Protocol of the Session on March 12, 2003

(Widerspruch des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Sie waren es doch, die wirklich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes abgezockt haben. Das muss doch einmal gesagt werden.

(Beifall bei der SPD – Hoderlein (SPD): 17-mal!)

Herr Dinglreiter, es gehört zum Anstand des Parlamentarismus, dass man etwas zugibt. Sie haben 17-mal Steuern erhöht. Wenn Sie vom Zustand 1998 reden, dann sollten Sie darstellen, was Sie übergeben haben. Sie waren es doch, die trotz der massiven Steuererhöhungen 1500 Milliarden DM Schulden hinterlassen haben. Das bedeutet für die Steuerzahler, dass pro Tag 104 Millionen DM an Zinsen zu bezahlen sind. Sie sollten still sein und nicht so vollmundig reden, wie Sie es Tag für Tag tun.

(Zuruf des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU))

Sie sollten endlich bereit sein, konstruktiv mitzuarbeiten.

(Dinglreiter (CSU): Bei welchen konkreten Vorhaben? Das wäre interessant!)

Lieber Herr Kollege Dinglreiter, ich möchte nicht immer wieder betonen, was alles versprochen wurde, was getan werden muss. Sie stellen Vergleiche mit anderen Bundesländern an. Sie sollten zugeben, dass die Deutsche Einheit selbstverständlich Geld gekostet hat. Sie haben vorhin den Rentenbeitrag angesprochen. Der VdK berichtet in seiner jüngsten Ausgabe, vom derzeitigen Rentenbeitrag von 19,5% seien 2% einheitsbedingt. Das ist eine Tatsache. Sie waren es doch, die den Bürgerinnen und Bürgern versprochen haben, dass die Deutsche Einheit aus der Portokasse bezahlt werden kann. Das müssten Sie hier redlicherweise zugeben.

(Beifall bei der SPD)

Diese Versprechungen, die Sie hier dauernd abgegeben haben, waren nicht solide. Was Sie hier machen, ist Parteipolitik, die nicht in Ordnung ist.

(Dinglreiter (CSU): Sie sollten sich mit den Fakten auseinander setzen!)

Wir fordern die CSU auf, hier wirklich mitzuarbeiten. Wo sind denn Ihre Vorschläge? Frau Kollegin Kellner hat es vorhin gesagt: Sie sprechen von Subventionsabbau. Sagen Sie den Bauern und der Wirtschaft, welche Subventionen Sie konkret abbauen wollen. Man hört nichts von Ihnen. Es herrscht Stillschweigen, weil Sie in Ihrer Argumentation herumeiern.

(Dinglreiter (CSU): Wir wollen mehr Arbeitsplätze!)

Im Grunde genommen wissen Sie nicht, was Sie wollen. Sie müssen aber auch den Kommunen sagen, was es bedeutet, wenn die Staatsregierung im Bundesrat dieses Gesetz ablehnt, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern. Wenn Sie das Gesetz ablehnen, dann führt das für die Länder in diesem Jahr zu Mindereinnahmen von 1,524 Milliarden e. Das bedeutet für die Kommunen, dass sie 283 Millionen e weniger haben.

(Widerspruch des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Das bedeutet für das Jahr 2004, dass die Kommunen 1253 Millionen e weniger haben. Das müssen Sie den Kommunen sagen. Sie dürfen nicht auf der einen Seite immer wieder betonen, wie Sie die Kommunen stärken wollen, und ihnen auf der anderen Seite das Geld nicht geben. Für Subventionen gibt es genügend Beispiele.

Es ist viel vom Sanieren gesprochen worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich gehe davon aus – ich sage das jetzt etwas spaßhaft –, dass Sie Erfahrungen mit Sanierungsfällen haben. Es gibt sicherlich viele Beispiele, wo Sie etwas gemacht haben, was Sie hinterher sanieren mussten. Selbstverständlich haben Sie Erfahrungen damit, die LWS zulasten der Steuerzahler

durch Berlin sanieren zu lassen. Sie haben 500 Millionen Mark in den Sand gesetzt. Sie müssen den Deutschen Orden auch zulasten der Kommunen sanieren. Ich denke auch an die Dorfhelferinnen und Kirch.

Herr Finanzminister, warum schreibt denn die Landesbank in der Zwischenzeit keine so guten Zahlen wie früher? – Die vielen Sanierungsfälle hat nicht die Bundesregierung, sondern haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, zu vertreten. Sie müssen zugeben, dass diese Bundesregierung 1998 angetreten ist, um eine gute steuerpolitische Gesamtstrategie vorzulegen.

(Lachen des Abgeordneten Klinger (CSU))

Sie lachen. Sie sollten sich die Zahlen einmal anschauen. Will die CSU keine Senkung des Spitzensteuersatzes? Herr Dinglreiter, ist es nicht richtig, dass Sie, nicht wir, den Spitzensteuersatz bis 1998 auf 53% angehoben haben? – Die Sozialdemokraten in der Bundesregierung senken den Spitzensteuersatz von 53% auf 47% bzw. 42%. Ist das keine gute Entwicklung? – Wir reden ständig von einer Reduzierung des Spitzensteuersatzes. 53% war der Spitzensteuersatz der früheren Bundesregierung, 42% ist der Spitzensteuersatz der SPD. Das ist eine gute Sache.

Das Gleiche gilt für den Körperschaftsteuersatz. Wer hat ihn denn auf 45% hoch geschraubt? Das waren nicht die Sozialdemokraten oder die jetzige Bundesregierung. Das war die Regierung unter Helmut Kohl, in der auch die CSU Verantwortung getragen hat. Die jetzige Bundesregierung senkt den Körperschaftsteuersatz von 45%, den Sie zu verantworten hatten, auf 25%.

Das Gleiche gilt für den Eingangssteuersatz. Er war aufgrund Ihrer ständigen Erhöhungen von 1982 bis 1998 bis auf 25,9% geklettert. Die jetzige Bundesregierung senkt den Eingangssteuersatz von 25,9% auf 15,0%.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist merkwürdig!)

Das sind Fakten. Daran sollten Sie sich endlich einmal orientieren und keine so unmöglichen Anträge wie derzeit stellen.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Fakten zählt auch, dass der Grundfreibetrag von 12300 auf 15000 DM erhöht worden ist. Herr Kollege Dinglreiter, Sie sollten hier sagen, wie die Fakten aussehen, anstatt Märchen zu erzählen. Sie sollten nicht nur das erzählen, was Ihnen gerade ins Konzept passt.

Wir stehen für eine solide Steuerpolitik. Dieses Steuerkonzept bedeutet eine Entlastung um 56 Milliarden e. Wenn die Zahlen nicht stimmen, die ich hier genannt habe, dann stellen Sie sich hierher und sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es ist nicht richtig, was Sie sagen, die CSU hat den Spitzensteuersatz nicht auf 53% angehoben. Wir mussten ihn seit 1998 senken. Sie sind die größte Steuererhöhungspartei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dinglreiter, ich kann es manchmal nicht mehr hören, was Sie hier von sich geben, wenn es um die Ökosteuer geht. Es ist völlig unredlich, was Sie hier sagen. Wenn Sie hierher kämen und sagten, liebe Kolleginnen und Kollegen des Parlaments, auch wir, die CSU, haben zu verantworten, dass die Mineralölsteuer ständig erhöht worden ist, dann wäre das redlich. Auch während Ihrer Amtszeit hat es Probleme gegeben; das gestehe ich zu. Sie werden aber als Politiker dafür bezahlt, dass Sie Probleme lösen.

Nachher wird der Herr Finanzminister hier davon reden, was die Bundesregierung alles falsch macht, bei der Gewerbesteuer usw. Es ist nicht neu, dass Großunternehmen keine Steuern bezahlen. Schon 1997 und 1998 ist darüber hier im Bayerischen Landtag diskutiert worden. Kollege Kamm von den GRÜNEN war es, der hier angesprochen hat, dass Mercedes keine Gewerbesteuer mehr bezahlen muss.

Das war damals bereits, 1998. Das sollten Sie anständigerweise sagen.

Dann sollte auch ein Finanzminister hier sagen, wie er es mit der bayerischen Seenschifffahrt hält. Am Königssee wird ein Plus gemacht, am Ammersee oder Chiemsee wird ein Minus gemacht. Die werden gegenseitig verrechnet. Das war doch schon immer so, meine Damen und Herren, auch in Ihrer Regierungszeit.

Herr Dinglreiter, es wäre anständig, wenn Sie auch sagen würden: Wer hat denn an der Gewerbesteuer geschnipselt? War das zu unserer Zeit? – Das war doch bereits vorher, als die Gewerbekapitalsteuer und verschiedenes andere abgeschafft worden ist. Das sind doch die Probleme, die geschaffen worden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie Ihren Antrag genau lesen, wenn Sie beim Inhalt auch ein bisschen auf die Qualität achten, müssten Sie im Grunde genommen sagen: Diesen Antrag müssen wir zurückziehen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

weil da so viel Schmarrn drinsteht, was unredlich ist.

Es ist vielleicht legitim, dass Sie der Bundesregierung vorwerfen, sie habe Versprechungen gemacht. Ich habe es gestern gesagt. Was hat denn Ihr Kanzlerkandidat in Ruhe oder außer Dienst alles versprochen? – Er hat 1994 den Beamten versprochen: Wenn es dem Staat finanziell ein bisschen besser geht – und die Zeit war danach –, nehme ich die 40-Stunden-Woche zurück. Das hat er nicht gemacht. Oder was hat er im Wahlkampf versprochen? – Lesen Sie genau nach und rechnen Sie nach. 74 Milliarden hat er der Bevölkerung versprochen. Herr Dinglreiter, schütteln Sie nicht mit dem Kopf, sondern sagen Sie: Ja, Herr Strasser, Sie haben Recht. 74 Milliarden sind hochgerechnet worden, die man nicht finanzieren könnte.

Wir, die SPD, fordern Sie auf, im Interesse unseres Landes, im Interesse der Kommunen, der Länder und des Bundes wirklich konstruktiv mitzuarbeiten und nicht einseitig Polemik zu machen. So geht es insgesamt nicht weiter. Es geht hier um unser Land. Wir müssen das Land weiterentwickeln. Es geht um Riesensummen. Die Bundesregierung hat Vorschläge gemacht, die Sie akzeptieren sollten. Die eine oder andere Änderung werden wir im Kompromiss erreichen. Sie sollten keine Blockadehaltung einnehmen, nicht Rechthaberei praktizieren. Es geht darum, unser Land weiterzuentwickeln, auch nach einer schwierigen Phase durch die Deutsche Einheit.

Da Sie immer wieder den europäischen Vergleich anstellen und meinen, die Firmen wandern aus, muss ich sagen: Herr Dinglreiter, Sie sind doch ein alter Hase. Sie sind ein Fachmann in diesem Bereich. Sie wussten doch auch, dass 1994 und 1995 Betriebe ausgewandert sind. Sie wussten, dass viele Firmen damals Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut haben. Das ist doch nichts Neues. Als erfahrener Hase sollten Sie sagen: Damals habe ich versucht mitzuwirken, ich versuche auch heute, das Problem zu lösen. Frankreich, Italien, Spanien oder Portugal mussten keine deutsche Einheit finanzieren. Wir mussten es, und was wir jetzt zum Teil erleben, sind auch Auswirkungen der Deutschen Einheit.

Wir fordern Sie auf, wirklich konstruktiv an diesem Prozess mitzuarbeiten und nicht im Bundesrat alles abzulehnen, sondern selbst Vorschläge einzubringen. Auch Sie tragen Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Als Nächster hat Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Freitagvormittag dieser Woche in Berlin wird besonders spannend. Um 9.00 Uhr wird der Bundeskanzler eine mit großer Spannung erwartete Rede im Bundestag beginnen, eine Ruckrede, eine Rede, die das Wachstum in diesem Land, die Dynamik, die Flexibilität, die Beschäftigung voranbringen soll. Eine halbe Stunde später beginnt der Bundesrat wenige hundert Meter davon entfernt, und im Plenum wird ein Gesetz beraten werden, das nichts anderes zum Inhalt hat als eine Vollbremsung für Wachstum, für Dynamik, für Flexibilität und für Beschäftigung in diesem Land.

(Beifall des Abgeordneten Glück (CSU))

Das ist ein fundamentaler Widerspruch: in dem einen Haus der Versuch, nach vorn zu kommen – wir sind gespannt, was der Bundeskanzler sagen wird –, und in dem anderen ein Gesetz, das das Gegenteil bringen wird, nur bremsen und zurückrudern.

Sie sagen immer, wir würden in diesem Land die Situation schlechtreden. Also die Opposition wäre schuld an den Arbeitslosen draußen, an den Pleite gehenden Firmen, an den Insolvenzen. Vor wenigen Stunden, um

12.42 Uhr, ging eine dpa-Meldung ein, laut der die Wirtschaft, alle Verbände ihrerseits noch einmal zu diesem Gesetz, das im Bundesrat vorliegt, sagen – ich zitiere diesen Satz –:

Durch solche steuerpolitischen Maßnahmen werden die bestehenden ökonomischen Probleme Deutschlands nicht gelöst, sondern verschärft und sogar neue geschaffen.

Das heißt, alle, die in diesem Land betroffen sind, die wissen, worum es geht, sagen, dass das Steuervergünstigungsabbaugesetz, wie es komplizierterweise heißt, nichts anderes bringt als nur negative Folgen für die Wirtschaft.

Herr Strasser, zu Ihrer Aufforderung, konstruktiv im Bundesrat mitzuwirken,