Wir heißen das in Nordrhein-Westfalen nicht richtig, aber wir heißen es auch in Bayern nicht richtig. Ihre Politik nennt sich christlich-sozial; dies aber ist schlicht und ergreifend nicht christlich-sozial.
Herr Kaul, mit Ihnen trete ich nicht in einen Dialog, nachdem Sie mich an dieser Stelle einen akademischen Schwachkopf genannt haben.
Sie jammern einerseits, dass es keine Auslastung in Augsburg gibt, und auf der anderen Seite wird gleichzeitig der nächste Antrag über einen Regionalverkehrsflughafen im Allgäu, Memmingerberg, vorgelegt. Das passt nicht zusammen. Sie gehen hier äußerst leichtfertig mit den Geldern der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um. Sie gehen äußerst leichtfertig um mit dem Schicksal von Menschen und mit unserer Natur. Zum Begriff Nachhaltigkeit kann man mit Sicherheit nur feststellen: Unser Boden soll nachhaltig versiegelt werden.
Damit bin ich bei einem weiteren Anliegen, das wir ebenfalls thematisiert haben. Es geht um die Großmärkte auf der grünen Wiese. Mit der Teilfortschreibung, die Bestandteil der Gesamtfortschreibung ist, wird den Großmärkten auf der grünen Wiese – ich rede hier nicht nur von Outlet Factories – Tür und Tor geöffnet. Da ist die Abkehr von der Vorgabe städtebaulich integrierter Lagen, da sind die erweiterten Abschöpfungsquoten. Dies bitten wir zu heilen. Deshalb bitten wir: Stimmen Sie auch diesem unseren Antrag zu wie auch den anderen eben genannten Anträgen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme auf das Leitmotiv des Landesentwicklungsprogramms, auf die oberste Maxime zu sprechen, wie es der Herr Minister genannt hat, nämlich „gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in Bayern“ zu schaffen. Ich habe neulich in der „Abendzeitung“ eine ganz tolle Meldung gesehen, sodass ich mir in Nürnberg gleich die Zeitung gekauft habe. Da gab es die Überschrift „Interne Studie der CSU behauptet: Franken sind die Deppen Bayerns.“
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sind Sie da sicher? – Willi Müller (CSU): Das ist aber kein Gesetzblatt! – Heiterkeit und weitere Zurufe)
Bayerns Innenminister Beckstein ist empört. Die Staatskanzlei stellt uns Franken als Deppen hin. Was ihn so aufregt, ist eine von Ministerpräsident Stoiber vorgetragene diskriminierende Untersuchung im Auftrag der CSU.
Meine Damen und Herren, ob das jetzt ein Schmarrn ist oder ob es stimmt, das mag dahingestellt bleiben.
Ich untersuche das nicht, aber ich möchte in meinem kurzen Beitrag den Beweis antreten, dass diese Behauptung zumindest zum Teil stimmt.
(Dr. Bernhard (CSU): Das ist aber inkonsequent! – Willi Müller (CSU): Diese Argumentation ist typisch für die SPD!)
Das Leitmotiv des Landesentwicklungsprogramms ist die Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen zugunsten der strukturschwachen ländlichen Räume. Und wörtlich heißt es dazu – ich zitiere aus dem LEP – :
Ein zwischen den einzelnen Landesteilen noch bestehendes Gefälle in den Lebens- und Arbeitsbedingungen sollte abgebaut werden.
Allein in diesem Satz kommt also zum Ausdruck, dass ein Gefälle besteht. Das wird von einigen hier im Hohen Haus, die die Verhältnisse vor Ort nicht kennen, bestritten. Die Forderung, bestehende Disparitäten abzuschaffen, ist übrigens uralt und nicht erst eine Erfindung dieses Landesentwicklungsprogramms. Immer wenn wieder Wahlkämpfe anstehen, wird von der Münchner Staatskanzlei in großen Tönen verkündet – das hören sogar wir Deppen in Franken –,
dass etwas unternommen wird. Dann bricht regelmäßig eine Karawane in Richtung Norden auf, angeführt vom bayerischen Kini, und verspricht den armen Verwandten im Norden Wohltaten.
Schauen wir uns aber einmal genauer an, was diese Versprechen wert sind bzw. wert waren. Monat für Monat
bekommen wir vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie den so genannten Konjunkturbericht. Dieser ist uns allen bekannt. In ihm sind immer die Arbeitslosenquoten der bayerischen Arbeitsamtsbezirke farblich dargestellt, das heißt, eigentlich schwarz-weiß. Je dunkler, desto höher ist die Arbeitslosenquote.
Meine Damen und Herren, in den gut vier Jahre, die ich jetzt im Landtag Mitglied bin, habe ich keinen einzigen Konjunkturbericht gesehen – da können Sie ruhig lachen, Herr Müller, das ist so –, für den nicht gilt: je nördlicher desto dunkler.
Das heißt, je nördlicher und östlicher wir kommen, desto höher ist die Arbeitslosenzahl. Ich möchte das am Beispiel des letzten Konjunkturberichts vom Dezember darstellen. Im Süden: Freising 3,6%, München 5,3%, Weilheim 4,3%, und im Norden: Bayreuth 8,6%, Coburg 8,7%, Hof 10,8%.
Herr Schnappauf, wenn Sie sagen, im Vergleich seien wir noch ganz gut, möchte ich Ihnen Folgendes entgegenhalten: Schauen wir uns einmal die Vergleichszahlen Bundesrepublik West an.
Wir haben als Vergleichszahl im Dezember 7,8%. Das heißt, die drei von mir genannten Arbeitsamtsbezirke im Norden liegen über dem Bundesdurchschnitt West.
Das muss man sich einmal vorstellen, meine Damen und Herren. Solche Momentaufnahmen sind allerdings nicht die ganze Wahrheit. Man muss sich auch die längerfristigen Entwicklungen ansehen. Ich denke da an das Bruttoinlandsprodukt Bayerns in den letzten zehn Jahren. Das ist eine verlässliche Zahl, die einen längeren Zeitraum dokumentiert.
In den sieben Regierungsbezirken verzeichnete Oberbayern in diesem Zeitraum 44% und damit das größte Wachstum. Das schwächste Wachstum erzielte Oberfranken mit 26%, und auch Mittel- und Unterfranken lagen mit 34% unter dem bayerischen Durchschnitt.