Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn ich jetzt gleich für viel Freude sorgen werde – es ist spät, aber nicht zu spät –: Wir fordern eine namentliche Abstimmung zu diesem Antrag.
Herr Loscher-Frühwald, ich weiß ganz genau, wie oft hier disziplinarische namentliche Abstimmungen von Ihrer Fraktion eingefordert werden. Jetzt werde ich gleich stocknarrisch. Ich beantrage für unsere Fraktion in
diesem Punkt eine namentliche Abstimmung. Ich habe mir das gut überlegt und mache das nicht, weil es Viertel nach sechs ist.
Frau Kollegin, darf ich Sie kurz unterbrechen. Namentliche Abstimmung ist beantragt. In einer Viertelstunde können wir abstimmen. Um 18.30 Uhr ist die Zeit abgelaufen. Ich verstehe die Aufregung nicht. Wir können das hinbekommen.
Uns ist der Antrag betreffend eine Kampagne gegen ausbeuterische Kinderarbeit sehr wichtig. Leider haben wir dazu im Beratungsverlauf keine positiven Stellungnahmen von Ihnen bekommen. Deshalb möchten wir Ihnen das im Rahmen einer letzten Chance ermöglichen.
Laut Schätzungen gibt es 250 Millionen Kinder unter 14 Jahren, die arbeiten bzw. arbeiten müssen, und teilweise arbeiten sie unter ausbeuterischen Bedingungen. Etwa 10% der Kinder arbeiten in Betrieben, die auch Waren exportieren.
Wenn Sie sich schon aufregen, würde ich Sie bitten, mir genau zuzuhören, weil Sie dann wissen, warum Sie möglicherweise von den Kirchen, die in der Sache unsere Verbündeten sind, eines auf die Nuss bekommen.
Von den Kindern, die in ausbeuterischer Kinderarbeit drangsaliert werden, werden Produkte wie zum Beispiel Fußbälle, Orangensaft, Teppiche, Schokolade, Kaffee, Tee und T-Shirts hergestellt. Es gibt aber auch Kinder, die in Steinbrüchen arbeiten müssen und dort Pflastersteine, auf denen wir gehen, herstellen.
Ich denke, wer sich mit dem Thema „Kinderarbeit“ einmal beschäftigt hat, der vergisst das nicht und der weiß, dass wir diesen Kindern zumuten, körperlich schwer zu arbeiten, und zwar unter Bedingungen, im Vergleich zu denen der Abbau von Überstunden gemäß dem Antrag von vorhin lächerlich erscheint. Ich will diesen Antrag nicht kritisieren, aber in der Relation ist es lächerlich. Diese Kinder haben keine Kindheit, sie haben keine Jugend, sie haben keine Chance auf Bildung, und ihnen wird die Zukunft geraubt.
Internationale Konventionen sehen konkrete Maßnahmen gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit vor. In unserem Antrag fordern wir, dass auch der Freistaat Bayern aktiv Maßnahmen ergreift, um diesen Missständen entgegenzuwirken. Im Interesse der Kinder, aber auch im Interesse zukünftiger Kindergenerationen
sollte der Freistaat seine bescheidenen Möglichkeiten nutzen. Ich sage selbst, dass wir hier nicht die Welt verändern können, aber bescheidene Maßnahmen können auch wir ergreifen.
Als Großverbraucher, der er nun einmal ist, könnte der Freistaat Bayern sein Einkaufsverhalten in der Weise ändern, dass keine Produkte eingekauft und keine Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, die ausbeuterischer Kinderarbeit entstammen. Es gibt Siegel und Markierungen, an denen man erkennen kann, dass es sich um verlässliche Firmen handelt, die ohne Kinderarbeit auskommen. Allein das Teppichzeichen Rugmark hat dazu geführt, dass im Teppichhandel bewusst eingekauft werden kann. Der Verbraucher weiß, er kann sich entscheiden zwischen einem Teppich, der nicht in Kinderarbeit hergestellt wurde, und einem Teppich, bei dem man nicht weiß, ob Kinder ihn geknüpft haben.
Es gibt staatliche Schulen, die zum Beispiel für ihre Sportstunden Fußbälle, für Feste Orangensaft und für ihre Schüler Schul-T-Shirts einkaufen und den Aspekt der Kinderarbeit berücksichtigen könnten.
Es gibt auch Öffentlichkeitsarbeit. Der Herr Ministerpräsident, der bekanntlich ein ausgemachter Fußballfan ist und praktisch bei keinem Spiel des FC Bayern fehlt, wird doch sein Engagement für den Fußball auch auf die Verhinderung von Kinderarbeit ausdehnen können, indem er sich zum Beispiel mit dem Bayernspieler Giovanni Elber, der hier vorbildlich tätig ist, ablichten lässt und auf das Problem aufmerksam macht. Verdammt nochmal, sonst lässt er sich auch mit jedem ablichten. Warum nicht mit dem? – Das ist wenigstens für einen guten Zweck.
Ich denke auch an runde Tische. Staatsminister Dr. Wiesheu liebt runde Tische; er sitzt in einer Tour an runden Tischen. Warum kann er da nicht einmal Händler und Leute von Wirtschaftsverbänden über Kinderarbeit aufklären? Viele wissen es gar nicht. Als die Initiative in München gestartet wurde, hat sich gezeigt, dass die Händler oftmals dankbar für die Aufklärung waren, weil sie nicht wussten, was wo drin ist.
Von daher ist das kein Placebo, sondern ein erster Schritt oder zumindest ein symbolischer Schritt. Es ist ein Anfang gemacht, wenn wir im Interesse der Kinder versuchen, ein kleines Stück zu einer Verbesserung beizutragen. Gerade weil das Ganze so schwierig ist, weil man den Produkten nicht ansieht, ob sie in Kinderarbeit hergestellt wurden, sollte die Bayerische Staatsregierung ein Zeichen setzen.
Zum Schluss will ich kurz auf die Beratungen im Ausschuss eingehen. Die Gegenargumente waren: Wir sind nicht zuständig; es ist keine Staatsaufgabe; rechtliche Bedenken haben wir auch. Diese rechtlichen Bedenken kann man nicht ganz von der Hand weisen; das will ich nicht ins Lächerliche ziehen. Aber wir haben die Chance,
Ich nehme Ihnen Ihre Bedenken nicht ab. Sie wollen den bequemen Weg gehen und das Problem im Sinne der „Bedenkenträgerei“ an die Kirchen und Kommunen delegieren. Alle sind dafür zuständig, nur Sie nicht. Ich glaube, wir haben hier eine Vorbildfunktion und müssen unserer Verantwortung gerecht werden. Heute haben Sie eine letzte Chance, sich in einer namentlichen Abstimmung dazu zu bekennen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass Einigkeit darüber besteht, Kinderarbeit weltweit zu ächten und zu bekämpfen.
Deshalb ist der Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN grundsätzlich berechtigt. Es bestehen allerdings unterschiedliche Auffassungen über erfolgversprechende Wege, um Kinderarbeit wirksam begegnen zu können.
Dies war auch ein Grund, warum der federführende Sozialausschuss sowie die mitberatenden Ausschüsse für Wirtschaft und Bildung den Antrag abgelehnt haben.
Neben den unterschiedlichen Wegen scheinen zudem die im Antrag genannten Punkte schwer umsetzbar. Die Bedingung, keine Produkte zu verwenden, die mit Kinderarbeit hergestellt worden seien, ist ein vergabefremdes Kriterium und führt zu rechtlichen Schwierigkeiten. Die vergebende Stelle kann grundsätzlich nur leistungsbezogene Kriterien anwenden. Hier handelt es sich aber um ein produktions- bzw. auftragnehmerbezogenes Kriterium. Eine Berücksichtigung dieses Kriteriums würde eine Änderung der „Verdingungsordnung für Leistungen“ – VOL – voraussetzen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die praktische Umsetzung ist genauso problematisch. Wer kann bei öffentlichen Ausschreibungen wie feststellen, ob entsprechend gekennzeichnete Produkte tatsächlich nicht von Kindern gefertigt worden sind? Außerdem besteht die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung zwischen Händlern mit Zertifizierung und jenen, die zwar keine Zertifizierung haben, obwohl sie ohne Kinderarbeit produzieren. Grundsätzlich sind in dieser Frage eher die Kommunen als der
Staat gefragt. Städte und Gemeinden haben nämlich die besseren Möglichkeiten, die Vergabekriterien zuzuschneiden. Die Landeshauptstadt München zum Beispiel hat einen entsprechenden Beschluss zur Kinderarbeit gefasst. Anders aber als der Freistaat muss sich die Stadt nicht der genannten VOL unterwerfen, womit die Rechtslage nicht vergleichbar ist. Ich meine, dass wir die kommunalen Spitzenverbände dahingehend einbeziehen sollten.
Nicht zuletzt sind Kirchen, Verbände und andere Organisationen die geeigneten Ansprechpartner und können die Öffentlichkeit ebenfalls erreichen. Sie betreiben auch schon eine umfangreiche Aufklärungsarbeit.
Ich möchte Ihnen nun auch die Meinung des bischöflichen Entwicklungshilfsdienstes zu dieser Thematik vortragen. Bei den Ärmsten der Armen muss präzise hingeschaut werden, wie man beide Aspekte zusammenbringen kann: dem Verbot der Kinderarbeit gerecht zu werden und zugleich darum zu wissen, dass für viele Familien am Rande der Existenz der Beitrag von Kindern für das Familieneinkommen notwendig sein kann. SEWA ist eine indische Organisation von selbstständig unternehmerisch tätigen Frauen, die berichtet, dass das Problem der Kinderarbeit tatsächlich besteht und nicht so einfach aus der Welt geschaffen werden kann. Vor allem im Bereich der Heimarbeit, wie zum Beispiel der Zigarettendreherinnen, und bei sonstigen ländlichen Arbeiten arbeiten Kinder zuhause mit, um eben das Familieneinkommen zu sichern. SEWA versucht dem Problem nicht zu begegnen, indem man stur das Verbot von Kinderarbeit fordert, sondern auf folgende konstruktive Weise.
SEWA versucht an die Zukunft der Kinder zu denken und trägt mit dazu bei, dass die Familien genügend Zeit gewinnen, damit die Kinder zur Schule gehen können. Deshalb versucht SEWA finanzielle Unterstützungen des Staates für die ärmsten Familien zu gewinnen, damit diese die Schulgelder bezahlen können. Ich glaube, dass dieses Beispiel genügt, um darüber nicht nur einseitig zu befinden.