Protocol of the Session on November 12, 2002

Herr Kollege Dr. Bernhard, 1500 Milliarden DM, also 1,5 Billionen Mark, betrug bei der Regierungsübernahme 1998 die Schuldenlast des Bundes. Die jährliche Zinslast für den Bundeshaushalt betrug 82 Milliarden DM. Das ist die leider nach wie vor wirksame katastrophale Erblast von 16 Jahren Ihrer Regierung.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute – in einem schwierigeren weltwirtschaftlichen Umfeld – lehnen Sie von der Union einerseits Ausgabenminderungen ab, schimpfen aber andererseits gleichzeitig auf geplante Einnahmeverbesserungen.

(Dr. Bernhard (CSU): Steuererhöhungen heißt das!)

Außerdem beklagen Sie lautstark – zum Beispiel in Ihren Zwischenrufen – die Nichteinhaltung der Neuverschuldungsgrenze von 3% des Europäischen Stabilitätspaktes. Meine Damen und Herren von der CSU, das ist eine widersprüchliche, unredliche und unseriöse Politik.

(Beifall bei der SPD – Dr. Bernhard (CSU): Ihre Politik ist unseriös!)

Nehmen wir zum Beispiel die Kürzung der Eigenheimzulage: Über diesen Punkt kann man sicherlich diskutieren. Die Wohnraumförderung für Familien mit Kindern steht für uns dabei im Vordergrund. Die CSU hat allerdings am allerwenigsten Grund, dies zu kritisieren. In einer Nachtund-Nebel-Aktion hat der Freistaat zinsgünstige Darlehen der sozialen Wohnraumförderung gekappt. Ich habe das den „Nürnberger Nachrichten“ vom 9. bis 10. November entnommen. Dort hieß es:

Freistaat kappte zinsgünstige Darlehen der sozialen Wohnraumförderung ohne Vorwarnung der Betroffenen. Hiobsbotschaft für Bauherren kam per E-mail. In diesen Tagen hat es zahlreiche Bauherren in Bayern kalt erwischt. Über Nacht hat der Freistaat die Vergabebedingungen für zinsgünstige Baudarlehen so verschärft, dass Betroffene nun völlig überraschend ihr Projekt aufgeben, umplanen oder zusätzliches Kapital beschaffen müssen.

Das ist Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt stellen Sie Dringlichkeitsanträge, um die Bauwirtschaft zu fördern. Meine Damen und Herren, bevor Sie über Berlin schimpfen, machen Sie Ihre Hausaufgaben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der CSU, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Ein weiteres Beispiel sind die Einnahmen, die Einführung einer Mindestbesteuerung bei Kapitalgesellschaften. Ihr Kandidat beklagte im Bundestagswahlkampf in echt klassenkämpferischer Manier – das war ein richtiger PDS-Wahlkampf – den Einbruch bei der Körperschaftssteuer. Er wurde nicht müde, die angebliche soziale Schieflage und die Benachteiligung des Mittelstands anzuprangern. Die CSU lehnt aber jetzt die Mindestbesteuerung, die Einschränkung des Verlustvor- und -rücktrages, durch die die Körperschaftssteuer erhöht würde, ab. Die CSU lehnt ab, ohne eigene Vorschläge zu machen oder ein Konzept zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie geben das auch zu. Der Finanzminister hat in der „Financial Times Deutschland“ am 24. Oktober erklärt: „Union kündigt Widerstand gegen Mindeststeuer an“.

(Dr. Bernhard (CSU): Das ist auch richtig!)

Sie sagen: Das ist richtig. In dem Artikel heißt es weiter:

Der Minister räumte ein, dass die Union in dieser Frage noch kein fertiges Konzept habe. Klar aber ist, statt mit dem Holzhammer draufzuschlagen, muss an vielen kleinen Stellschrauben gedreht werden, etwa im Bereich der steuerlichen Organschaften.

Meine Damen und Herren, machen Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben. Der Finanzminister soll ein Konzept vorlegen. Dann können Sie kritisieren.

(Beifall bei der SPD)

Nun zur Öko-Steuer. Sie haben bei der Öko-Steuer zum Beispiel die mangelnde ökologische Lenkungsfunktion kritisiert und die Steuer als „Abkassiermodell“ diskreditiert.

(Willi Müller (CSU): Das ist sie auch!)

Jetzt lehnen Sie die Vorschläge ab, wonach die Steuer für starke Energieverbraucher und energieintensive Industrien behutsam angehoben werden soll. Das ist widersprüchlich, unredlich und unseriös.

Nun zur zweiten Säule der Politik der Bundesregierung, also zum Investieren: Die Bundesregierung verstetigt ihre Investitionen auf hohem Niveau. Für gute Projekte – auch Projekte in Bayern – werden 29 Milliarden Euro ausgegeben. Denken Sie nur an die Autobahnen, die ICE-Strecke und die Fußballstadien. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind von 5,1 Milliarden Euro im Jahre 1997 auf 6,2 Milliarden Euro im Jahre 2002 gestiegen, also um mehr als eine Milliarde Euro. Das ist wahre Zukunftspolitik. Das muss ich einmal deutlich hervorheben.

(Beifall bei der SPD)

Die Gemeindefinanzreform zur Stärkung der Investitionskraft der Kommunen wird jetzt angegangen.

Meine Damen und Herren, ich komme damit zu den Reformen: Mit dem Hartz-Konzept schafft die Bundesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen für eine rasche und nachhaltige Vermittlung von Arbeit. Sie schafft mehr Brücken für die Beschäftigung und eröffnet neue Beschäftigungsfelder. Mit der Umsetzung der Vorschläge der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ bringt die Bundesregierung die größte Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg. Diese Reform wird auch auf dem Arbeitsmarkt in Bayern positive Auswirkungen zeitigen. Die Vorschläge, die von den Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Wissenschaft und der Politik in der Kommission einstimmig beschlossen wurden, sind geeignet, eine zum Teil lähmende gesellschaftliche Debatte zu überwinden. Die Reform verbindet die unternehmerischen Erwartungen auf Flexibilität mit dem Anspruch des Einzelnen nach sozialer Sicherheit. Die Vorschläge der Hartz-Kommission bilden ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für mehr Beschäftigung.

(Beifall bei der SPD)

Stimmen Sie doch zu. Machen Sie mit. Blockieren Sie diese Reformen nicht im Bundesrat. Das haben die Arbeitslosen in unserem Lande nicht verdient.

(Beifall bei der SPD)

Die bedauerlich hohe Arbeitslosigkeit ist in erster Linie durch die weltkonjunkturelle Lage bedingt. Sie lässt manchmal die Erfolge der rot-grünen Arbeitsmarktpolitik in den Hintergrund treten. Ich möchte nur an die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen erinnern. 1997 waren in unserem Lande 15,2 Millionen Frauen berufstätig. Im Jahre 2002 sind es bereits 16,2 Millionen. Ich erinnere auch an die steigende Zahl sozialversicherungspflichtiger Teilzeitbeschäftigter. 1997 waren es 3,62 Millionen, im Jahre 2001 4,12 Millionen.

Mit der vorübergehenden Anhebung der Rentenbeiträge sichert die Bundesregierung die wohl verdienten Renten unserer Ruheständler und schafft die Voraussetzungen für die umfassende Reform des Gesundheitswesens. „Konsolidieren, investieren und reformieren“ ist die Leitlinie der Politik der Bundesregierung zum Wohle der gesamten Bundesrepublik, auch des Freistaates Bayern. Die rot-grüne Bundesregierung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder an der Spitze wird auch in schwierigen und stürmischen Zeiten das Staatsschiff erfolgreich steuern und in ruhigere Gewässer leiten. Eine Unionsopposition ohne Konzept brauchen wir dabei nicht zu fürchten.

(Gabsteiger (CSU): Das glaubt ihr doch selber nicht!)

Meine Damen und Herren, Sie gewinnen die Umfragen, wir gewinnen die Wahlen.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU-Fraktion hat heute ein allumfassendes universelles Thema gewählt: „Auswirkungen der Vorhaben der Bundesregierung auf die Wirtschaft in Bayern“. In Berlin gibt es durchaus Vorhaben mit positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft in Bayern. Ich denke dabei an die Energiepolitik, an die Fortsetzung und Fortführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

(Dr. Bernhard (CSU): Erdgassteuer!)

Herr Dr. Bernhard, ich komme gleich auf das zu sprechen, worüber Sie sich mit uns unterhalten wollen. Heute geht es also um etwas anderes: Heute werden wir uns über die Rente, das Gesundheitswesen, Subventionsabbau und über Steuern unterhalten. Ganz aktuell sind die Gesetzentwürfe zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 6. November.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

Herr Dr. Bernhard, ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass wir davon alles andere als begeistert sind.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

Das Vorschaltgesetz zum Gesundheitswesen mit – ich nenne jetzt nur Stichworte – der Nullrunde bei den Krankenhausausgaben und der Deckelung der Kassenbeiträge verzögert in unseren Augen einen Einstieg in wirkliche Reformen und munitioniert politische Gegner. Wir kennen doch die Schlagzeilen, zum Beispiel: „Nullrunde Klinik: 20 Kräfte weniger“.

Zur Rentenversicherung: Die Schwankungsreserve in der Rentenversicherung war schon bei Ihnen geringer. Das Problem ist zum einen die Beitragsbemessungsgrenze und zum anderen der höhere Satz von 19,5 Prozentpunkten. Wir fordern endlich ein Umsteuern in Richtung auf zwei Ziele. Das eine Ziel ist die Generationengerechtigkeit, das andere sind geringere Lohnnebenkosten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit sind wir bei einem der Grundübel der Politik angelangt. Die großen, klientelverhafteten Parteien wagen es nicht, über grundlegende Reformen und radikale Reformschritte nachzudenken. Ein weiteres Grundübel ist – Herr Dinglreiter hat mehr Wachstum vehement eingefordert –, dass die ganze Wirtschaftspolitik gedanklich auf Wachstum aufbaut, dass alles von regelmäßigem Wachstum abhängig ist. Das halten wir für einen Fehler; denn das führt die Politik zum einen in eine Glaubwürdigkeitsfalle – Stichworte Arbeitsplatzzusagen, Arbeitslosenquote, Staatsverschuldung –, und zum anderen hindert das Vertrauen auf stetes Wachstum am Nachdenken über wirkliche Reformen der sozialen Sicherungssysteme und über Reformen der Finanzierung öffentlicher Haushalte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist stetiges Wachstum nicht gottgegeben, zumal in einer schrumpfenden Gesellschaft. Auch dies gilt es zu bedenken.

An dieser Stelle ist die Frage aufzuwerfen: Wo wären wir denn heute ohne Rot-Grün? Wo wären wir heute ohne die Ökosteuer? –

(Lachen bei der CSU)