Protocol of the Session on November 13, 2002

Deshalb ersuchen wir in unserem Dringlichkeitsantrag die Staatsregierung, auch auf Bundesebene einen Abbau der Bürokratie einzufordern. Deutschland ist beim Wirtschaftswachstum Schlusslicht in Europa; bei der Dichte der Auflagen und bei der Bürokratie liegt es an der Spitze.

(Anhaltende Unruhe)

Wir müssen neue Freiräume für Kreativität und Innovation schaffen. Der Staat muss seine Verantwortung auf gewisse Bereiche des Rechts- und Wirtschaftslebens konzentrieren, um das wirtschaftliche Engagement des Einzelnen zu erleichtern. Überflüssige staatliche Einflussnahme soll daher abgebaut werden.

Wir begrüßen, dass die Staatsregierung eine Kommission zur Entbürokratisierung einberuft, die konkrete Lebensbereiche für Unternehmen und Bürger – zum Beispiel Firmengründungen, geplante Investitionen oder behördliche Genehmigungen – mit dem Ziel von weniger Bürokratie durchforstet. Wir erwarten, dass Normen, für die ein zwingendes Bedürfnis nicht mehr nachweisbar ist, ersatzlos aufgehoben werden. Der Wirtschaftsstandort Bayern soll durch Deregulierung und Entbürokratisierung weiter gestärkt werden. Dazu gehört auch, dass bürokratische Auflagen für Betriebe auf den Prüfstand

gestellt und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.

Ich teile die Auffassung des Kollegen Dinglreiter, dass Gesetze und Vorschriften, die Bürger und Unternehmen belasten, mehr als bisher zeitlich befristet und schließlich auf ihre Notwendigkeit und aktuelle Richtigkeit hin überprüft werden. Deutsche Unternehmen sollen sich so früh wie möglich mit wettbewerbsfähigen Produkten auf dem internationalen Markt etablieren können. Deshalb sind neue Gestaltungsspielräume erforderlich.

Die Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, insbesondere Kollege Sackmann, haben zu diesem Dringlichkeitsantrag viele Anregungen aus der Praxis eingebracht, zum Beispiel, dass der Generalklausel grundsätzlich der Vorrang vor Detailregelungen eingeräumt werden soll. Unser gemeinsames Ziel soll es sein, einengende Verordnungen und behördliche Durchführungserlasse auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren.

Soweit Ermessensspielräume bestehen, darf die Entscheidungsfreiheit der zuständigen Beamten nicht durch zu große Regelungsdichte eingeschränkt werden. Auf dem Weg zur weiteren Entbürokratisierung ist es auch erforderlich, dass Dokumentationspflichten in der Verwaltung so weit wie möglich reduziert werden. Entscheidende Gesetzgebungskompetenzen müssen auf die Länder zurückverlagert werden, um die Entbürokratisierung zukünftig in größerer Eigenverantwortung betreiben zu können. Auch die Kompetenzen der staatlichen Ebenen müssen klarer abgegrenzt werden, damit die Kernaufgaben eines Landes – die innere Sicherheit, das Schul- und Hochschulwesen, Infrastrukturausbau und das Sozialsystem – noch effektiver erfüllt werden können.

Aus Erfahrung wissen wir, dass immer neue bürokratische Hindernisse auch auf Überreglementierungen der Europäischen Union beruhen. Deshalb ist es notwendig, dass sich die EU auf die Rahmenvorgaben beschränkt. Neben Änderungen des Landesrechts sollen auch notwendige Reformen im Bundesrecht erfolgen.

Wir halten auch die Kostentransparenz für notwendig; denn sie schafft beim Bürger ein Bewusstsein für Verwaltungsarbeit und eine Kontrollmöglichkeit ihr gegenüber.

(Zuruf des Abgeordneten Güller (SPD))

Auch die konstruktive Mitarbeit des Personals bietet große Chancen.

Wir in Bayern sind auf einem guten Weg. Wir brauchen Räume für Kreativität und Innovation.

(Unruhe)

Deshalb wollen wir den Weg der weiteren Entbürokratisierung aktiv fortsetzen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Naaß (SPD))

Es wäre besser, Ihre Zurufe in Richtung Berlin zu machen, damit Rot-Grün endlich mit dem Bürokratieabbau beginnt.

(Lachen bei der SPD – Beifall bei der CSU)

Unser Leitbild ist eine neue Sozial- und Bürgerkultur mit dem Vorrang der Eigenverantwortung für die persönliche Lebensgestaltung, mit einer größeren Verantwortung für die Mitmenschen und das Gemeinwesen. Ich darf Sie deshalb bitten, unseren Dringlichkeitsantrag zu unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Als nächster Redner hat Kollege Dr. Scholz das Wort.

(Güller (SPD): Sag ihnen die Wahrheit!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in dem Ziel einig, überflüssige Bürokratie abzubauen und mehr Freiräume für Kreativität und Innovation zu schaffen. Rot-Grün ist seit vier Jahren dabei, das zu tun. Wir müssen fragen, was von den enormen bürokratischen Regelungen vernünftig und was unvernünftig ist. Ich komme zwar aus der privaten Wirtschaft, warne Sie aber davor, gewachsene Verwaltungsstrukturen zu zerschlagen, welche die Kontinuität des Verwaltungshandelns auch in Zukunft garantieren. In einigen Bereichen sollte der Staat nicht wegen des Kostendrucks alle möglichen Verantwortlichkeiten verlagern; oft wird nämlich Verantwortung nur aus Haushaltsgründen abgeschoben.

Meine Damen und Herren, ich sage vorweg: Der bestehende Berg an Bürokratie ist in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut worden. Er ist im Laufe von 16 Jahren aufgebaut worden, und wir sind seit vier Jahren dabei, ihn abzutragen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Mit „wir“ meine ich die Bundesregierung in Berlin.

(Lachen bei der CSU)

Ich zitiere jetzt aus der Koalitionsvereinbarung:

Bürokratieabbau und Modernisierung der Verwaltung

Der Abbau von Bürokratischen Hemmnissen und Überregulierungen ist im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen.

volle Einigkeit –

Mit dem Programm „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ hat die Bundesregierung in der zurückliegenden Legislaturperiode begonnen, den Modernisierungsrückstand aufzuholen, unnötige Bürokratie abzubauen und Überregulierung zu beseitigen.

Im Dialog mit der Wirtschaft

das hat die Bundesregierung getan; diejenigen unter Ihnen, die alljährlich bei der Internationalen Handwerksmesse sind und die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers Müller gehört haben, wissen das –

hat sie Vorschläge erarbeitet...

Besonders hervorzuheben ist dabei die beispielhafte Mitarbeit der Handwerkskammer von Niederbayern, die nicht nur gemeckert hat, sondern positive Vorschläge gemacht hat, auf die der Bundeswirtschaftsminister eingegangen ist.

im März 2001 wurden über 80 konkrete Maßnahmen veröffentlicht. Ein Teil von ihnen ist bereits umgesetzt, etwa die Abschaffung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung oder der bessere Datenaustausch zwischen Unternehmen und Krankenkassen im Leistungsbereich. Auf den Weg gebracht

das ist für die Vereinfachung ganz wichtig –

wurde eine bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer für jeden Betrieb, deren Einführung bis zum Jahr 2005 geplant ist.

Die Einführung wird noch etwas dauern, aber sie wird ein Durchbruch sein.

Die erfolgreichen Vorhaben der Bundesregierung werden in der kommenden Wahlperiode konsequent fortgeführt und zu einem flächendeckenden Masterplan Bürokratieabbau erweitert.

Das ist Stand der Dinge, und das ist das, was wir getan haben und worauf wir auch stolz sein können.

Meine Damen und Herren, ich warne Sie davor, derart rührende Formulierungen zu verwenden:

Der Landtag ist der Auffassung, dass nur über eine rasche und tiefgreifende Entbürokratisierung die gehemmten Potentiale unserer Ökonomie wieder

man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen –

entfesselt und neue Freiräume für Kreativität und Innovation geschaffen werden können.

Wer diesen Kinderglauben hat, dass allein mit dem Abbau der Demokratie eine Entfesselung eintritt – –

(Glück (CSU): Bürokratie!)

der Bürokratie. Danke schön. Das sollte im Protokoll nicht stehen bleiben. Ich bedanke mich; das ist ein Zeichen dafür, dass Sie mir zuhören.

Allein mit dem Abbau der Bürokratie ist es nicht getan. So funktioniert es leider nicht. Wir sind uns einig darüber, dass der von mir geschilderte Demokratieberg abgebaut werden muss.

(Zurufe von der CSU: Bürokratieberg!)