Wenn man hier die Bestandsaufnahme abschließt, muss man sagen, die Kinderbetreuung in Bayern ist unzureichend. Bayern ist Schlusslicht in ganz Deutschland, was die Kinderbetreuung anbelangt.
Wir fordern deshalb mehr Betreuungsangebote für die unter Dreijährigen und vor allem, dass Sie die Hilfe des Bundes annehmen. Auf der einen Seite jammern Sie, dass der Bund seine Verantwortung nicht ernst nimmt; auf der anderen Seite sagen Sie, der Bund hat sich hier nicht einzumischen. Ich denke, es ist keine Aushebelung des Föderalismus, wenn man Geld vom Bund nimmt, wenn es den Kindern in Bayern nützt.
Weiter fordern wir, dass man das Bildungswesen im Kindergarten ausweitet. Wenn wir die Bildung in der frühen Kindheit ernst nehmen, dann müssen wir die Weichen anders stellen und auch andere Bedingungen für das Erziehungspersonal schaffen.
Ich wiederhole unsere Forderung, das letzte Kindergartenjahr kostenfrei für die Eltern und verpflichtend für die Kinder zu machen. Hier sind wir bei der Aufgabe des Staates angelangt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie eine andere Ansicht haben. Deshalb will ich etwas klarstellen. Wir, die wir in der öffentlichen Verantwortung stehen, müssen Bildungsangebote von hoher Qualität für alle Kinder bereitstellen. Bei der Gelegenheit möchte ich den Familienbegriff erläutern. Wir meinen, dass die Eltern die Verantwortung für ihre Kinder tragen. Ich will das von Ihnen nicht ständig in Abrede stellen lassen. Der Staat hat aber auch Verantwortung für das Aufwachsen der Kinder.
Vor allem dann, wenn die Eltern ihrer Aufgabe nicht nachkommen können, tritt ganz besonders die Verantwortung des Staates ein. Vor allem dann, wenn die Eltern Hilfe brauchen und das Kind nicht über den Geldbeutel der Eltern gefördert werden kann, muss der Staat eintreten und die Kinder entsprechend fördern.
Wir schreiben den Leuten nicht vor, wie sie zu leben haben. Wir wollen, dass sich die Menschen das Leben selbst einrichten. Wir haben keine allein selig machende Fasson von Familie. Aber die Rahmenbedingungen müssen vom Staat und von der Öffentlichkeit festgelegt und verbessert werden. Wir haben das im Dringlichkeitsantrag beschrieben. Wir wollen vor allen Dingen den jungen Menschen eine Perspektive geben, wieder Eltern sein zu können. Dazu ist es notwendig, die Erziehungskompetenz der jungen Menschen zu stärken und ihnen dabei zu helfen Eltern sein zu können. Das hat nichts damit zu tun, dass der Staat die Aufgabe der Erziehung übernimmt. Wir wollen niemandem seine Kinder wegnehmen, sondern wir wollen den Eltern die Entscheidung überlassen.
Ich rufe die Diskussion von heute Vormittag in Erinnerung, als es um die Eingabe ging, die ein Adoptionsmodell behandelte. Ich konnte wieder feststellen, dass wir weit von Ihrer Meinung entfernt sind, da Sie anscheinend glauben, Familie könne man über das Telefon erledigen. Das ist nicht unser Verständnis.
Da Sie uns stets unterstellen, wir würden den Einrichtungen die Erziehung der Kinder überlassen, zitiere ich einen Satz von Professor Fthenakis: „Tageseinrichtungen für Kinder sind ein Teil eines umfassenden Konstruktionsprozesses der kindlichen Entwicklung.“ So müssen wir das auffassen. Die Familie hat natürlich den wesentlichen Anteil, aber auch die Tageseinrichtungen sind sehr wichtig. An dem Anteil der Familie wollen wir nichts ändern, aber wir wollen die Aufgabe des Staates einfordern, für Qualität zu sorgen. Die Aufgabe besteht darin, Einrichtungen und Institutionen weiter zu entwickeln.
Ich erkenne an, dass sich aufseiten der Staatsregierung und der CSU das eine oder andere zum positiven verändert hat und ein gewissen Umdenken eingetreten ist. Bei manchen könnte man sogar von einer Wende um hundertachtzig Grad sprechen. Wenn heute konstatiert werden muss, dass einiges getan wird, hat das damit zu tun, dass bisher sehr wenig getan wurde, dass große Defizite ausgeglichen werden müssen und deshalb besondere Anstrengungen notwendig sind. Auf ein tiefes Niveau muss man sehr viel auftragen, um auf ein akzeptables Niveau zu kommen.
Ja, „weiter“ ist eine typische Formulierung. Ich hoffe, dass der Antrag von Ihnen angenommen wird, Herr Fischer, wenn ich „weiterhin“ einfüge.
Wenn wir ernstnehmen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht werden soll, wir für Männer und Frauen gleiche Lebenschancen gewährleisten wollen und uns das Aufwachsen von Kindern wichtig ist, müssen wir eine vernünftige Politik im Sinne der Kinder und der Eltern machen. Das bedeutet, die Kinderbetreuung auszuweiten, mehr Plätze für Kinder und ein vernünftiges Lebensumfeld für Kinder zu schaffen. Das hat mit gesunder Umwelt, mit Ökologie und Nachhaltigkeit zu tun. Wir müssen aber auch die Erziehungskompetenz der Eltern stärken und Hilfen für die Eltern anbieten, die diese brauchen. Wir benötigen ein niedrigschwelliges Beratungsangebot. Wir müssen die Wirtschaft sensibilisieren, damit sie die Arbeitswelt familienkompatibler macht. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Wirtschaft weiter ist als die CSU-Staatsregierung. Zum Beispiel gibt es den Versuch der VBW.
Und wir müssen Kinderkrippen und Ganztagsschulen in den sieben Regierungsbezirken einrichten. Bei allen unseren Entscheidungen muss Leitlinie die Fürsorge für
Damit wollen wir die Familien stärken. Sie werden auch hier – ich habe die Debatte zum Landwirtschaftsetat noch im Ohr – früher oder später bei unseren Forderungen ankommen. Ich hoffe nicht, dass das zehn oder zwanzig Jahre dauern wird, wie das in der Landwirtschaftspolitik war, sondern dass Sie unseren Forderungen etwas eher nachkommen und diesem Antrag zustimmen werden, da es um die Zukunft unseres Landes, um die Zukunft unserer Kinder geht.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für einen Treppenwitz der Geschichte, wenn eine Partei, die in nie dagewesener Form auf Bundesebene und dort, wo sie in den Kommunen Verantwortung trägt, die Familien „rasiert und abzockt“,
(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sie sollten über den Tellerrand hinausschauen! – Hoderlein (SPD): Wer schreibt Ihnen so etwas auf?)
Sie haben davon gesprochen, dass auf Anregung der SPD runde Tische eingeführt worden seien. Ihr Vorschlag war zu spät. Wir haben bereits vor fünf Jahren Initiativen gestartet, und die Bayerische Staatsregierung hat längst ein Bayernforum „Familie“ eingeführt. Wir hatten das in den verschiedenen Gremien längst umgesetzt, ehe Sie Ihre Forderungen auf den Tisch legten.
Ich empfehle Ihnen, sich in den westdeutschen Ländern umzusehen und den Vergleich zu betrachten. Ich muss die von Ihnen gefürchteten Vergleichszahlen ansprechen. Bayern ist das Land mit den meisten Einrichtungen in den westdeutschen Bundesländern, die eine ganz andere Geschichte als die ostdeutschen Bundesländer haben. Sie mögen sagen, dass 3,5% zu wenig sei. Sie akzeptieren dabei aber nicht, dass es Einrichtungen der Tagespflege, Tagesmütter, Netz für Kinder und ähnliches gibt, die Arbeit leisten, die Sie als „Kinkerlitzchen“ abtun.
Daran beteiligen sich Eltern, das ist Selbsthilfe. Das ist eine aktive Bürgergesellschaft im besten Sinne des Wortes.
Sie sind der Meinung, dass Familienpolitik allein der Staat machen muss. Das ist der falsche Ansatz, meine Damen und Herren.
Sie haben die neuen Finanzierungsbedingungen angesprochen. Diese gibt es noch nicht, weil es sich um einen ergebnisoffenen Modellversuch handelt.
Alle anderen im Bayerischen Landtag haben wesentlich mehr zur Weiterentwicklung der Modellversuche beigetragen als die SPD-Fraktion. Wir werden darauf achten, dass Flexibilität im Interesse der Träger, der Erzieherinnen und der Betroffenen genauso wie Erziehung und Bildung und Qualitätssicherung in den Einrichtungen zum Tragen kommt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, überall dort, wo die Antragssteller politische Verantwortung tragen, geht es bei Einsparungen zu allererst den Familien an den Kragen. Trotzdem verlangen Sie hier eine nachhaltige und bessere Familienpolitik. Das ist nicht glaubwürdig.
Ich trage Ihnen einen Sündenkatalog der Familienpolitik vor, der mit Nachhaltigkeit nichts zu tun hat, sondern im massiven Umfang Familien und Alleinerziehende mit Kindern und auch Ältere belastet, die mit Familie zu tun haben.
Die erste familienpolitische Sünde: Sie lehnen trotz drohender Armutsrisiken für Familien mit Kindern die Verbesserungen beim Kindergeld ab.
(Hans Joachim Werner (SPD): Was? – Frau Biedefeld (SPD): Es wurde so viel erhöht, wie von keiner anderen Bundesregierung!)
Sie verlangen mit einem wachsweichen Antrag heute eine irgendwie geartete Anhebung des Landeserziehungsgeldes.
Sie, meine Damen und Herren, wissen gar nicht, wie man „Landeserziehungsgeld“ buchstabiert, denn in den Ländern, wo Sie die Verantwortung tragen, existiert es nicht.
Zweite familienpolitische Sünde: Sie erhöhen die Ökosteuer, die in besonderer Weise Familien mit Kindern und pflegende Familien betrifft und langen ihnen damit in den Geldbeutel.