Protocol of the Session on November 13, 2002

Das andere ist Ihnen unangenehm; das kann ich mir vorstellen. Über das andere reden Sie nicht so gern. Darüber rede ich genauso gern; ich rede aber auch gerne über die R 6.

Erstens. Das von Ihnen ungeliebte R-6-Modell ist ein Bombenerfolg. Die Eltern akzeptieren es und sie wollen es.

(Beifall bei der CSU)

Sie sind doch sonst diejenigen, die dauernd vom Elternwillen reden, oder sollten wir uns da geirrt haben? Jetzt freuen sich die Eltern darüber; sie melden ihre Kinder an. Sie von der SPD beklagen jetzt letztendlich, dass es für die Kinder die sechsstufige Realschule gibt, weil sie ein so erfolgreiches Modell ist? Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass Ihre Argumentation schon etwas seltsam ist.

Zweitens. Ich glaube, wir alle miteinander wissen, dass Schulhausbau Sache der Kommunen ist, der vom Freistaat Bayern bezuschusst wird, und dass die Personalkosten vonseiten des Freistaates getragen werden, wenn es staatliche Schulen sind. Daneben gibt es eine Menge privater Schulen und einen kleineren Anteil an kommunalen Schulen. Angesichts dieser Situation muss bei Ihnen, Frau Radermacher, die Übersicht aus dem Jahr 1999 irgendwo verloren gegangen sein, als wir exakte Daten geliefert haben, die besagen, dass wir im Schulhausbau Kosten haben werden und dass wir bei der Schülerbeförderung Kosten haben werden. Das, was Sie jetzt – nach meinem Dafürhalten unlauter – tun, ist, die Steigerung der Schülerzahlen insgesamt mit dem Anstieg der Schülerzahlen bedingt durch die sechsstufige Realschule zu vermengen. Dies sind aber zwei verschiedene Paar Stiefel. Eine Menge von Kommunen hatte uns bereits vorangekündigt, dass sie bauen müssen, weil aufgrund der steigenden Schülerzahlen, demografisch bedingt oder aufgrund der Attraktivität der Realschulen, Fachräume und Klassenzimmer fehlen.

Eine Sondersituation aufgrund der R 6 bringt die Umstellungsphase mit sich. R 6 und R 4 im Auslaufstadium bringen zusammen eine besondere räumliche Belastung mit sich. Es gibt Kommunen, die Container für die vorübergehende Unterbringung verwenden müssen.

(Wörner (SPD): Das hat man vorher nicht gewusst?)

Das steht in der Ausbauplanung des Jahres 1999 in der Anlage 3. Schauen Sie sich das halt an und lesen Sie den Haushalt durch. Das ist doch im Haushalt verankert worden und nicht irgendwo erfunden worden. Bevor man dazwischenruft, sollte man halt den Haushalt durchlesen.

(Beifall bei der CSU)

Dort finden sich ziemlich genaue Tabellen, die sich aber nur auf die R 6 beziehen, nicht auf den Schüleranstieg an den Realschulen, der durch die allgemeine Entwicklung der Schülerzahlen bedingt ist. Das sind zwei verschiedene Paar Stiefel, und die muss man auseinanderhalten. Das können Sie der sechsstufigen Realschule nicht in die Schuhe schieben. Dass ihr die allgemein zunehmenden Schülerzahlen auch noch zur Last gelegt werden, kann wohl nicht sein.

Nachdem die SPD und die GRÜNEN sonst so sehr dafür sind, die Basis zu fragen, rege ich an: Gehen Sie doch einmal an eine Realschule und fragen Sie die Lehrkräfte vor Ort, ob der Unterricht, den sie ab der 5. Klasse geben, den Kindern in der Kontinuität qualitativ, unterrichtlich und pädagogisch mehr bringt oder nicht. Ich glaube, dass die Realschullehrer einheitlich hundertprozentig sagen: Die Qualität ist deutlich besser geworden. Dann kann man aber nicht sagen, das Modell sei unsinnig gewesen.

Das Ganze widerspricht sich von vorne bis hinten.

Ein letztes Argument möchte ich noch anführen: Bei den Ganztagsschulen verhalten Sie sich entzückend. Wissen Sie, warum? In Bremen wird das, was wir in Bayern an Ganztagsangeboten bieten, als Ganztagsschule bezeichnet. Der Bremer Senator kam nach Bayern und verkündete, wie wunderbar er mit Vereinen, Sportvereinen und Musikschulen zusammenarbeiten würde. Die Übungsleiter der Vereine würden Angebote an den Schulen machen und deshalb gäbe es in Bremen ganz tolle Ganztagsschulen. Das finde ich sehr interessant. Wir haben bei unseren Ganztagsangeboten nämlich auch für die Finanzierung und die Ausstattung gesorgt. Wir helfen den Kommunen bei der Erfüllung ihres Auftrags, den sie nach dem Kinder– und Jugendhilfegesetz des Bundes haben. In diesem Bundesgesetz ist der Auftrag an die Kommunen formuliert. Wir haben dazu nur die Ausführungsbestimmungen gemacht und Sie haben diesen Bestimmungen zugestimmt. Deshalb können Sie nicht behaupten, dass dies eine freie Erfindung des Freistaats Bayern sei.

Gesellschaftliche Aufgaben sind nicht nur Aufgaben des Staates. Alle drei Ebenen müssen auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagieren. Da nützt es nichts, wenn der eine dem anderen den Schwarzen Peter

zuschiebt. Auf allen Ebenen wird es Umschichtungen und Änderungen geben müssen. Das wird nicht nur über zusätzliche Ausgaben gehen. Dies gilt auch für das Thema „Schulsozialarbeit“. Frau Kollegin Radermacher, ich muss Ihnen sagen, nicht die Schule muss sozial bearbeitet werden. Allein der Ausdruck ist falsch. Aufgrund der erzieherischen Verhältnisse in bestimmten Familien sind bestimmte Kinder de facto nicht mehr unterrichtbar und brauchen eine zusätzliche jugendtherapeutische Behandlung. Das kann aber nicht der Auftrag der Schule sein. Die Schule muss kooperieren, sie ist aber der falsche Ort für Jugend- und Familientherapie. Die Schule muss darauf reagieren, unterstützen, helfen und Partner sein. Sie kann aber nicht der Hauptadressat für sämtliche jugend- und familienpolitischen Probleme innerhalb unserer Gesellschaft sein. Dafür gibt es das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Wir handeln nach diesem Gesetz.

Zu Ihrer Ganztagsschule kann ich nur sagen, dass ich es sehr nett finde, dass Sie 4 Milliarden e anbieten, aber ausschließlich für Räume und für Investitionen. Für Personalkosten steht keine müde Mark zur Verfügung. Diese Kosten haben die Länder und die Kommunen zu tragen. Die Länder und Kommunen sollen die Personalkosten auf Dauer tragen, während der Bund ein bisschen was für Räume gibt und sich anschließend ausklinkt und verkündet, er hätte Ganztagsschulen eingeführt. Auf diese Form der Diskussion werde ich mich nicht einlassen.

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Ihre Ausführungen haben das Thema wenig erhellt!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Pfaffmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu diesem Thema gäbe es sehr viel zu sagen. Ich möchte heute keine grundsätzliche schulpolitische Debatte führen, sondern mich auf die Frage der Kosten beschränken. Selbstverständlich wird die Einführung der R6 umgesetzt. Das ist überhaupt keine Frage. In der Folge wurden viele Anträge auf Einrichtung einer R6 gestellt. Frau Ministerin, Sie vergessen jedoch immer wieder, dass diese Anträge der Kreise und Kommunen aufgrund Ihres Versprechens gestellt wurden, dass das nichts kostet. Die Kommunen wollten nicht unbedingt eine R6.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, Sie haben Ihre Versprechungen an die Gemeinden und Kreise gebrochen. Sie haben ihnen die Unwahrheit über die Kosten der Einführung der R6 gesagt. Daran gibt es keinen Zweifel. Sie versuchen ständig, den Blick auf das zu richten, was in Berlin beschlossen wird und welche Kosten daraus für die Kommunen entstehen, um von Ihren eigenen Versäumnissen abzulenken.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist, Ihre Politik hat die Kreise, Gemeinden und Städte dazu veranlasst, 200 Verstaatlichungsanträge für ihre Schulen zu stellen, weil sie die Schulen nicht mehr bezahlen können. Sie lehnen diese Anträge permanent ab. Zunächst zu den Lehrpersonalkosten: Der Staat soll die Lehrpersonalkosten zahlen; im Gesetz sind 60% festgeschrieben. Ich halte das für einen Schlag ins Gesicht, weil in Ihrem Änderungsgesetzentwurf nur eine Erhöhung von 60% auf 61% vorgesehen ist. Welch eine gigantische Leistung der Bayerischen Staatsregierung: Sie will nicht 60, sondern 61% der Lehrpersonalkosten bezahlen. In Wirklichkeit bezahlen Sie weit unter 50%. Wenn man die Zahl an Hand des Beispiels der Stadt München genau ausrechnet, kommt man zu dem Ergebnis, dass dies die Stadt München jährlich 150 Millionen Euro kostet. Diesen Betrag müssten eigentlich Sie übernehmen. Es gäbe weitere Beispiele.

Nun zur Ausstattung der Schulen mit moderner Informations– und Kommunikationstechnologie: Was hätten Sie auf diesem Gebiet in den letzten Jahren geleistet, wenn Sie die Kommunen nicht gehabt hätten? Die Stadt München hat die Schulen zum Beispiel mit einem 200-Millionen-Programm ausgestattet.

(Dinglreiter (CSU): Das ist der Sachaufwandsträger!)

Wenn die Kommunen nicht wären, könnten Sie sich heute nicht hinstellen und erklären, wie toll die EDV-Ausstattung der Schulen sei. Liebe Frau Ministerin, Sie schmücken sich hier mit fremden Federn.

(Beifall bei der SPD)

Nun zur Frage der Betreuung dieser ganzen technischen Ausstattung: Was tun Sie? – Sie wälzen die gesamte technische Betreuung dieser Ausstattung auf die Lehrer und die Kommunen ab. Sie erfüllen im Hinblick auf die Finanzierung der Kommunen nicht Ihre Pflicht. Ich könnte weitere Beispiele nennen, etwa die Schülerbeförderung oder die Umsetzung der Novelle zum Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Integration wird natürlich unterstützt. Haben Sie aber jemals daran gedacht, dafür die Kosten zu übernehmen? Dadurch würden die Kommunen entlastet. Schöne Worte in diesem Plenarsaal entlasten die Kommunen nicht. Ich verweise hier auf die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände, die Sie heftig kritisieren, weil der Freistaat die Städte, Gemeinden und die kommunalen Schulträger einfach im Regen stehen lässt.

Damit wir in der Öffentlichkeit als glaubwürdig wahrgenommen werden, hätte ich eine Bitte: Ich fordere jedes Mitglied dieses Parlaments auf, endlich mit dieser langweiligen Debatte aufzuhören, was alles in Berlin, in Rom und im Universum schlecht ist, was dort gemacht wird und was das dann kostet.

(Hofmann (CSU): Das könnte Ihnen so passen!)

Ich halte das für keine sachgerechte Diskussion. Die Bürgerinnen und Bürger verstehen das nicht. Die Bürger wollen Lösungen haben. Für die Schulpolitik ist ausschließlich das Land Bayern zuständig. Deshalb hilft es

nichts, ständig mit dem Finger auf Berlin zu zeigen. Damit ist nichts gewonnen.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen den Menschen in Bayern – vor allem den Eltern und den Kindern – erklären, warum Sie es durch mangelnde Finanzierung zulassen, dass das kommunale Schulwesen kaputt gemacht wird. Wenn es einmal kaputt ist, wird die Staatsregierung dafür die Verantwortung zu tragen haben. Deshalb mein Vorschlag: Lassen Sie uns gemeinsam über die Zuständigkeiten reden und übernehmen Sie Ihre finanzpolitische Verantwortung für das kommunale Schulwesen. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/10799 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU und Frau Kollegin Grabmair. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist Herr Kollege Hartenstein. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Meyer, Sackmann und anderer und Fraktion (CSU)

Bürokratie abbauen – Freiräume für Kreativität und Innovation schaffen (Drucksache 14/10800)

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Meyer.

Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verwaltungsreform und Entbürokratisierung sind für uns zentrale politische Daueraufgaben. Mit unserer heutigen Landtagsinitiative wollen wir, dass die Bayerische Staatsregierung ihre vielfältigen Initiativen zur Verwaltungsvereinfachung intensiv fortführt und unsere Vorschläge zu einem weiteren Bürokratieabbau umsetzt.

Wettbewerb, Innovation und Reformen sind nicht allein in der Privatwirtschaft, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung in Zukunft noch mehr wie bisher gefordert. Eine leistungsfähige Verwaltung ist längst auch zu einem Standortfaktor von erheblichem Gewicht geworden. So macht eine zügige Abwicklung von Genehmigungsverfahren ein Land für Investoren interessant und schafft damit die Voraussetzungen für den Erhalt und insbesondere für die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Bayern hat bei der Verwaltungsreform bundesweit eine Vorreiterrolle übernommen. Die bisher erzielten Erfolge sind eine gute Basis für die weitere Arbeit und Initiativen. Ich denke dabei zum Beispiel an die bereits erfolgte

Umsetzung der Aufhebung von Richtlinien und Standards bei den Kommunen, an die Einführung der Budgetierung und an die Kosten-Leistungs-Rechnung in der Verwaltung, an die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Kommunen durch das Aussetzen von Vorlage- und Zustimmungspflichten oder an eine umfangreiche Genehmigungsfreistellung beim Bau von Wohn- und Gewerbebauten im Zuge der Baurechtsnovelle. Mit der Reform der Schulverwaltung werden wir die Schule vor Ort weiter stärken, das heißt, Entscheidungsbefugnisse von oben nach unten geben. Es ist besser, mehr Verantwortung und Entscheidungsmöglichkeit an die Institutionen vor Ort zu geben, anstatt nach Verordnungen und Richtlinien zu rufen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen diesen Weg engagiert fortsetzen; denn gerade in Zeiten knapper Kassen ist mehr Freiheit für wirtschaftliches Handeln für die Bürger ein wichtiges Signal.

(Unruhe)

Bei der Reduzierung von Bürokratie wollen wir bis an die Grenze unserer landespolitischen Möglichkeiten gehen. Gerade der entschlossene Bürokratieabbau ist ein aus unserer Sicht wichtiges Mittel, bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Bayern zu erreichen, und das im Gegensatz zu einer immer stärkeren Regulierung und Bürokratisierung durch Rot-Grün in Berlin.

(Anhaltende Unruhe)

Gerade der Arbeitsmarkt, unsere Wirtschaft und unser Handwerk leiden unter den vermehrten bürokratischen Auflagen der Bundesregierung.

(Zurufe von der SPD)

Deshalb ersuchen wir in unserem Dringlichkeitsantrag die Staatsregierung, auch auf Bundesebene einen Abbau der Bürokratie einzufordern. Deutschland ist beim Wirtschaftswachstum Schlusslicht in Europa; bei der Dichte der Auflagen und bei der Bürokratie liegt es an der Spitze.