Protocol of the Session on November 13, 2002

Wir haben diese Einrichtung in Bayern. Sorgen Sie mit dafür, dass diese Einrichtung in Bayern gut arbeiten kann, und begleiten Sie das Ganze positiv. Belassen Sie bitte das, was die Bürger in Bayern mit ihrer Entscheidung letztlich gewollt haben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Radermacher.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Nöth, ein großer Teil Ihrer Rede war dem Thema gewidmet, wie gut die R 6 sei. Das ist nicht Gegenstand der

heutigen Diskussion. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir keine Probleme damit, Entscheidungen, die mehrheitlich gefallen sind, zu akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke, wir von der SPD waren die Ersten, die deutlich gemacht haben, dass eine R 6, wenn sie denn so beschlossen ist, ganz schnell umgesetzt werden muss, um die Ungleichheit in diesem Land zu überwinden.

(Zurufe von der CSU)

Das unterscheidet uns. Sie können darüber lachen, aber im Gegensatz zu Ihnen können wir mehrheitliche Entscheidungen gut akzeptieren.

Eine mehrheitliche Entscheidung war doch, dass wir in Berlin die Wahl gewonnen haben.

(Unruhe bei der CSU)

Sehen Sie, das können Sie nicht akzeptieren, Sie müssen es aber ganz einfach. Gestern und heute war sehr viel von angeblichen und vermeintlichen Lügen in Berlin die Rede. Heute behandeln wir das Thema R 6 und seine Finanzierung. Ich denke, das ist ein Thema, bei dem niemand von Ihnen auf die Idee kommen kann, dass Herr Schröder und die rot-grüne Koalition dafür verantwortlich seien, dass es jetzt zu dieser Kostenexplosion bei der Einführung der R 6 in Bayern gekommen ist.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, entweder sind Sie so unerfahren und haben es nicht gewusst – das will ich der CSU und erst recht dem Ministerium überhaupt nicht unterstellen – oder Sie haben gnadenlos gelogen, was die Einführung der R 6 angeht, und zwar von Anfang an.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in der Diskussion im Ausschuss 1997 die Frage aufgeworfen, welche Mehrkosten damit verbunden sein werden. Die Antwort lautete: Es seien keine zusätzlichen Mittel notwendig, zudem werden dann beispielsweise statt drei oder vier Eingangsklassen nur zwei Eingangsklassen erforderlich sein. – Das war also die erste Lesart.

Allerdings hat einer, der damals Kultusminister war – er war wahrscheinlich der Einzige, der gewusst hat, was auf alle zukommt –, schon zum damaligen Zeitpunkt davor gewarnt. Er hat wörtlich gesagt, dass die Einführung der erweiterten Modellversuche R 6 gegen seine Meinung beschlossen worden sei. Der Herr Zehetmair war damals also der Einzige, der erkannt hat, was das Ganze nach sich ziehen wird.

Im nächsten Schritt war immer noch davon die Rede, dass keine Kosten entstehen würden. Der Realschullehrerverband, dem man keinen Vorwurf machen kann, weil

er sein Modell durchsetzen wollte, hat Folgendes an die bayerischen Bürgermeister geschrieben: „Nach Berechnungen des BRLV ist die sechsstufige Realschule für den Staat nicht teurer, allenfalls billiger.“

Soweit dieser Brief.

1997, nachdem die erste Ausweitung stattgefunden hat, hat die CSU-Fraktion erstmals öffentlich prognostiziert, dass es wohl doch mehr kosten wird. Da hieß es dann wörtlich, die jährlichen Mehrkosten einer flächendeckenden sechsstufigen Realschule würden 65 Millionen DM betragen. Dies hat Herr Finanzminister Huber am 13. Juni 1997 festgestellt. Soviel zu den Ausgangspositionen. Niemand kann sagen, dass dies über uns gekommen ist. Seinerzeit sind im Detail sehr wohl Berechnungen angestellt worden; sonst könnte man nicht zu solchen Äußerungen kommen.

Herr Nöth, noch etwas zu Ihrer Anmerkung, keine Kommune habe dies davon abhängig gemacht. Das stimmt schlicht und einfach nicht. Zum Beispiel gibt es auf Antrag der CSU einen Beschluss des Kreistages Bamberg, die R 6 nur einzuführen, wenn damit keine Mehrkosten verbunden sind. Solche Anträge gab es landauf, landab.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aussage, dass alle diese Kosten ohne Murren hinnehmen, stimmt auch nicht. Sie haben selber das Beispiel des Landkreises Freising gebracht, der die 10 Millionen e für die zwei neuen Realschulen dem Freistaat Bayern in Rechnung stellen wird. Der Bayerische Städtetag sagte erst jetzt, vor wenigen Tagen, dass diese R 6 ein klassischer Fall des Konnexitätsprinzips ist. Wenn die Staatsregierung eine neue Schulart beschließt, dann muss sie dafür auch die Kosten tragen. Ich denke, dass der Städtetag Recht hat. Dies ist die Nagelprobe dafür, wie Sie zur Konnexität stehen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, keiner kann sich darauf hinausreden, dass niemand gewusst hat, was daraus wird. Die geschätzten Baukosten betragen 260 Millionen e – von den übrigen Kosten gar nicht zu reden. Das Kultusministerium sagt, dass es gar nicht daran denke, zusätzlich Geld für den Realschulbau auszugeben, da das Ministerium schon die Hauptkosten trage. Dazu kann ich in der Tat nur sagen: Sie, die CSU wollten diese Schule; Sie haben sie mehrheitlich durchgesetzt. Sie haben den Rückhalt in der Bevölkerung, aber Sie haben auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, jetzt diese Kosten zu tragen und die Kommunen nicht im Regen stehen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Fall gibt es für Sie wirklich keine Chance, mit dem Finger nach Berlin zu zeigen, weil – ich sage es

noch einmal – die rot-grüne Koalition die R 6 in Bayern tatsächlich nicht beschlossen hat.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Jetzt hat Frau Staatsministerin Hohlmeier das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Not der SPD angesichts der Unglaublichkeit der Wortbrüche im Bund, die weder zahlenmäßig noch inhaltlich zu messen sind, muss schon so groß sein, dass sie nach fünf Jahren und nach der endgültigen festen Einführung der R 6, die von allen Kommunen beantragt worden ist – wir sind von allen Kommunen mit Anträgen überrannt worden –, beginnt, von Wortbruch zu sprechen.

(Beifall bei der CSU)

Sie sind schon sehr früh dran. Die Argumente, die Sie aufführen, sind fast amüsant.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Frau Werner-Muggendorfer, Sie waren die letzte, die sich bei mir schriftlich darüber beschwert hat, dass die R 6 bei Ihnen nicht ein Jahr früher eingeführt wurde.

(Lachen bei der CSU)

Da muss ich mich offen gestanden schon fragen. Bitte hören Sie auf, sich bei mir zu beschweren.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ist Ihnen das nicht recht? Wir akzeptieren demokratische Entscheidungen, Frau Ministerin!)

Es freut mich aber, dass Sie demokratische Entscheidungen akzeptieren.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es recht vergnüglich, welche Argumente Sie aufzählen und doch, wenn Sie den Splitter im Auge des anderen sehen, den Balken im eigenen Auge letztendlich nicht entdecken. Ich vergleiche einmal die Größenordnungen. Was kostet den Kommunen beispielsweise ein Zuwanderungsgesetz, welche Auswirkungen hat es für die Finanzausstattung?

(Dr. Kaiser (SPD): Zur Sache!)

Die Kommunen allein sind für die Sprachkurse, die Integrationskurse, die Unterbringung und alles, was hierzu erforderlich ist, zuständig. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dagegen ist die R 6 ein wahres Kleinkind, eine wahre Kleinigkeit; das gestehe ich Ihnen ehrlich ein.

(Beifall bei der CSU)

Ich sehe mir zum Beispiel die Grundsicherung an, die vorhin die Kollegin Stewens erwähnt hat, die den Kommunen in einer unglaublichen Art und Weise finanziell ins Kontor schlägt, während Sie das im Bund überhaupt nicht interessiert.

(Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie denn das?)

Dies finde ich genauso interessant. Ich sehe mir an, wie Sie die Kommunen beim Wohnungsbau völlig im Stich lassen, wie der Bundesverkehrswegeplan mittlerweile nur mehr ein rudimentärer Steinbruch ist und wie sowohl das Land als auch die Kommunen ständig auf die Gelder und die Menschen auf die Lärmschutzmaßnahmen warten müssen. Ich könnte ein Beispiel nach dem anderen aufzählen.

Ich darf Ihnen zum Thema R 6 die Dinge gerne etwas näher erläutern.

(Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

Das andere ist Ihnen unangenehm; das kann ich mir vorstellen. Über das andere reden Sie nicht so gern. Darüber rede ich genauso gern; ich rede aber auch gerne über die R 6.