Protocol of the Session on July 10, 2019

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Eine Nichtanerken nung der Frau! – Unruhe)

Dass der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg insbeson dere für die Automobilbranche zunehmend an Attraktivität verliert, hätte man schon erkennen können, als Bosch be schloss, seine Halbleiterfabrik in Dresden zu eröffnen. Aber wer kann dies dem schwäbischen Traditionsunternehmen schon verübeln, raubt ihm unsere Landesregierung zuneh mend die Existenzgrundlage. Hier verbrennt halt eine Batte rie nach der anderen.

Da erscheint es schon fast zynisch, dass Herr Kretschmann nun den Betroffenen gibt. Auf fünf Seiten formulieren Sie ge meinsam mit anderen enttäuschten Ministerpräsidenten, wa rum es sich bei der Entscheidung um einen Fehler gehandelt habe. Ja, es wurden Fehler gemacht, nämlich vor vielen Jah ren, als man dieses Thema hier in Baden-Württemberg nicht früh genug förderte.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ach je! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

So konnte sich das MEET in Münster in neun Jahren einen Wissensvorsprung aufbauen. Der Gründer, Professor Martin Winter, wird vom „manager magazin“ sogar als „Batterie papst“ bezeichnet. Ein Vorwurf, den sich auch SPD und FDP und besonders die CDU gefallen lassen müssen: Man ver schnarcht halt seit Jahrzehnten wesentliche Entwicklungen.

Natürlich hat die Entscheidung ein Geschmäckle, aber die Schuld an der Entscheidung tragen Sie alle mit Ihren Versäum nissen in der Vergangenheit. Wenn Sie, liebe Grüne, das, was die Fraunhofer-Gesellschaft macht, immer so beherzigen wür den wie in diesem Fall, dann sollten Sie das doch bitte auch tun, wenn es um die Lockerung der Feinstaubgrenzwerte geht.

Wenn wir allerdings über Geschmäckle reden, dann erinnere ich Sie an Ihre Pressemitteilung vom 30. April dieses Jahres, in der es u. a. hieß: „Aufbau und Betrieb der Forschungsfer tigung sollen durch die Fraunhofer-Gesellschaft erfolgen.“ Lieber Herr Ministerpräsident, dass die „unabhängigen“ Ex perten, auch „Mietmäuler“ genannt, zu dem Ergebnis kom men, dass Baden-Württemberg der beste Standort sei, verwun dert mich nicht wirklich, wenn sie danach für Aufbau und Be

trieb verantwortlich sind. Aber solche Klüngeleien kenne ich auch von Ihrem Parteifreund, dem Stuttgarter Bürgermeister Werner Wölfle.

Kein Plan B: Das ist Ihre Aussage in einem Interview mit dem SWR gewesen, Herr Ministerpräsident, und beschreibt gleich zeitig auch Ihren gesamten Politikstil. Sie sind lebensgefähr lich für das Land – wie Ihre Partei für die ganze Republik. Auszubaden haben das letztlich andere.

Darum bleibt nur zu hoffen,...

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abg. Dr. Fiechtner.

... dass Ihre halb herzige Kritik noch ein paar Fördermittel in Berlin lockert.

Der Einzige, der Erfolg hatte, ist, wie Kollege Rülke bereits sagte, Herr Reinhart gewesen: mit einem Telefonat immerhin 50 Millionen €. Congratulations, Professor Reinhart!

Herr Abg. Dr. Fiechtner, Ihre Redezeit ist beendet. Vielen Dank.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Auf Wiedersehen, Frau Abgeordnete!)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wort meldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 1 unserer Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft – Daheim im Innovationsland: Innovation im Bereich Um weltschutz, Umwelttechnik, Ressourceneffizienz und Bio ökonomie in Baden-Württemberg – Drucksache 16/2160

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Murschel.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich bei der Debatte ge rade gefragt, was das jetzt eigentlich war:

(Abg. Paul Nemeth CDU: Eine Aktuelle Debatte!)

Batterieforschung spitze, aber irgendwie doch nicht. Auch ging es um die Frage, wie man die Systemkompetenz behält, usw. usf. Dazwischen wurde das Ganze so ein bisschen mit dem Politikum verquickt, dass das Geld jetzt halt doch nicht nach Ulm geht, sondern irgendwo anders landet.

Was mir dabei im Kopf bleibt, ist eines: Das Thema „Bioöko nomie, Umwelttechnologie, Umweltführerschaft“, das wir uns in Baden-Württemberg immer wieder als spezielle Kompe tenz zuschreiben, dürfen wir uns nicht wegnehmen lassen. Da brauchen wir in Zukunft auf jeden Fall das Standing und die Kompetenz.

Ich gehe ein bisschen auf das Thema Bioökonomiestrategie ein. Das ist ein Thema, bei dem wir uns wirklich auf die Schulter klopfen können und sagen können: Da haben wir wirklich Gutes gemacht und auf den Weg gebracht. Da sind wir weltweit, glaube ich, an der Spitze – mit Universitäten, mit Einrichtungen, aber auch mit kleineren Einheiten und Un ternehmen, die sich in diesem Bereich tummeln. Die damals von Grün-Rot geführte Landesregierung hat bereits 2013 die Bioökonomiestrategie auf den Weg gebracht. Das war die Ant wort auf die große Frage, wie man von der fossilen Energie hin zu mehr Klimaschutz und zu einer Nachhaltigkeit kommt.

Der Begriff Bioökonomie ist noch immer etwas schillernd – so würde ich es einmal nennen. Aber über die verschiedenen Definitionen hinweg betrachtet, enthält er heute einen poli tisch-strategischen Ansatz, der weltweit über die ganzen Po litikbereiche und über die Länder hinweg ein Wirtschaftssys tem beschreibt, das Ressourcen- und Klimaschutz als Kern kompetenz hat und ethische und soziale Fragen in großem Umfang beinhaltet.

Unsere Landesstrategie Bioökonomie orientiert sich auch an den Nachhaltigkeitsgrundsätzen und -zielen des Landes und den Zielen der Vereinten Nationen für die nachhaltige Ent wicklung – übrigens auch eingebunden in eine Strategie der EU. Das ist gut so, weil die EU in letzter Zeit tatsächlich ei nen Schwerpunkt darauf setzt und Milliardenprogramme auf legt, um diese Bereiche stärker zu unterstützen.

Wenn man die Definition global betrachtet, stellt man fest: Bioökonomie ist die umfassende, wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Prinzi pien, mit deren Hilfe Produkte und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems bereitgestellt und ge nutzt werden können. Global gesehen beinhaltet das also recht viel, sagt aber eigentlich klar aus: Mit dem Verbrauch der fos silen Energien leben wir ja tatsächlich auf Kosten der kom menden Generationen. Man braucht das nicht länger auszu führen – das haben wir in diesem Haus und in den Ausschüs sen schon Hunderte Mal debattiert.

Wir betreiben keine nachhaltige Politik, stattdessen brauchen wir ein Umdenken in Kreisläufe. Wir müssen wegkommen von der Produktion von kaum abbaubaren Kohlenstoffverbin dungen. Kunststoffe sind das Thema auf der Welt: belastete Ökosysteme und Einträge von Kunststoffen in die Nahrungs kette als gesundheitliches Risiko. Die Ressourcen werden knapper. Sie kennen die Thematik. Die Menschheit wächst, der Hunger wird zunehmen, und die Folgen liegen auf der Hand.

Deswegen brauchen wir so etwas wie bioökonomische Prin zipien in Wirtschaft und Gesellschaft unter Nutzung von – wie es so schön heißt – Life-Science-Disziplinen – darauf setzt auch die Universität Hohenheim ganz starke Schwerpunkte – und eine kreislauforientierte Ökonomie.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Paul Nemeth CDU)

Deswegen wird die Bioökonomie zu einem Systemwechsel führen, was die Art und Weise angeht, wie man Güter produ ziert, wie diese Güter genutzt werden und wie sie später auch

recycelt oder einer energetischen Verwertung zugeführt wer den. Damit ist sie ein integraler Teil der Energiewende wie auch der Nahrungsmittelversorgung, und sie spielt sicherlich auch beim Thema Mobilität – wir haben gerade darüber dis kutiert – eine große Rolle.

Es geht also nicht nur um Umwelt- und um Klimaschutz, son dern auch um die Frage, wie Arbeitsplätze attraktiv und um weltfreundlich gestaltet werden können. Hierzu gibt es unter schiedliche Antworten – dies spiegelt sich auch in der Öko nomiestrategie wider – für ländliche, für urbane und für in dustrielle Räume.

Die strategischen Ziele im Bereich der Bioökonomie sehen für ländliche Räume anders aus als für die urbanen Bereiche. Die einzelnen in der Strategie nachzulesenden Maßnahmen sind nur strategische Beispiele, die man unendlich fortsetzen könnte.

Ich nenne einmal das, was auf der Ebene des Landes und der Landesregierung bereits gemacht wurde: Holz als Baustoff statt des aufwendigen Einsatzes von Zement; dies wurde vo rangebracht, es ist nun auch ein Schwerpunktthema in der LBO. Biogasanlagen, die derzeit rund 8 % der Bruttostrom erzeugung liefern: Jeder weiß, dass in ein paar Jahren fast al le dieser Anlagen aus der EEG-Förderung herausfallen wer den. Wenn dies eintritt, stellt sich die Frage: Was passiert ei gentlich mit all den frei werdenden Flächen, die bislang für die Biomasseproduktion genutzt wurden? Was wäre unter bio ökonomischen Gesichtspunkten eine geeignete weitere Land nutzung? Soll man Nahrung erzeugen? Soll man dort Tiere halten? Soll man Nutzpflanzen für eine stoffliche Produktion anbauen? Soll man Energiepflanzen anbauen? All das sind Kernfragen für die Bioökonomie. Deswegen wird spannend sein, wie sich dies weiterentwickelt.

Die Themen werden uns also nicht ausgehen. Wir müssen in Baden-Württemberg die Bioökonomie als zentralen Bestand teil einer auf Fortschritt hin ausgerichteten Entwicklung ver stehen, die unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit steht.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Nemeth.

Guten Morgen, Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Daheim im Inno vationsland: Innovation im Bereich Umweltschutz, Umwelt technik, Ressourceneffizienz und Bioökonomie in BadenWürttemberg“ – das ist ein Antrag, der geradezu auf unser Land Baden-Württemberg zugeschnitten ist, und zwar gestern wie heute. Wir haben in diesem Bereich nämlich eine tolle Geschichte. Zugeschnitten ist er auch auf diese Regierung von Grün-Schwarz; denn wir haben in unserem Koalitionsvertrag umfangreiche Vereinbarungen getroffen, die unsere Vorreiter rolle in Baden-Württemberg, in Deutschland und in Europa fortführen sollen. Das ist ein Schwerpunkt dieser Regierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Die Umgebung, in der wir das tun, ist tatsächlich dramatisch. Die Weltbevölkerung wächst; derzeit leben 7,5 Milliarden

Menschen auf dem Planeten, 2050 werden es möglicherwei se zehn Milliarden sein. Jahr für Jahr wächst die Weltbevöl kerung um ca. 80 Millionen Menschen, so viel also, wie hier in Deutschland leben. Wir brauchen weltweit eine verstärkte Sicherung der Ökosysteme – Boden, Luft, Wasser, Natur –; wir brauchen – Kollege Murschel hat es schon angesprochen – die Sicherung der Ernährung. Dies muss, global gesehen, Toppriorität haben. Und zu all dem kommen die Herausfor derungen durch den Klimawandel.

Deswegen brauchen wir eine hervorragende Forschung. Die se müssen wir fördern. Wir brauchen eine Exzellenzstrategie, und wir brauchen – meine Damen und Damen von der AfD –

(Heiterkeit der Abg. Nicole Razavi CDU)

innovative Köpfe. Wir brauchen innovative Köpfe aus der ganzen Welt.

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Deswegen schadet es Baden-Württemberg, wenn ausländer feindlich und rassistisch argumentiert wird. Das darf in Ba den-Württemberg keinen Platz haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Das ist unterirdisch! Ein Unsinn, so zu sprechen! Pauschal irgendwas in den Raum zu setzen!)

Lesen Sie einmal Ihre Reden im Landtag nach. Dann wis sen Sie, was ich meine. Hören Sie weiter zu.