Protocol of the Session on January 29, 2003

Die Fakten zu den Investitionen sind ebenfalls anzuführen. Es handelt sich hier nicht um eine kurzfristige Entwicklung, die jetzt aufgrund der SPD-Regierung in Berlin eingetreten wäre. Sondern Fakt ist ganz einfach, dass die Investitionen der Kommunen seit zehn Jahren kontinuierlich zurückgehen. Wir haben heute eine um 30% geringere Investitionsquote als im Jahre 1992. Schon deshalb kann man es nicht als eine kurzfristige Entwicklung bezeichnen.

Ministerpräsident Stoiber hat heute auf Berlin gedeutet, was die Ziele der kommunalen Finanzreform betrifft. Aber er hat vergessen, dass dann, wenn er mit einem Finger auf etwas weist – das ist eine altbekannte Tatsache –, drei Finger auf ihn zurückweisen. Tatsache ist, dass in Bayern seit Jahren eine kommunale Finanzre

form angekündigt ist, dass aber seit Jahren nichts geschieht.

Die Kommunen werden seit Jahren vertröstet und zusätzlich belastet. Der Gipfel der Ausführungen von Ministerpräsident Stoiber heute Vormittag war die Aussage, die kommunalen Finanzen seien kein großes Thema. Das leite er daraus ab, dass in den Talkrunden, die er bestritten habe und die er verfolge, niemals dieses Thema angesprochen worden sei.

Für mich ist das ein eindeutiger Beweis dafür, dass er in der Wirklichkeit Bayerns noch lange nicht wieder angekommen ist und die landespolitischen Probleme überhaupt nicht realisiert hat. Sonst könnte er eine solche Aussage nicht machen, nachdem wir seit Jahren darum kämpfen, hier eine Verbesserung stattfinden zu lassen.

Vor 30 oder 35 Jahren ist die letzte kommunale Finanzreform durchgeführt worden. Es ist klar, dass dann in den ersten zehn bis 15 Jahren der Handlungsbedarf relativ gering war. In den letzten 20 Jahren hat aber 16 Jahre lang die CSU regiert und auf diesem Gebiet nichts zustande gebracht. Sie hat nichts auf den Weg gebracht, nicht einmal die Vorarbeiten dazu geleistet. Deshalb ist es nicht angebracht, mit dem Finger nach Berlin zu weisen.

Meine Redezeit geht zu Ende, deshalb kurz noch zum Gesetzentwurf ein Wort. Aus meiner Sicht ist dieser Entwurf Steine statt Brot für die Kommunen. Mit einer solchen Novellierung weckt man Hoffnungen und Erwartungen, die man nicht erfüllen kann. Deshalb glaube ich, dass eine solche Öffnung für alle Bagatellsteuern nicht infrage kommt, weil sie nicht die Lösung der Probleme bringt.

Im Übrigen sehe ich auch bestimmte Risiken, dass nämlich die Aufsichtsbehörden, die die kommunalen Haushalte zu genehmigen haben, dann die Möglichkeit haben, darauf hinzuweisen, dass die eigenen Einnahmemöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft seien und dass die Kommunen zunächst selbst noch tätig werden sollten, bevor eine Zustimmung zu weiteren Kreditaufnahmen oder ähnlichem gegeben wird.

Herr Kollege, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen. Sie haben die Redezeit schon um eine Minute überzogen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Wir werden einer Gesetzesänderung zwar grundsätzlich zustimmen, aber nicht in der vorgelegten Form. Ich behalte mir den Hinweis vor, dass die SPD einen eigenen Änderungsentwurf einbringt, und zwar in der Form, dass die Zweitwohnungssteuer, die ebenfalls genannt wurde, neu mit eingebracht wird. Es kann aber keine völlige Öffnung geben.

(Beifall bei der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Ettengruber das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn von den GRÜNEN hier plötzlich das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen entdeckt wird, freue ich mich darüber.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind nämlich leidenschaftliche Befürworter des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Das aber jetzt an diesem Gesetzentwurf aufzuhängen, ist sicherlich der falsche Weg. Herr Kollege Boutter, natürlich sind die Kommunalfinanzen ein Thema, aber es ist in erster Linie ein Bundesthema. Denn die Misere wird in Berlin verschuldet.

(Boutter (SPD): Ach was! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fragen Sie doch Ihre Kämmerer, was die mit der Grundsicherung tun und was es mit der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage auf sich hat. Da liegt doch der Teufel im Detail.

(Anhaltende Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Seit dem 21. September hören wir aus Berlin nichts anderes mehr als Überlegungen, wie man den Bürgern mehr Geld aus der Tasche zieht.

(Lebhafte Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn man nun den Herrn Müntefering hört, wie er sagt, man soll dem Staat mehr geben und der Bürger solle weniger ausgeben, dann ist das der Gipfel. Der Bürger fühlt sich abgezockt; diese rot-grüne Steuerkrake nimmt ihm die Luft zum Atmen.

(Unruhe und anhaltende Zurufe)

Als die Arbeitnehmer jetzt im Januar ihre Gehalts- und Lohnzettel erhalten haben, sind alle erschrocken. In der AZ ist ganz hervorragend dargelegt worden, wie die Bürger abgezockt werden. Und jetzt kommen Sie daher und wollen, dass die Kommunen auch noch weitere Steuern eintreiben. Das ist in einer Situation, in der die Wirtschaft stagniert und in der die Wachstumsprognosen wiederum zurückgeführt werden müssen auf 1% die falsche Lösung.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Und von Ihnen werden keine neuen Steuern gefordert?)

Es geht um die Existenz der Kommunen. Heute schon ist doch in den Zeitungen zu lesen, dass manche Gemeinden daran denken, sich aufzulösen und mit anderen Gemeinden zusammenzuschließen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch vernünftig! Da tut sich endlich etwas!)

Und da kommen Sie daher und meinen, mit der Vergnügungssteuer die Kommunen retten zu können. Das ist blanker Unsinn.

(Beifall bei der CSU)

Das birgt einen neuen Verwaltungsaufwand, es sind neue Steuern, aber es ist keine Lösung der Finanzmisere bei den Kommunen. Sie werden doch wirklich nicht glauben wollen, dass Sie mit der Speiseeissteuer die Situation retten können.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Gemeindefinanzreform. Das ist unser Thema.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen eine umfassende Gemeindefinanzreform, die die Kommunen in die Lage versetzt zu planen und ihre Aufgaben langfristig zu erledigen. Das ist das Thema. Wir sind durchaus dafür, über Möglichkeiten des kommunalen Steuerfindungsrechtes zu reden. Aber das kann doch nicht so kurz gedacht geschehen, sondern es muss im Zusammenhang mit einer Gemeindefinanzreform stattfinden. Und in diesem Zusammenhang kann man dann auch über solche Dinge reden. Darüber werden wir sicherlich in den Ausschüssen zu diskutieren haben.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Ettengruber. Jetzt hat Frau Kollegin Tausendfreund das Wort.

Herr Kollege Ettengruber, ich habe ausführlich dargelegt, dass es uns mit diesem Gesetzentwurf nicht um neue Finanzierungsquellen und die finanzielle Rettung der Gemeinden geht, sondern um die kommunale Selbstverwaltung. Die Gemeinden sollen eben selbst darüber entscheiden und es soll keinen staatlichen Dirigismus mehr geben, mit dem die Steuerfindung von vornherein ausgeschlossen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einig sind wir uns bei der Forderung nach einer umfassenden Gemeindefinanzreform. Das ist unsere Forderung. Und das schieben wir in Berlin auch kräftig an. Hier in Bayern könnten Sie dafür sorgen, dass die Kommunen nicht in die Finanznöte geraten, in der sie sich jetzt befinden. Gerade die vielen Leistungsgesetze im Rahmen der Bildungs- und Schulgesetzgebung, die in der letzten Zeit verabschiedet worden sind, haben den Kommunen deutliche Kostensteigerungen gebracht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber haben wir in diesem Hohen Hause schon oft diskutiert. Da hätten Sie zeigen können, dass Sie zu den Gemeinden stehen und sich um die Finanzierungsmöglichkeiten kümmern. Aber Sie haben es nicht getan. Uns geht es jetzt darum, dass Konnexitätsprinzip einzuführen und umzusetzen. Da werden wir sehen, ob wir inhaltlich zusammenkommen können.

Und jetzt zum Kollegen Boutter eine Anmerkung. Sie haben gesagt, Sie behielten sich einen eigenen Gesetz

entwurf oder Änderungsanträge vor. Ich darf daran erinnern, dass Sie bereits im November einen solchen Gesetzentwurf eingebracht haben, in dem Sie sich aber darauf beschränkten, das Verbot der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aufzuheben.

(Zuruf von der SPD: Kein Gesetzentwurf, sondern ein Antrag!)

Sie haben das im November so gefordert.

Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass bereits im Jahre 1998, also in der letzten Legislaturperiode ein Gesetzentwurf von Ihnen mit der Forderung auf den Tisch kam, das Verbot komplett aufzuheben, genauso wie wir es jetzt beantragen. Vielleicht lohnt es sich, einmal die alten Protokolle nachzulesen. Da haben Sie jedenfalls genau das gefordert, was wir heute erneut einbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit federführend zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Es ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 7 b

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Gesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft (Druck- sache 14/11229)

Erste Lesung –