaffen, in dem letztendlich Kinderfeindlichkeit geoutet wird. Ich halte das für ungeheuer wichtig. Ich denke dabei gerade an solche Dinge wie den Lärmschutz an Kinderspielplätzen. Man hat in den Kommunen beispielsweise darüber diskutiert, dass an den Freispielanlagen der Kindergärten Lärmschutzwälle errichtet werden müssten. Kinder unter Immissionsschutzgrenzwerten zu betrachten halte ich für fatal. Wir brauchen in unserer Gesellschaft, das mahne ich an, diesbezüglich ein Umdenken.

Kinder und Familien brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Das gilt für das konkrete Lebensumfeld jedes einzelnen Kindes ebenso wie für die allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir diskutieren über viele differenzierte Maßnahmen. Die wichtigste und alles überragende Bedingung, die das Wohl und die Entwicklung unserer Kinder gewährleistet und fördert heißt aber: Es muss jemand für die Kinder da sein. Es muss jemand mit den Kindern reden, mit ihnen spielen, lachen und auch streiten. Es muss sich jemand mit den Kindern auseinandersetzen, bereit sein, den Kindern Grenzen zu setzen und Grenzen aufzuzeigen. Dabei muss ich auch sagen, dass die überwiegende Mehrheit in unserem Lande das durchaus tut. Dort, wo wir feststellen, dass Kinder alleine gelassen werden, wenn das Verlässlichste im Leben sozusagen das Fernsehprogramm ist, muss der Staat in Zukunft sein Wächteramt durchaus auch ein Stück konsequenter ausüben. Im Hinblick auf die kleine, aber aufsehenerregende Zahl massiv straffälliger Kinder und Jugendlicher – auch das kam in der Diskussion heute zur Sprache – ist es nach meiner festen Überzeugung an der Zeit, darüber nachzudenken, wie wir die Eingriffsschwelle und die Eingriffsmöglichkeiten des Staates in der Erziehungsverantwortung der Eltern sauberer und klarer definieren. Stichwort: Elterliches Sorgerecht. Auch Eltern müssen wissen, ab welcher Grenze der Staat die Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung nicht mehr als gewährleistet ansieht. Dem Kindeswohl ist in bestimmten Fällen am besten gedient, wenn rechtzeitig klare Grenzen aufgezeigt werden.

Kinder und Familien brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. In Bayern setzen wir familienverlässliche Rahmenbedingungen. Ministerpräsident Edmund Stoiber hat in seiner Regierungserklärung am 29. 10. 1998 vor diesem Hohen Haus erklärt, dass Familienleistungen trotz eines strikten Sparkurses der Regierung von Kürzungen ausgenommen bleiben. Die Staatsregierung hat nicht nur Wort gehalten, sondern wir haben gerade für die Kinder- und Familienpolitik ausgabenwirksame Schwerpunkte gesetzt. Als Beispiel nenne ich das Landeserziehungsgeld, das ein Herzstück der bayerischen Familienpolitik darstellt. Wir waren Motor bei der Einführung des Bundeserziehungsgeldes. Bayern war das

erste Land, welches das Landeserziehungsgeld einführte.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Der Freistaat hat seit der Einführung 1,5 Milliarden e hierfür ausgegeben. Sie sollten nicht mit dem Kopf schütteln, Frau Kollegin Narnhammer, denken Sie doch lieber daran, welche Einsparungen der Bund zur Zeit beim Bundeserziehungsgeld in den ersten sechs Monaten vorsieht. Wenn man bedenkt, dass alleine 40 Prozent der Akademikerinnen keine Kinder mehr bekommen, dann ist es doch eine fatale Entwicklung, in den ersten sechs Monaten das Bundeserziehungsgeld so gewaltig zu kürzen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Quatsch! Meinen Sie denn, ich bekomme Kinder nur wegen des Erziehungsgeldes?)

Das ist doch geradezu kontraproduktiv. Da sollten Sie sich lieber Gedanken über die Maßnahmen der eigenen Regierung machen. Kein anderes Land zahlt im Hinblick auf Dauer und Leistungshöhe ein vergleichbares Landeserziehungsgeld. Das Landeserziehungsgeld wurde in der ablaufenden Legislaturperiode sogar noch weiter verbessert. Wir haben es für das dritte Kind und für weitere Kinder erhöht, von 256 e auf 307 e.

Sie haben heute auf die Sozialhilfe abgehoben. Gerade die Kinder von Alleinerziehenden und die Mehrkinderfamilien sind doch diejenigen, die von Sozialhilfe leben. Dennoch hat der Bund bei den letzten Kindergelderhöhungen die Mehrkinderfamilien – also ab dem dritten Kind – bei der Erhöhung des Kindergeldes komplett vergessen.

Beim Landeserziehungsgeld wurde auch der Bezug für Drittstaatler ausgeweitet. Wenn beide Eltern Drittstaatler sind, zahlen wir Landeserziehungsgeld, wenn das Kind die Deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.