Protocol of the Session on November 13, 2002

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wahnschaffe (SPD): Alles Schall und Rauch!)

Das sind die Leute, die sich hier hinstellen und erzählen, dass die Deckungsvorschläge fehlen. Das ist dreist, das ist lächerlich.

Kollege Kobler, Sie sprechen von Peanuts im Zusammenhang mit den 20000 Euro für Mütterzentren und Ähnliches. An 50000 Mark ist in diesem Jahr die Weiterführung dieses Netzwerks gescheitert. Davon waren 92 Stellen betroffen. Wie können Sie da von Peanuts sprechen?

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wahnschaffe (SPD): Zynismus ist das!)

Frau Stewens, Sie können mich nachher korrigieren; so ist es aber. Ich habe die Unterlagen da. Wir können nachher noch darüber reden.

Hier wird jedes Mal von Jugend und Zukunft geredet und gesagt: Das Schlimmste daran ist die Ökosteuer. Ich möchte Ihnen einmal sagen, wie es aussähe, wenn wir diese nicht hätten:

(Wahnschaffe (SPD): Richtig!)

Dann wären die Rentenversicherungsbeiträge nicht bei 19,5%, wie es möglicherweise kommt. Dann wären wir bei 21 und mehr Prozent. Das wäre Ihre Politik gewesen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das wird auf dem Rücken der Jugend und der Familien ausgetragen. So haben Sie in der Vergangenheit gehandelt.

Sie haben doch diesen riesigen Schuldenberg von 1,5 Billionen DM – das sind 1500 Milliarden – hinterlassen; das kann sich ein Mensch nicht mehr vorstellen. Das war doch die Hypothek, die Sie hinterlassen haben. Sicherlich ist anderes – auch die Weltwirtschaft – dazugekommen. Das waren in erster Linie die Ursachen, und das ist in Zukunft auf dem Rücken der Jugend und der Familien abzudecken. Uns, die wir jetzt die Schwierigkeiten beheben müssen, das vorzuwerfen, ist dreist und töricht. Hinzu kommt, dass Sie in Bayern die Gelegenheit hatten und das Tafelsilber verjubelt haben. Wie viel ist davon für die Jugend und für Bildungsmaßnahmen, für die Familien und Betreuungseinrichtungen hinausgegangen? Sagen Sie es doch.

(Zuruf von der CSU)

Das Tafelsilber ist verjubelt worden, ohne dass dafür etwas getan worden ist.

(Kobler (CSU): Wo gibt es ein Landeserziehungsgeld auf gesetzlicher Grundlage?)

Der Stellenwert der Familien unter Ihrer Regierung Kohl und Waigel und der CSU hier ist vom Bundesverfassungsgericht entsprechend gebrandmarkt worden. Es hat Ihnen in das Stammbuch geschrieben, was in der Vergangenheit passierte. Sie vergessen das, aber wir nicht, und wir werden es Ihnen immer wieder sagen.

Hinzu kommt auch der haus- und bayerngemachte wirklichkeitsfremde CSU-Familienfundamentalismus – anders kann man das nicht bezeichnen –, der zu all diesen Versäumnissen in der Betreuungssituation bei Krippen und Horten in der Vergangenheit geführt hat.

(Zuruf des Abgeordneten Kobler (CSU))

Sie haben überhaupt nicht erkannt, dass 80% der jungen Frauen und Mütter natürlich ein Interesse an einer Familie und an Kindern haben. Dass sie auch beruflichen Erfolg haben wollen, haben Sie nicht mitbekommen. Jetzt laufen Sie der Sache hinterher. Natürlich werden jetzt diese gut ausgebildeten jungen Frauen und Mütter dringend gesucht. Das hören Sie selbst in einer Zeit, in der es im Arbeitslosenbereich Schwierigkeiten gibt, an allen Ecken. Sie haben das auf den Kopf gestellt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Unterländer?

Ich rede jetzt weiter, und zwar so, dass hinterher jedermann noch etwas sagen kann. Ich habe nicht so viel Zeit wie Sie. – Wie wir wissen, ist Bayern beispielsweise bei all diesen altersgemischten Gruppen in den Kindertagesstätten mit 0,7% – Bundesdurchschnitt 8,1% – das Schlusslicht. Dass der Freistaat mit 1,36% auch bei den Krippen und bei den Horteinrichtungen das Schlusslicht ist, kommt nicht von ungefähr. Frau Stewens, Sie kommen wieder mit Ihrem Zahlenlotto, das Sie nicht einmal haben durchhalten können, als ich Ihnen die Zahlen in der mündlichen Fragestunde vorgehalten habe. Da mussten Sie sagen, natürlich gebe es mehr Einrichtungen. Aber von wem werden sie geför

dert? Doch nicht von Ihnen, sondern insbesondere auch in München von den Kommunen, von den Privaten und vor allem von den Eltern, die das übernommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist eine Chuzpe, dass man hier in Bayern so tut, als sei das alles selbstverständlich, während in den anderen Bundesländern ordentlich und korrekt gezählt wird. Hinterher heben Sie sich an die Spitze und sagen, aber bei uns sei es tatsächlich besser. Ich halte das für einen familienpolitischen Fundamentalismus, der – auch jetzt – Generationen geschadet hat.

Auch die Bildungssituation ist ein Teil der Familienpolitik. Wo sind all die Mahnungen aus der Wirtschaft, von den Kirchen, den sozialen Verbänden und aus allen gesellschaftlichen Gruppierungen bei Ihnen angekommen, die mit Blick auf ausreichende Angebote an Ganztagsschulen im ganzen Lande zu hören waren. Diese Mahnungen sind bei Ihnen bis heute nicht angekommen. Damit versündigen Sie sich an mindestens 20 bis 25% der Schüler und Familien, die dieses Angebot gerne in Anspruch nähmen.

(Beifall bei der SPD)

Es wird immer so getan, als seien die Einrichtungen gerade in den Kindergärten total in Ordnung. Ich habe mich in verschiedenen Bezirken und Großstädten umgehört. Sehr geehrte Frau Ministerin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meiner Anregung folgten, insoweit endlich ordentliche statistische Zahlen zu erheben.

Nach den Fürther Nachrichten von gestern, Dienstag, 12. November, sei in der Stadt Fürth – bisher sechs Jahre – vom CSU-Kollegen Wenning als Oberbürgermeister betrieben und an den SPD-Oberbürgermeister übergeben – die Kindergartensituation ausgesprochen zufriedenstellend und ein Versorgungsgrad von 97% genannt worden. In Wahrheit fehlen dort – so ist inzwischen festgestellt worden – über 700 Einrichtungsstellen, weil die Zahlen nicht korrekt sind und von drei Jahrgängen – statt wie häufig 3,5 Jahrgängen – ausgegangen wird. Diese Tatsache wird von Ihnen nicht einbezogen. Das heißt, wir haben geschönte Statistiken. Ich bitte Sie, dem nachzugehen, weil das die Situation bei den Kindergärten durchaus unter einem anderen Blickwinkel sehen lässt. Wenn Sie sich umhören, werden Sie in anderen Großstädten die gleiche Tendenz vernehmen. In Nürnberg – ehemals CSU-Oberbürgermeister Scholz – ist die gleiche Tendenz feststellbar.

Ich fordere Sie deswegen auf, endlich verlässliche Zahlen für Ganztagsbetreuungen für Kinder in ganz Bayern vorzulegen und sich an den Auftrag zu machen, den Sie auch vom Bundesverfassungsgericht haben: einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz – ganztags und flächendeckend in ganz Bayern – zu verwirklichen. Darum geht es.

Was die Höhe der Mittel für Betreuungseinrichtungen betrifft, können Sie sich natürlich auf einen bescheidenen Zuwachs berufen. Aber warum? Weil Sie von einem Level ausgehen, der gerade bei den Betreuungseinrich

tungen so gottserbärmlich niedrig ist, dass auf diesem Gebiet einfach etwas getan werden muss, sonst fallen Sie völlig durch den Rost.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich ist es notwendig, auf diesem Gebiet etwas zu tun. Aber weder wir noch die Bevölkerung nehmen es Ihnen ab, die Versäumnisse in der Vergangenheit als Erfolge für die Zukunft zu verkaufen.

Ich habe mir die Zahlen im Haushaltsplan sehr genau angesehen: danach sollten schon ab 2002 6000 zusätzliche Betreuungsplätze gefördert werden. Diese Zahlen habe ich mir von Ihnen geben lassen. Ich verspreche Ihnen, wir werden 2002 Bilanz ziehen und dann sehen, ob Sie diese Zahlen tatsächlich eingebracht haben. Meinen Argwohn dürfen Sie mir nicht nachtragen; denn wir haben schon in der Vergangenheit ähnliche Zahlentricks gehört. Ich denke nur an die 600 Millionen DM bei der BSE-Verbraucherschutzkrise und an die 600 Millionen DM bei der inneren Sicherheit, die bei den Betroffenen nie gänzlich angekommen sind. Wir werden also vorsichtig sein und die Zahlen überprüfen.

(Zuruf von der SPD: Und die Geschichte mit dem Landeserziehungsgeld!)

Die Geschichte mit dem Landeserziehungsgeld ist das tollste. Ich stehe außerhalb Bayerns nirgendwo an zu sagen, Bayern sei das erste Land gewesen, in dem ein Landeserziehungsgeld eingerichtet worden sei. Nur hat Bayern seit 1989 dazu nichts mehr getan. Das heißt, wir haben zum einen deshalb, weil es der Bund getan hat, die Einkommensgrenzen bescheiden angehoben und für das dritte Kind – schauen Sie sich die Höhe der Zahlen an, sie ist minimal – wenigstens einmal die Höhe des Bundeserziehungsgeldes erreicht. Im Übrigen haben wir nichts erreicht.

(Zuruf des Abgeordneten Kobler (CSU))

Das bedeutet im Klartext, dass im Augenblick, während es 1989 noch etwa 80% gewesen sind, die Bundeserziehungsgeld und dann auch Landeserziehungsgeld bekommen haben, inzwischen 35% und weniger Bundesund Landeserziehungsgeld bekommen. Das heißt, das Landeserziehungsgeld kann nur noch von der Hälfte derer in Anspruch genommen werden, die es 1989 konnten.. Deswegen kann ich nur sagen: Das ist inzwischen überholt und da muss vor allem dann etwas getan werden, wenn man wie Frau Stewens sagt: Wir sind das wirtschaftlich starke Bayern. Dann tun wir doch etwas, wenn wir schon so stark sind, worauf wir alle stolz sind. Ich verstehe aber nicht, dass Sie sich dann, wenn Sie die Angebote des Bundes in Höhe von 4 Milliarden DM für die Ganztagsschulen bekommen, die für die nächste Zeit in Aussicht gestellt werden – der Bund hat im Übrigen gerade in der letzten Legislaturperiode für die Familienpolitik unglaublich viel getan: sowohl finanziell als auch für das gesamte Umfeld, für die Teilzeitarbeit, für den gesamten Arbeitsbereich, für die Möglichkeit für Väter, in der Familie tatsächlich mitzuwirken – zurücklehnen und so tun, als sei das für Sie nicht interessant. Diese Versäumnisse an den jungen Menschen, die

damit herbeigeführt werden, werden Ihnen später um die Ohren gehauen werden müssen.

Ich hätte hierzu noch weitere Punkte, aber die Zeit meines Redebeitrags geht zu Ende. Ich möchte daher zusammenfassen: Die Haushaltsrede und die – meines Wissens nur männlichen – Kollegen aus den Reihen der CSU haben gezeigt, dass Sie sich – die Staatsregierung und die CSU – von ideologischen Familienbegriffen noch nicht freigemacht haben.

(Kobler (CSU): Tiefer geht es nicht mehr!)

Das zeigt aber auch, dass Sie die familienpolitischen Wundertüten, die Sie uns jetzt vorhalten, im Grunde mit einer Reihe von Nieten vollgestopft haben.

(Heiterkeit bei der SPD)

Eines möchte ich Ihnen auch sagen: Wer Anträge der SPD und der Grünen ablehnt, die sich beispielsweise auf eine Verbesserung der Maßnahmen zur Durchführung der Insolvenzordnung beziehen, die Maßnahmen zur Gleichstellung und Integration von Menschen mit Behinderung zum Inhalt haben, die die Förderung von Kontaktstellen verbessern wollen, die die Förderung von Mütterzentren und die Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen zum Inhalt haben, die die Förderung von Gleichstellungs- und frauenpolitischen Maßnahmen betreffen, wer all das ablehnt und hier sagt, die geforderten zusätzlichen 20000,00 e für die Mütterzentren sind nur Peanuts, dem kann ich nur entgegenhalten, dass wir diese Einstellung ablehnen. Wir lehnen diesen Haushalt deshalb ab, und die Menschen vor Ort werden verstehen, warum wir das getan haben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat die Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen das Wort. Frau Stewens, bitte.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen. Ich möchte in einigen Stichpunkten kurz auf die bisherigen Darlegungen eingehen. Als erstes möchte ich zu den Themen Schwerbehinderte und Schwerbehindertenquote sprechen. Ich weise darauf hin, dass wir in Bayern bei den Schwerbehinderten eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in ganz Deutschland haben.

(Wahnschaffe (SPD): Das ist nicht Ihr Verdienst, Frau Stewens!)

Wir haben im Sozialministerium eine Schwerbehindertenbeschäftigungsquote von 10,24%.

(Wahnschaffe (SPD): Da sind Sie die Einzigen! Schauen Sie doch mal in die anderen Ministerien!)

Das ist für uns gerade auf Grund des Beschäftigungspaktes sehr wichtig. Es gibt die Arbeitsgruppe Beschäftigung der Schwerbehinderten, die wir weiterführen wollen, auch wenn die Gewerkschaft den Beschäftigungspakt aufgekündigt hat. Wir wollen uns auch weiterhin verstärkt um den Arbeitsmarkt für Schwerbehinderte bemühen. Im Vergleich mit den anderen deutschen Ländern sind wir bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten in den letzten Jahren ausgesprochen erfolgreich gewesen.

Auch das Sonderinvestitionsprogramm ist keineswegs gekürzt worden, Frau Steiger. Es wird lediglich gestreckt und bis zum Jahr 2005 weitergeführt. Lassen Sie mich auch einige Anmerkungen zur Jugendarbeitslosigkeit machen. Das ist eines der Themen, die Sie hier aufgegriffen haben.