Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir, die Grünen im Landtag, haben nie gesagt, Bayern sei hervorragend bedient worden. Wir sagen aber umgekehrt: Schluss mit der Maßlosigkeit! Sie sagen, bestimmte Projekte seien besonders dringlich, und dafür sei kein Geld vorhanden. Sorgen Sie doch endlich dafür, dass das Geld freigemacht wird. Sie haben doch für Ihre Milliardengräber Geld abgezogen, das anderswo viel dringender gebraucht worden wäre. Sie werden das auch weiterhin tun. Der Transrapid ist der nächste Fall. Hier greifen Sie doch ganz massiv in die Verkehrstöpfe hinein, auch wenn Sie es immer bestreiten.
Wir brauchen uns aber gar nicht bei den Größtprojekten aufhalten. Anderswo verhält es sich ganz genauso. Das gleiche Spiel treiben Sie bei den Straßen, egal ob Staatsstraßen oder Bundesstraßen. Wenn eine Ortsumfahrung gebaut wird und das nachgeordnete Straßennetz angebunden werden soll oder queren soll, wird immer die teuerste und größte Lösung gewählt. Das heißt also, es werden immer riesige Brückenbauwerke mit Einschleifungen statt eines Kreisels gebaut, welcher preisgünstiger wäre. Die Begründung des Straßenbauamtes und der CSU lautet immer unisono, unter einem Kreisel könnte der Verkehrsfluss leiden. So ziehen Sie Gelder ab, jammern aber andererseits.
Herr Beckstein – dieses Mal die richtige Seite –, ich habe schon fast den Eindruck, Sie müssten in die Wortwahl und in den Slang des Verkehrsministers Otto Wiesheu einfallen, weil er heute nicht hier ist. Zu Herrn Maget haben Sie „abenteuerlich blöd“ oder „unanständig“ gesagt. Sie haben Herrn Maget kommentiert, „er hätte keine Ahnung von Franken“. Das weiß ich jetzt nicht, denn ich habe wiederum keine Ahnung davon, ob Herr Maget Ahnung von Franken hat. Ich weiß aber, dass Sie, Herr Beckstein, zum Beispiel keine Ahnung vom Isartal, vom Gleißental, vom Kreuzlinger Forst oder vom Forstenrieder Park haben. Trotzdem schwafelten Sie vor zwei Monaten abenteuerlichen Blödsinn zum A 99-Südring.
Genauso haben Sie sich zur A 94 geäußert. Hier wird es aber wirklich äußerst ärgerlich. Das, was an dieser Stelle von mehreren Rednern der CSU zur A 94 gesagt wurde, ist lächerlich und infam. Sie haben doch jahrzehntelang
über 30 Jahre hinweg – die Bevölkerung – unfall- und staugeplagte Autofahrer und lärmgeplagte Anwohner – in Geiselhaft genommen. 1991 wurde endlich das vergleichende Raumordnungsverfahren durchgeführt. Das Ergebnis war ganz eindeutig, dass die Trasse über Haag wesentlich geeigneter ist als die Trasse über Dorfen. Das wurde von Ihren bayerischen Behörden bestätigt. Was machten Sie? Sie beharrten weiterhin auf der Trasse über Dorfen. Dass dann der Bau der A 94 länger dauert, beklagen Sie wieder scheinheilig mit Ihren Krokodilstränen. Hier passen die Verkehrskonferenzen als billiger Populismus und als billiger Wahlkampf sehr gut dazu. Sie haben immer nur eine riesige Wunschliste, aber es gibt kaum Prioritäten. Die Schuld dafür, dass nichts vorangeht, wird beim Bund abgeladen. Das ist unanständig, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben, Herr Beckstein. Damit schaden Sie, meine Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung, Bayern wirklich, und deshalb fordern wir Sie auf, das endlich bleiben zu lassen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Wortwahl von Staatsminister Beckstein und auch die Aufgeregtheit, die dahinter zu erkennen war, waren verräterisch. Sie haben nämlich gezeigt, dass er wider sein eigenes Gewissen einen soliden Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes schlecht zu machen versucht. Ich will diese Behauptung auch begründen.
Die Länderquote bei den neuen Vorhaben – ich spreche ausdrücklich von den neuen Vorhaben – im Bundesverkehrswegeplan für Bayern wurde von 14,1% auf 16,1% angehoben, obwohl im neuen Entwurf die Verkehrsprojekte deutsche Einheit als auslaufende Projekte betrachtet werden und daher nicht mehr die Bedeutung haben wie im alten Bundesverkehrswegeplan. Das Gleiche gilt auch für die fränkischen Interessen. Die fränkischen Interessen sind in dem neuen Entwurf – realistisch gesehen – sehr gut berücksichtigt worden. Ich sage deswegen realistisch, weil Luftbuchungen ohne absehbares Baurecht nur dazu dienen, dass der Herr der hunderttausend Schlaglöcher mit steigender Tendenz sein Lamento über die Benachteiligung Bayerns anstimmen kann. Ich sage auch, dass sich der Frankenfaktor bei den noch nicht begonnenen Projekten im Vordringlichen Bedarf sehen lassen kann. Dieser Faktor trägt sehr wohl der absehbaren Entwicklung durch die EU-Osterweiterung Rechnung.
Ich kann aus Zeitgründen nur wenige Maßnahmen als Beispiele erwähnen. Es handelt sich unter anderem um Projekte, auf deren Realisierung die Bevölkerung in den 16 Jahren der Kohl-Regierung vergeblich gewartet hat.
Wir freuen uns zum Beispiel darauf, dass es gelungen ist, in Unterfranken den sechsstreifigen Ausbau der A 3 von Aschaffenburg bis Schlüsselfeld durchgängig in den
vordringlichen Bedarf aufzunehmen. Wir freuen uns darüber, dass die Ortsumfahrungen von Biebelried und Giebelstadt in den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden sind. Wir freuen uns darüber, dass in Mittelfranken bei der A 6 zwischen Roth und Nürnberg-Ost der sechsstreifige Ausbau erfolgt. Die A 73 von NürnbergHafen bis Nürnberg-Süd soll in absehbarer Zeit sechsbzw. achtstreifig ausgebaut werden. Auch die Ortsumfahrung Merkendorf an der B 13 soll gebaut werden.
In Oberfranken ist natürlich die Elektrifizierung der Schienenstrecke Nürnberg-Marktredwitz-Hof-Reichenbach bis zur Landesgrenze bei Eger vordringlich. Vordringlich ist aber auch die vierspurige Anbindung des Grenzüberganges Schirnding von der A 93 her. „Vordringlich“ heißt, dass sich die Maßnahmen im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahrens als bauwürdig erwiesen haben, das heißt, es besteht ein uneingeschränkter Planungsbedarf, und die Projekte sind im zur Verfügung stehenden Finanzrahmen finanzierbar. Es handelt sich also nicht um Luftbuchungen, wie das im alten Bundesverkehrswegeplan der Kohl-Regierung im großen Stil von etwa 45 Milliarden e für Maßnahmen, für die ein Baurecht nicht absehbar war, der Fall war.
Ich muss auch noch auf eine Altlast Marke CSU zu sprechen kommen, die bisher noch nicht erwähnt wurde: Es geht um die Abstufung von autobahnparallelen Bundesstraßen zu Staatsstraßen. 1987 wurde von der damaligen Bundesregierung auf Veranlassung des Bundesrechnungshofs ein erstes Konzept vorgelegt, das 1995 zur Netzbereinigung nach funktionalen Maßstäben weiterentwickelt wurde. Danach sind für Bayern 1089 km zur Abstufung vorgesehen, aus damaliger Sicht von 1995 davon 592 km sofort und 497 km später. Vollzogen sind nur wenige geringe Teilstrecken. Wo liegt das Problem? Eine Reihe von Ortsumfahrungen an Bundesstraßen, die abgestuft werden sollen, sind deshalb im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans nicht mehr enthalten. Ich nenne zum Beispiel die Ortsumfahrungen von der B 19 Werneck, Bergtheim und Unterpleichfeld. Wer jetzt annimmt, dass genau diese Ortsumfahrungen im sechsten Ausbauplan für die bayerischen Staatsstraßen enthalten sind – was ja logisch wäre, nachdem die Staatsregierung ihr eigenes Konzept, das sie im Bund unter CSU-Regierungsverantwortung mit beschlossen hat, in Bayern umsetzt –, der wird sich täuschen; denn im sechsten Ausbauplan sind diese Maßnahmen auch nicht enthalten. Das heißt, die CSU hat das von ihr selbst beschlossenes Abstufungskonzept nicht umgesetzt, obwohl sie im Bund und im Freistaat die Regierungsverantwortung und damit alle Möglichkeiten hierzu hatte. Sie betrieb eine Verkehrspolitik auf dem Rücken der Bürger, die an von Lärm und Abgasen geprägten Ortsdurchfahrten leben. Mein Fazit: Den Bürgerinnen und Bürgern ist ein realistischer Entwurf, in dem zwischen Soll und Haben keine Lücke von 90 Milliarden DM oder 45 Milliarden e klafft, lieber als ein Märchenbuch, wie es 1992 von der alten Bundesregierung unter Mitverantwortung der CSU aufgelegt wurde.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Hartmann hat gerade wieder einmal gesagt, es handle sich um einen soliden Entwurf.
Tatsache ist, dass wir 13,66% des Gesamtbetrages für Bayern bekommen. Sie können Zwischenrechnungen aufstellen, so viele wie Sie wollen: An der Gesamtsumme, von der wir ausgehen müssen, ändert sich deshalb nichts. Ich sage Ihnen auch: Ich bin mit dem Staatsstraßenhaushalt nicht zufrieden, ich hätte gerne mehr. Wenn wir mehr Steuereinnahmen hätten, die wir aber leider wegen der verfehlten Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht haben, könnten wir mehr tun.
Herr Güller, reden Sie bitte von den Dingen, von denen Sie etwas verstehen. Davon verstehen Sie wenig.
Wenn wir die Möglichkeit hätten, das Geld so zu schöpfen, wie der Bund das tut, nämlich über Ökosteuer oder Maut, dann könnten wir leicht große Sprünge machen, aber wir haben in Bayern diese Möglichkeit leider nicht, sondern müssen diese Vorhaben aus dem normalen Haushalt finanzieren.
Sie nehmen – Herr Gantzer ist leider nicht mehr da – immer einige Punkte heraus, die Ihnen gefallen, und selektieren dann.
Ich nenne Ihnen ein paar andere Punkte: Die Autobahn A 8 im Osten ist eine Vorkriegsautobahn ohne Standstreifen mit einer starken Verkehrszunahme im Zusammenhang mit der Ost-West-Erweiterung. Dafür ist bis 2015 keine Mark vorgesehen. Ich greife einen anderen Punkt auf, bei dem Sie sich in Widersprüche verwickeln: Als wir gesagt haben, wir wollten den Münchner Südring prüfen lassen, weil wir Schwierigkeiten bei der A 99 haben, da kamen von der Münchner SPD die Argumente, wir hätten doch die A 15 im Süden, die neu gebaut werden müsse, da brauchen wir doch für das andere Projekt keine Mittel. Jetzt aber haben Sie die A 15 neu völlig herausgenommen; sie ist nicht einmal mehr im weiteren Bedarf enthalten. Das sind doch viel gravierendere Widersprüche, die man so nicht stehen lassen kann.
Ich will etwas zu den Behauptungen, wir hätten bis 1998 nicht mehr gemacht, sagen: Wir haben bis 1990, bis zum Beginn des Verkehrswegeplanes, der damals entwickelt wurde – –
Nein, lesen Sie einmal die Protokolle nach. Wir sind von Ihnen für jede Maßnahme geprügelt worden, die damals geplant worden ist. Jetzt wollen Sie es besser wissen. Es ist doch unglaubwürdig, was Sie jetzt tun.
Ich darf Ihnen auch sagen: Wir haben bis 1990 sicher keinen so großen Bedarf wie heute gehabt, weil sich der Verkehr in der Zwischenzeit auf vielen Strecken verdoppelt hat. Das ist die Realität. Wir haben 1990 auch berücksichtigen müssen, dass der Verkehrswegeplan Deutsche Einheit realisiert werden musste. Wir sind in Bayern dabei durchaus gut weggekommen. Wir haben das gewürdigt und deswegen mit Murren die Rückstufung von 19,3% auf 14% akzeptiert. Wir haben sie aber nicht auf Dauer akzeptiert; Sie können das im Landtagsprotokoll nachlesen. Wir müssen jetzt andere Forderungen stellen, weil sich der Verkehr verändert hat. Da Sie ansprechen, wie wir mit dem Bundesverkehrswegeplan umgehen – Herr Maget hat es angesprochen –, dann muss ich Ihnen sagen: Wir haben in Bayern gegen die damalige Bundesregierung unter der Verantwortung von Bundeskanzler Kohl massiv protestiert, weil wir zu wenig Geld bekommen hatten. Wir wollten 1997 eine Maut einführen, die 4 Milliarden Mark – –
Wir von der CSU haben uns getraut, gegen die eigene Bundesregierung für die Interessen Bayerns zu kämpfen.
Wir haben in den 90er-Jahren – Sie können sich das von der Bayerischen Obersten Baubehörde bestätigen lassen – immer eine ganze Menge an zusätzlichen Mitteln bekommen, weil Bayern eine ganze Reihe baureifer Projekte hatte.
Wir haben Mittel abrufen können, die anderswo nicht verbaut worden sind. Der jetzige Finanzminister zieht diese Gelder ein, er nimmt sie in den Haushalt auf und gibt sie nicht mehr für Verkehrsprojekte aus. Das fehlt uns heute, und aus diesem Grunde haben wir in den letzten Jahren viel weniger bauen können, als es früher der Fall war.
Dieser Verkehrswegeplan benachteiligt Bayern. Wenn Sie für Bayern etwas tun wollen, dann kämpfen Sie mit uns, um mehr Geld für die Infrastruktur dieses Landes zu bekommen.
Die Aktuelle Stunde ist beendet. – Ich lasse jetzt über die mitberatenen Dringlichkeitsanträge abstimmen: Zunächst lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend „Bundesverkehrswegeplan nachbessern“ auf Drucksache 14/12059 abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Damit ist der Antrag angenommen.
Jetzt lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion betreffend „Bundesverkehrswegeplan 2003; Realistische Grundlage für die Zukunft der Mobilität in Bayern“ auf der Drucksache 14/12064 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU und Herr Kollege Hartenstein. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Der Antrag ist damit abgelehnt.