Protocol of the Session on March 12, 2003

(Dinglreiter (CSU): Haben Sie unser Wahlprogramm gelesen?)

Was sagt denn Ihr Kanzlerkandidat der Vergangenheit? – Es sei nicht Sache der Opposition, Konzepte vorzulegen, sondern zu warten, was kommt, um dann – das sagt er nicht – daran „herumzumeckern“. Das ist Ihr Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Schämen Sie sich!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus weiß die CSU noch nicht einmal, was sie will – außer blockieren, blockieren und noch einmal blockieren.

(Dinglreiter (CSU): Wer hat das 400-e-Gesetz durchgesetzt?)

Mit dieser totalen Verweigerungshaltung wird unserem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern ein Bärendienst erwiesen.

(Dr. Wilhelm (CSU): Das ist aber nicht so!)

Nun, Herr Dr. Wilhelm, werde ich Ihnen vorlesen, was am 13.02. dieses Jahres – das ist noch gar nicht lange her – von der CSU beschlossen wurde:

Der Landtag fordert die Staatsregierung auf,...

den Abbau von Subventionen konsequent fortzusetzen,

verstärkt die Ziele der Deregulierung und des Bürokratieabbaus zu verfolgen.

Damit können sowohl Freiräume für unternehmerisches und privates Handeln geschaffen als auch die solide Haushaltspolitik in Bayern unterstützt werden.

Das war Ihr Antrag. Sie reden ständig von Subventionen. Was glauben Sie denn, was Subventionen sind? – Das sind zum einen die Finanzhilfen und zum anderen die Steuervergünstigungen. Die Steuervergünstigungen haben den größten Anteil an den Subventionen. Staatsminister Faltlhauser – an Ihrer Seite sitzend – wird Ihnen

das bestimmt bestätigen. Die Summe der 20 höchsten Steuervergünstigungen – ist gleich Subventionen – nur des Bundes haben im Rechnungsjahr 2002 12,6 Milliarden e betragen. Die Finanzhilfen machen sehr viel weniger aus. Die 20 größten Finanzhilfen des Bundes betragen 7,8 Milliarden e. Wir sind uns also einig, dass Steuervergünstigungen Subventionen im großen Maßstab sind. Sie selbst haben noch am 13. 02. 2003 im Hohen Haus Subventionsabbau gefordert. Heute sagen Sie, dass Sie keine Steuervergünstigungen abbauen wollen. Herr Dinglreiter, was wollen Sie denn nun? – Wollen Sie die Subventionen abbauen oder wollen Sie das nicht?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dinglrei- ter (CSU): Wir wollen Arbeitsplätze schaffen!)

Herr Kollege Dinglreiter, ich verfolge die Debatte nun über einen längeren Zeitraum und weiß genau, was einstmals gewesen ist, als Theo Waigel noch Bundesfinanzminister war. Er hat sich zumindest bemüht, ist aber gescheitert, weil er mit seinem Papier nicht einmal in den Finanzausschuss des Bundestages vordringen konnte. Deshalb hat er die so genannte Bareis-Kommission einberufen, deren Auftrag es unter anderem war, die Abschaffung von Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen zu nennen. Es gibt keine andere Möglichkeit, Subventionen abzubauen, als Steuervergünstigungen zu reduzieren. Das ist Fakt. Nehmen Sie das zur Kenntnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dinglrei- ter (CSU): Fangen Sie bei der Kohle an!)

Ansonsten müssen Sie sich Nachhilfe von den Beamtinnen und Beamten des Finanzministeriums oder vom Minister persönlich geben lassen.

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Schauen wir uns mal an, wie die Diskussion in der Bundesrepublik läuft. Inzwischen hat sich auch die Bundesbank zu Wort gemeldet und Anstöße zur künftigen Steuerpolitik gegeben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Wilhelm (CSU))

Dort steht, dass sämtliche Subventionen geprüft und als ersten Schritt um 10% gekürzt werden sollen oder alternativ die Subventionstatbestände befristet werden sollen. Zur Steuerpolitik wird vorgeschlagen, dass einnahmeerhöhende Maßnahmen durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage die Basis weiterer Tarifsenkungen sein sollten. Die Gegenfinanzierungsvorschläge lauten: Umschichtung von direkten zu indirekten Steuern.

Also Abschaffung – Denkanstöße der Bundesbank, Herr Dinglreiter, extra für die Union gemacht. Die Bundesbank fordert die Abschaffung sämtlicher ermäßigter Sätze bei der Umsatzsteuer. An diesem Punkt können wir weiterdiskutieren. Ich würde nicht so weit gehen wie die Bundesbank, weil es in der Tat für einige wenige Ausnahmen eine Berechtigung für reduzierte Umsatzsteuersätze gibt; ich denke dabei an die Nahrungsmittel. Sie können sich aber hier nicht einfach hinstellen und so tun, als ob alles, was vorgelegt wird, ein kompletter Unsinn

ist, der aus der Luft gegriffen ist. Sie selbst bringen keine Vorschläge und meckern an allem herum. Sie selbst legen hier nichts vor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

In Bezug auf die Körperschaftsteuer haben Sie angekündigt, dass Sie mitmachen.

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Herr Kollege Dinglreiter, bleiben wir doch einmal redlich. Wir haben in der letzten Legislaturperiode über die Körperschaftsteuer diskutiert, und ich habe Ihnen damals bereits gesagt, wir hätten zu diesem Punkt bestimmte differenzierte Vorstellungen. Es ist dann etwas anders gekommen, aber Sie haben auch damals schon versäumt, sich konstruktiv einzubringen, was letztlich zu Ihrer größten Niederlage im Bundesrat geführt hat. Das sollten Sie nicht vergessen.

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Es hat kein Mensch getrickst. Es lagen Vorschläge auf dem Tisch. Sie können nicht verwinden, dass Sie bei der Bundestagswahl letztes Jahr verloren haben. Sie können das ein für alle Mal begraben. Es ist doch eine Schande, wenn eine große Partei wie die CSU ein halbes Jahr nach der Wahl immer noch nicht fähig ist, ordentliche Konzepte vorzulegen, und immer noch rumweint und rumjammert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben gesagt, dass bei der Körperschaftsteuer etwas gemacht wird. Sie haben dabei signalisiert, Sie wollten sich konstruktiv einbringen. Das ist schon mal ein großer Fortschritt. Ich sage Ihnen noch eines: Ich erinnere mich sehr gut – das war unter der Regierungszeit von Kohl und Waigel –, dass der Bundestag beschlossen hat, es sei nicht hinzunehmen, wenn dem Luftverkehr eine derart massive Steuerbefreiung zugebilligt wird. Ich frage Sie, Herr Dinglreiter: Wie wollen Sie diese Tatsache gegenüber den Pendlern rechtfertigen, die Mehrwertsteuer bezahlen müssen, während der Flugverkehr umsatzsteuerbefreit ist? Ich finde, es ist eine richtige Maßnahme, mit den ungerechtfertigten Vorteilen des Flugverkehrs Schluss zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zur Eigenheimzulage: Die Eigenheimzulage wird als größter Subventionsposten – das wissen Sie ganz genau – nicht abgeschafft, sondern zielorientiert umgestaltet. Wir haben eine ökologische Komponente. Sie müssen sehen, dass es Mitnahmeeffekte in beträchtlichem Ausmaß gibt; insofern war hier eine Änderung angesagt. Zum Beispiel ist es auch notwendig, den Kauf von Altbaubeständen zu fördern. Deshalb stehen wir zu dieser Änderung. Sie haben vorhin, Herr Dinglreiter – ich gebe Ihnen heute in keinem Punkt nach –, von Steuervereinfachung gesprochen. Es stimmt, dass das eine Daueraufgabe ist. Seit ich in diesem Hause bin, bekennen sich regelmäßig alle zur Steuervereinfachung. Es

passiert dann meistens das Gegenteil – das gebe ich ehrlicherweise auch zu –, weil hier noch ein Ausnahmetatbestand und dort noch ein Ausnahmetatbestand zugestanden wird. Wenn Sie Steuervereinfachung, Bürokratieabbau etc. wollen, dann müssen Sie die Ausnahmetatbestände auch bei der Mehrwertsteuer auf das unbedingt notwendige Maß reduzieren. Sie dürfen nicht diesen und jenen Lobbyisten Zuckerl zuschmeißen. So kann man keine Steuerpolitik machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun als letztes zur CSU und ihre „ungebrochene“ Subventionsmentalität. Ich zitiere Ihren Kollegen Traublinger, der am 10.02. dieses Jahres auf einer Pressekonferenz bei einer Veranstaltung der Initiative „Aufbruch jetzt“ gesagt hat: Manchmal muss man Geld zum Fenster hinauswerfen, damit es zur Tür wieder hereinkommt. Da muss es Sie nicht wundern – Herr Kollege Traublinger ist sogar im Haushaltsausschuss, auch wenn er da nicht sehr oft anwesend ist –, Herr Kollege Dinglreiter, wenn Bayern bei den Subventionen Spitze ist. Sie sind in der Tat nicht nur Subventionskönige, sondern Subventionskaiser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da in Bayern, Herr Kollege Dinglreiter, sogar noch die Gewichtsfeststellung, Klassifizierung und Qualitätsprüfung von Vieh und Fleisch staatlich gefördert wird, lasse ich mich von Ihnen über Fragen des Subventionsabbaus nicht belehren. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, in diesem Land einfachste Dinge unsubventioniert durchführen zu lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun noch zur Haushaltskonsolidierung: Wir stehen nachdrücklich – das wissen Sie – zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Mit der Steuerreform sind beträchtliche Steuersenkungen einhergegangen. Ich zitiere hier wieder die Bundesbank, weil Sie Äußerungen der Bundesbank vielleicht nicht so anzweifeln wie Äußerungen von mir. Die Bundesbank sagt, aufgrund der Steuerreformen, die Steuersenkungen bewirken, ist ein zusätzlicher Konsolidierungsbedarf von circa 1% notwendig. Das müssen Sie irgendwie bewerkstelligen. Eine andere Möglichkeit läge darin, die Maastricht-Kriterien zu übertreten; wir wollen nicht hoffen, dass die CSU neuerdings dafür ist, dies zu tun.

Nun haben Sie sich noch einen kleinen Seitenhieb – wie könnte es anders sein – auf die Ökosteuer gestattet; so wie es sich für die CSU gehört. Es ist aber hilfreich, wenn man ein gutes Gedächtnis hat. Ich weiß genau: Vor der Bundestagswahl wurde Ihr Kanzlerkandidat, der Bayerische Ministerpräsident Stoiber, gefragt, wie es denn mit der ökologischen Steuerreform wäre. Dann hat er gesagt: Was bisher gelaufen ist, wird nicht zurückgenommen. Er hat dies getan, weil er die Einnahmen aus der Ökosteuer gebraucht hätte – ebenso wie wir auch –, um überhaupt einigermaßen die Finanzierung der Rentenversicherung hinzubekommen.

(Dinglreiter (CSU): Er hätte aber die Erhöhung nicht gemacht!)

Hätte, hätte, hätte! Immer dieser Konjunktiv. Wissen Sie, der Konjunktiv ist für mich nicht so interessant wie die Gegenwart und der Status quo.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb, Herr Kollege Dinglreiter, ist es unredlich, wenn Sie auf die Ökosteuer einhauen in dem Wissen, dass Sie selbst, wenn Sie je die Gelegenheit gehabt hätten, Regierungsverantwortung zu übernehmen, keine Änderungen durchgeführt hätten. Ich fordere Sie auf, redlich zu diskutieren. Ihr Verhalten hilft niemandem weiter. Ich sage Ihnen auch: Die Leute haben Ihr Theater, das Sie Tag für Tag hier im Hause und draußen in den Kommunen versuchen fortzuführen, gründlich satt. Das Theater, das Sie aufführen nach dem Motto: „Alles, was die Bundesregierung macht, ist schlecht, wir blockieren, legen aber selber nichts vor, sollen doch die anderen vorangehen“ ist einer großen Oppositionspartei unwürdig. Machen Sie Ihre Hausaufgaben, legen Sie Konzepte vor, und dann müssen wir Punkt für Punkt darüber diskutieren. Mir geht es nicht um Rechthaberei, sondern um Lösungsansätze. Ihnen geht es nicht um Lösungen, sondern um kleinliche Meckereien. Schämen Sie sich dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Strasser.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir erwarten von der CSU und der Bayerischen Staatsregierung, dass sie sich konstruktiv an den Reformbemühungen um die Modernisierung unseres Landes beteiligen. Sie blockieren aber nur.

Lieber Kollege Dinglreiter, eigentlich bin ich enttäuscht von Ihnen, ich hätte erwartet, dass Sie etwas kompetenter sind, dass Sie genau wissen, wovon Sie reden, und sich erinnern können. Es geht nicht, dass man sich hierher stellt und immer davon redet, Steuererhöhungen usw. müssen abgelehnt werden. Sie waren es doch, die von 1982 bis 1998 die höchsten und häufigsten Steuererhöhungen durchgeführt haben.

(Widerspruch des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))