Protocol of the Session on March 11, 2003

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ganz gleich, welche Motive auch vorliegen, mit ihrem sehr rücksichtsvollen Verhalten im Haushaltsausschuss hat die CSU zumindest in diesen fünf Fällen, wo sehr schwerwiegende Versäumnisse der Staatsregierung bezüglich einer ordentlichen Haushalts- und Wirtschaftsführung vorliegen, ihre Kontrollfunktion vernachlässigt, und zwar aus parteipolitischen und damit aus opportunistischen Gründen. Wir Sozialdemokraten fordern Sie auf, Ihr Verhalten heute im Parlament zu korrigieren. Die

Möglichkeit dazu bieten wir Ihnen mit unserem Änderungsantrag.

Ich will im Einzelnen auf diese fünf Beispiele eingehen und damit unseren Änderungsantrag begründen.

Erstens: Bei der Textnummer 19 müssen wir leider zur Kenntnis nehmen, dass die Staatsregierung in der Siedlungspolitik erneut eine für den Steuerzahler sehr teure Fehlleistung vollbracht hat. So wurde beim Sonderprogramm Siedlungsmodelle Bayern von 1995 weder das ökologische noch das soziale noch das wirtschaftliche Ziel erreicht. Das Modellvorhaben wurde völlig am Markt vorbei betrieben, und das obwohl es mit insgesamt 314 Millionen e dotiert war. Das Projektergebnis ist ein einziges Desaster, das an die LWS-Pleite erinnert. Die Fördermittel wurden zu 93% verbraten, das Förderziel wurde nur zu 21% erreicht. Bei 314 Millionen e Einsatz bedeutet das, rund 240 Millionen e wurden vergeigt. Deswegen ist der Vergleich mit der LWS leider angemessen, auch wenn es Ihnen wehtut.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Unser Urteil: Wir haben es mit einem Wiederholungstäter zu tun. Siedlungspolitik kann diese Staatsregierung nicht, und deswegen führt kein Weg an einer Missbilligung vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens Textnummer 22, ein besonderes Highlight bayerischer Subventionspolitik. Im Rahmen der Medienoffensive wurde auf dem Gelände der Bavaria Film eine 6,9 Millionen e teuere Filmhalle errichtet. So weit, so gut. Die Bavaria, ein pumperlgesundes Unternehmen, hätte diese Investition aus eigener Tasche finanzieren können, und zwar aus dem Geschäftsergebnis eines einzigen Jahres. Dieser Einschätzung wurde bei der Diskussion im Haushaltsausschuss auch nicht aus den Reihen der CSU widersprochen. Deshalb ist es ein Skandal, dass diese Filmhalle zu 100% aus staatlichen Mitteln finanziert wurde, also eine 100-%-Subventionierung für ein leistungsstarkes und ertragsstarkes Unternehmen. Wir erwarten, dass die Staatsregierung spätestens heute offen legt, welche Gründe für diese außerordentliche Spritze an Vitamin B maßgeblich waren. Ich stelle die Frage: Wer wurde von wem wie geschmiert, um ohne Bewilligungsverfahren, ohne Antragsverfahren, ohne Verwendungsnachweis, also per freihändiger Vergabe – und das heißt nach gesundem Menschenverstand wie geschmiert – eine 100-%-Förderung zu erhalten? Hier ist Aufklärung und eine Missbilligung nötig.

(Beifall bei der SPD)

Zum Ausgleich des erheblichen Gefälles bei der Wirtschaftsentwicklung in den Regionen Bayerns schlägt McKinsey die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen, zum Beispiel in Oberfranken, vor. Aber mit dieser schamlosen 100-%-Subventionierung von 6,9 Millionen e in der Sonderwirtschaftszone München-Geiselgasteig zugunsten der Bavaria Film hätte man in Oberfranken, in der Oberpfalz und natürlich auch in Unterfranken,

Herr Kollege Ach, richtig Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung betreiben können.

(Beifall bei der SPD)

Drittens: Bei Textnummer 31 haben wir es erneut mit verfehlter Siedlungspolitik zu tun. Der Freistaat hält an der Bayerischen Landessiedlung GmbH immer noch eine Mehrheitsbeteiligung, obwohl sie sich in den Schwerpunkten ihrer Geschäftstätigkeit von ihrem eigentlichen Satzungszweck längst entfernt hat und somit das Beteiligungsinteresse entfallen ist.

Da gab es zwischen 1995 und 2000 für 5100 betreute Förderfälle – überwiegend Althofsanierungen – 36 Millionen e Zuschüsse. Jedes Mal – das muss einen aufhorchen lassen – wurde der Höchstsatz von 7400 e je Förderfall an die Betreuungsgesellschaft ausbezahlt. Das bedeutet, dass durchschnittlich je Förderfall 130 Stunden, also rund drei Wochen für Betreuung und Beratung beansprucht wurden. Ein krasses Missverhältnis zu den tatsächlich erbrachten Leistungen.

Wir seitens der SPD haben mehr und mehr den Eindruck, dass es sich bei der Bayerischen Landessiedlungs GmbH mittlerweile eher um eine bayerische Landesversorgungs GmbH für noch nicht altenteilwillige CSU-Auslaufmodelle handelt.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Wie anders lässt es sich sonst erklären, dass dieses Unternehmen noch immer im Staatsbesitz gehalten wird, wo doch von dieser Staatsregierung schon Gott und die Welt privatisiert wurden. Und wie lässt es sich sonst erklären, dass zwei neue Geschäftsführer bestellt wurden, ohne dass hierfür eine Ausschreibung stattgefunden hat? Der Fall schreit geradezu nach einer Missbilligung, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen der CSU. Ihr Mut und Ihre Courage sind auch hier gefragt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Ich komme zur Textnummer 33. Ein Hightech-Schmankerl im Gesundheitswesen sollte es werden. Ein international erfolgreich operierender Medienkonzern, ebenfalls ertragsstark und mit erheblicher Finanzkraft ausgestattet, baute einen Gesundheitsinformationsdienst auf. In der einjährigen Aufbauphase wurden die Investitionskosten wiederum zu 100% vom Freistaat ersetzt. Die Bavaria Film ist also bei weitem kein Einzelfall gewesen.

Hier war es nun so, dass nur wenige Monate nach dem Auslaufen der Förderung dieser Online-Dienst und damit natürlich auch das bei ihm entwickelte Know-how – er war mittlerweile Marktführer der Online-Dienste für Ärzte und Apotheker – nach Berlin abwanderte.

Ergebnis: Arbeitsplätze weg, Know-how weg, Geld weg.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Subventionen sind grundsätzlich kein Teufelszeug, sie sind vielmehr bei richtiger Anwendung ein ordnungspolitisches Steue

rungsinstrument, insbesondere wenn es gilt, unannehmbare soziale und wirtschaftliche Nachteile zu mildern. Davon kann man aber in diesem Fall – es ging hier um Burda – genauso wenig reden wie bei der Bavaria Film, und zwar auch dann nicht, wenn diese Staatsregierung die Offensive Zukunft Bayern als Synonym für Offensive Zukunft Burda und Offensive Zukunft Bavaria Film verwendet.

Fünftens will ich noch einen Fall aus dem Hightech-Bereich ansprechen, mit dem die Staatsregierung mehr versprochen hat als gehalten wurde. Ich meine die Textnummer 44, Initiative Bayern online. In diese hat die Staatsregierung 76 Millionen e aus Privatisierungserlösen und weitere 100 Millionen e aus allgemeinen Haushaltsmitteln gesteckt. Trotz dieses enormen Aufwandes wurden wesentliche Projektziele nicht erreicht. Hier wurde mehr versprochen als gehalten werden konnte. Und zwar deshalb, weil es nicht gelungen ist, mit diesem Behördennetz ein einheitliches Datennetz für sämtliche Behörden des Freistaats Bayern zu schaffen. Denn wichtige Fachnetze wie das der Polizei und der Steuerverwaltung sind weiterhin nicht in dieses Behördennetz integriert. Jetzt hat man ein Netz mit weiten Maschen und großen Lücken bei wenig Effizienz und wenig Synergie.

Damit aber nicht genug. Bei der Auftragsvergabe an den Betreiber – auch das kommt uns bekannt vor – wurde nach unserer Überzeugung in erheblichem Umfang gegen das Vergabe- und Haushaltsrecht verstoßen. Denn ohne dass der Markt nach potenziellen Anbietern ernsthaft erkundet wurde, wurde auch dieser Auftrag ohne Ausschreibung vergeben.

Fazit: In der Hightech-Politik hat diese Staatsregierung die gleiche Bilanz wie in der Siedlungspolitik: eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Es mangelt an der zentralen Steuerung, an politischem Management. Kurzum: Sie können es nicht.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

Und deshalb ist auch für diese mangelhafte Regierungsarbeit eine Missbilligung durch das Parlament die einzig angemessene Reaktion, Herr Vorsitzender des Ausschusses.

(Beifall bei der SPD – Ach (CSU): Aber nur aus Ihrer Sicht als Betrachter!)

Missbilligungen sind die einzig angemessene Reaktion auf diese Fehlleistung in der Regierungsarbeit. Die Verstöße dieser Staatsregierung gegen eine ordnungsgemäße Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2000 sind – wie ich an diesen fünf Beispielen dargelegt habe – so gravierend, dass die Missbilligung des jeweiligen Sachverhaltes gemäß Artikel 114 Absatz 5 Bayerischer Haushaltsordnung durch den Bayerischen Landtag angemessen und notwendig ist. Wir Sozialdemokraten können und werden dieser Staatsregierung die Entlastung nicht erteilen, weil der ORH-Bericht nur die Spitze des Eisberges an verfehlter Regierungsarbeit zeigt und zeigen kann.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden aber dem Antrag des Obersten Rechnungshofs auf Entlastung aufgrund des Beitrages zur Haushaltsrechnung 2002 für den Einzelplan 11 nach Punktes 3 der Tagesordnung unsere Zustimmung erteilen. Der Oberste Rechnungshof und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter haben wieder eine gute, wenn auch nicht immer leichte Arbeit geleistet. Dafür möchte ich im Namen der SPD-Fraktion allen Beteiligten unser Dank, unseren Respekt und unsere Anerkennung aussprechen.

Ich will aber gleichzeitig an den Obersten Rechnungshof eine Bitte und Anregung für die zukünftige Arbeit richten. Wir Sozialdemokraten haben Verständnis dafür, dass zur Wahrung des Datenschutzes eine Anonymisierung der Aussagen und der Sachverhalte in den Jahresberichten, und wenn es sein muss auch in den Sonderberichten, vorzunehmen ist. Wir meinen aber auch, dass in einigen Fällen durchaus weniger Anonymisierung und damit mehr Transparenz geboten ist. Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen.

Bei der Textnummer 18 zur Organisation der Polizeiinspektionen hat der ORH Anregungen für eine Veränderung der Dienststellenstruktur gegeben. Die Folgewirkungen der vorgeschlagenen Veränderungen lassen sich aber nicht abwägen und nicht bewerten, wenn nicht die Anonymisierung aufgehoben wird, das heißt, wenn nicht konkret ersichtlich wird, welche Polizeiinspektionen, Polizeistationen oder Polizeiwachen aufgelöst bzw. umgewandelt werden sollen. Wir fordern deshalb als Parlamentarier von der Staatsregierung ergänzende Informationen im Interesse der inneren Sicherheit.

(Beifall bei der SPD)

Ähnliches gilt für die Textnummer 34, Förderung von Freibädern. Auch hier müsste Ross und Reiter genannt werden, um sich ein klares Bild machen zu können. Bild machen heißt nämlich auch darzulegen, in welchem Falle Bäder gefördert worden sind, ohne dass die Fördervoraussetzungen existierten, während woanders für dringende Sanierungstatbestände wie zum Beispiel beim Lehrschwimmbecken in Rimpar im Landkreis Würzburg kein Geld da ist, wie Sie vielleicht wissen, Herr Kollege Ach.

(Ach (CSU): Ihre 15 Minuten Redezeit sind um!)

Ich bitte also darum, dem Gebot der Transparenz bei den künftigen Berichten so weit wie möglich Rechnung zu tragen, nicht zur Befriedigung der Neugierde, sondern im Interesse einer geordneten und sparsamen Haushaltsführung.

(Beifall bei der SPD – Ach (CSU): Das waren sehr lange 15 Minuten, Herr Präsident!)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Dr. Bernhard. Meine Damen und Herren, ich weise schon jetzt darauf hin, dass wir auf Antrag der

CSU eine namentliche Abstimmung bekommen werden. Die Details werden wir gleich noch abklären.

(Zurufe und Heiterkeit bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bericht des Obersten Rechnungshofs hat zwei Teile. Er hat einen allgemeinen Teil und er hat einen Teil, in dem die besonderen Prüfungsbemerkungen enthalten sind. Es ist schon erstaunlich, dass der Kollege von der SPD über den allgemeinen Teil überhaupt nicht gesprochen hat. Ich will das auf alle Fälle tun, bevor ich dann auf Ihre Gravamina eingehe, Herr Kollege.

Im allgemeinen Teil wird der Staatsregierung eine hervorragende Haushalts- und Wirtschaftsführung bestätigt, eine seriöse und vorbildliche Finanzpolitik. Und wenn wir die haushaltswirtschaftlichen Quoten, an denen wir das immer festmachen, näher ansehen, stellen wir fest, dass Bayern mit einer einzigen Ausnahme weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Da wird uns also ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Was die Personalquote anlangt, die Sie immer wieder kritisieren und die auch wir kritisieren, muss man der Ehrlichkeit halber hinzufügen, dass wir auf der einen Seite eine Menge Planstellen abgebaut haben. Auf der anderen Seite waren wir aber durch die Entwicklung in verschiedenen Bereichen gezwungen – zum Teil wollten wir es auch wie z.B. im Bildungsbereich –, Tausende von neuen Planstellen zu schaffen. Das sollte man dann auch nicht kritisieren, wenngleich wir insgesamt natürlich sehen müssen – wir haben ja vorhin über den öffentlichen Dienst diskutiert –, dass wir gewisse Strukturen in der Zukunft verändern müssen, da wir mit linearen Personaleinsparungsaktionen in vielen Bereichen nicht mehr weiterkommen werden.

Sie haben auch verschwiegen, dass wir im Jahr 2000 einen sehr positiven Finanzierungssaldo hatten und dass wir als einziges Land Nettoschulden in erheblichem Umfang getilgt haben. Auch das ist, glaube ich, vorbildlich. Das alles haben Sie nicht erwähnt. Unsere Kreditmarktschulden pendeln seit 1997 zwischen 35 Milliarden und 36 Milliarden DM. Das heißt, wir haben sie in den letzten Jahren relativ gut stabilisiert. Wir werden auch trotz der schwierigen Situation, die wir aufgrund der Politik haben, die Sie machen, an dem Ziel festhalten, bis zum Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt zu realisieren. Meine Damen und Herren, dazu helfen uns nicht neue Schulden, wie sie jetzt leider in praktisch allen Ländern gemacht werden. Was wir brauchen, sind dringend notwendige Strukturreformen, um wieder mehr Wachstum zu schaffen, um wieder mehr Spielraum zu bekommen und um wieder mehr Steuereinnahmen zu generieren.

Leider ist es so, dass es seit dem Jahr 2000, das ich erwähnt habe, abwärts geht. Sie vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben den schönen Wahlslogan gehabt, den man durchaus auch auf die SPD ausweiten kann – man kann sagen: Rot-Grün wirkt, aber leider verheerend.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wachstumsschwäche, Konsumschwäche, Investitionsschwäche und all die Dinge, mit denen wir uns herumschlagen, schlagen natürlich jetzt leider auch auf Bayern durch. Kurt Faltlhauser hat das letzte Mal berichtet, dass die Steuereinnahmen im Februar um 12% hinter den Planungen zurückgeblieben sind. Das ist katastrophal. Ich hoffe, Sie besinnen sich in der Berlin alsbald, um dort das Notwendige zu tun.

Ich will auf die Themen und auf die Ursachen gar nicht eingehen, die uns diese miserable Lage beschert haben. Ich will nur sagen, dass wir in Bayern trotz der schwierigen Finanzsituation, die Sie uns bescheren, in den letzten Jahren immer noch zu wichtigen politischen Schwerpunktsetzungen in der Lage waren, siehe zum Beispiel Bildungspolitik, Verbraucherschutz und andere Themen. Andere Länder können das überhaupt nicht mehr leisten.

Jetzt einige Bemerkungen zu den von Ihnen konkret angesprochenen Einzelfällen. Es liegt überhaupt nicht an dem Mut, den wir nicht hätten – den haben wir früher auch gehabt, wenn wir das für notwendig gehalten haben –; denn selbst der Rechnungshof, Herr Kollege Hartmann, hat es in keinem einzigen Fall, den Sie angeführt haben, für notwendig gehalten, der Staatsregierung die Missbilligung auszusprechen. Wir sind derselben Meinung. Sie haben hier also eine etwas abseitige Meinung, was die Bewertung dieser Vorgänge angeht. Es ist auch nicht so, dass wir das, was Sie angesprochen haben, nun völlig kritiklos verteidigt hätten.