Protocol of the Session on June 5, 2019

als grobe Orientierung für die mittleren Windgeschwindigkei ten im Land auf den Weg gebracht. Warum Herr Untersteller nun eine Neufassung in Auftrag gibt, wenn er gleichzeitig auf der Vorstellungspressekonferenz einräumt, dass die Windener gie im Südwesten ohne planwirtschaftliche Regionalquote für Süddeutschland keine großen Chancen mehr hat, ist allerdings fraglich. Die Veränderung des Windatlasses in der Systema tik macht die Sache auch nicht einfacher. Darauf wurde ver schiedentlich schon eingegangen.

Was uns aber ganz besonders nachdenklich macht, ist die Tat sache, dass dieser Windatlas eigentlich schon Mitte März vor lag, aber erst am 29. Mai, nach der Kommunalwahl, veröf fentlicht wurde. Der Grund ist doch klar: Die Windkraft spal tet die Gesellschaft, und dies sorgt für Gegenwind, der sich in den Wahlergebnissen niedergeschlagen hätte. Also wartete man lieber bis nach der Wahl.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Grüne Heuchelei!)

Bemerkenswert war aber zudem, dass der Umweltminister die Zeit, die er dann noch hatte, nicht dazu nutzte, den neuen Wind atlas koalitionsintern abzustimmen – weder mit der CDUFraktion, dem Koalitionspartner, noch mit der für Landespla nungsrecht und Raumordnung verantwortlichen Wirtschafts ministerin, Frau Hoffmeister-Kraut. Die systematische Aus bootung des Wirtschaftsministeriums unter Grün-Schwarz scheint inzwischen Schule zu machen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Schon beim Arbeitsschutz hielt Herr Untersteller eine Abstim mung mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Woh nungsbau nicht für nötig. Beim angekündigten 50-Millionen-€Paket zur Förderung der Bioökonomie scheint das Wirtschafts ministerium als zentraler Ansprechpartner der Unternehmen im Land ebenfalls völlig außen vor zu sein.

Die Taktik von Grün ist doch klar: Alles, was den Anstrich von ökologisch hat, wird in die grün geführten Ministerien ge zogen. Schließlich braucht man sichtbare Symbole der Ener giewende und der grünen Politik.

Man muss der Ehrlichkeit halber aber sagen: Es gehören im mer zwei dazu, und die CDU macht keinen Gegenwind. Dort herrscht Energieflaute.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Außer Herrn Zimmermann! „Palmöl“!)

Sie kennen das vielleicht noch aus früheren Zeiten: Da hat man Hochhäuser gebaut, um seine Macht zu zeigen. Wind energieanlagen sind so etwas Ähnliches, schrieb jemand in der „Badischen Zeitung“, vielleicht ein Symbol der sichtba ren Energiewende.

Fotovoltaik und Geothermie oder gar die effiziente Nutzung von Energie fallen nicht so auf. Ein Windrad sieht man aber. Da kann man sagen: „Guck, da tut sich etwas.“ Deswegen ist auch die Bepreisung und dann das Wiederzurückgeben an die Menschen eine Mogelpackung, weil das letztlich gar nicht das fördert, was eigentlich das Wichtigste ist: Weniger Strom zu verbrauchen ist nämlich ein wesentlicher Beitrag zur Energie wende.

An dieser Stelle gilt es weiterzumachen mit den wichtigsten Dingen: die Windenergie dort einzusetzen, wo sie Sinn macht, den Bedürfnissen der Menschen Rechnung zu tragen, einen Abstand von mindestens 1 500 m in den Landesentwicklungs plan aufzunehmen und endlich mal eine Zusammenarbeit zwi schen Umweltminister und Wirtschaftsministerin anzustreben, in der Bebauungsplanung für Windräder, Wohngebäude und Gewerbegebiete Hand in Hand gehen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Die Landesregierung macht doch keine Be bauungspläne!)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist jetzt auch ein Segen! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Bist du da sicher? – Gegenruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ja!)

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fink, Sie haben recht: Die Aufgabe der Landesregierung ist es, zu schauen, wie man das wieder in Schwung bekommt. Es ist so, dass wir hinterherhinken.

(Zuruf von der AfD: Wem oder was?)

Wir hatten 2015 53 Anlagen, 2016 120 Anlagen, 2017 123 Anlagen im Land gebaut. Dann ist es eingebrochen. Einer der wesentlichen Gründe war die Umstellung auf die Ausschrei bungssystematik.

Lieber Kollege Nemeth, was ich möchte, ist, dass wir wieder dahin kommen, wo wir waren. Vor den Ausschreibungen hat

ten wir in Süddeutschland, also südlich der Mainlinie, 22 % des bundesdeutschen Ausbaupotenzials. Heute haben wir 8 %. Alle Rechnungen gingen aber in der Vergangenheit, was den Netzausbau usw. betrifft, im Wesentlichen von diesen 22 % aus. Ob wir es dann auf der Grundlage von Quoten-, Bonus- oder anderen Regelungen berechnen, dafür bin ich absolut of fen; das habe ich auch immer wieder betont.

Die Bundesregierung hat eingesehen, dass man dies ändern muss. Wenn Sie in den Koalitionsvertrag auf Bundesebene schauen, dann sehen Sie, dass dies auch darin steht. Meine Hoffnung ist, dass im Laufe dieses Jahres mit der EEG-No velle – die im Herbst kommen muss; denn es werden eine Rei he von Dingen geregelt werden müssen, so z. B. die Ände rung des Volumens der Ausschreibung – auch dieser Punkt, der ja im Koalitionsvertrag enthalten ist, aufgenommen wird.

Der neue Windatlas, meine Damen und Herren, zeigt, dass die Windenergie in Baden-Württemberg an mehr Stellen nutzbar ist, als bisher angenommen wurde. In erster Linie ist er – dies steht auch in der Überschrift der Pressemitteilung – eine bes sere Informationsgrundlage für alle Beteiligten: für die Ge nehmigungsbehörden, für die Projektierer und alle anderen an den Planungen und am Bau von Windkraftanlagen Beteilig ten.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Und die Bürger?)

Nach dem alten Windatlas kamen rein nach Wirtschaftlich keitskriterien plus/minus 3 % der Landesfläche für den Bau von Windkraftanlagen infrage,

(Abg. Klaus Dürr AfD: Mit oder ohne Förderung?)

nach dem neuen Windatlas sind es 6 %. Der alte Windatlas – ich glaube, Kollege Nemeth hat es erwähnt – wurde auf der Grundlage von Zahlen aus den Jahren 2008/2009 erstellt, da mals in der Verantwortung des Kollegen Pfister, des früheren Wirtschaftsministers. Ich habe ihn dann – dies war eine mei ner ersten Amtshandlungen – 2011 veröffentlicht.

Seither hat sich aber technologisch im Bereich der Windener gieanlagen und der Windenergietechnik Enormes getan. Als ich in dieses Amt kam, hatten die großen Anlagen ca. 1 MW Leistung. Heute wird keine Anlage mehr unter 4 MW Leis tung gebaut.

(Abg. Anton Baron AfD: Physikalischer Grundsatz!)

Einiges hat sich geändert, z. B. die Nabenhöhe. Vor einigen Jahren hatten wir noch 120, 130 m, in den letzten beiden Jah ren 140 m, und bei den neuen Anlagen sind wir bei plus/mi nus 160 m. Zudem wurde für die Binnenstandorte, zu denen Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz gehören, eine spezielle Anlagentechnik entwickelt.

Denn es stimmt natürlich, dass der Wind im Norden intensi ver weht als im Süden. Aber es stimmt auch – dies sagen nüch terne Analysen, die wir in Auftrag gegeben haben –: Wenn man die 123 Anlagen, die in Baden-Württemberg 2017 in Be trieb gegangen sind, hinsichtlich der Erträge überprüfen lässt, wie wir es getan haben, Frau Kollegin Reich-Gutjahr, und da bei herauskommt, dass sie im Schnitt 2 000 Volllaststunden haben – eine Fotovoltaikanlage in Stuttgart oder in Sigmarin gen oder sonst wo kommt auf 1 000 Volllaststunden –, dann

kann man doch nicht sagen: Das eine nehmen wir, und das an dere nehmen wir nicht. Diese Wahl haben wir bei der Ener giewende nun einmal nicht, sondern letztendlich brauchen wir die erneuerbaren Energien insgesamt, und es geht darum, die guten Standorte insgesamt zu nutzen.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Minister Untersteller, las sen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Palka zu?

Von wem?

Von Herrn Abg. Palka.

Wer ist das?

(Vereinzelt Heiterkeit)

Hier.

Nein, mache ich nicht.

(Heiterkeit)

Allein, meine Damen und Herren: Aufgrund des technischen Fortschritts ist es nun einmal so, dass mittlerweile Standorte infrage kommen, die vor wenigen Jahren noch aufgrund von Unwirtschaftlichkeit ausgeschlossen gewesen wären. Wie ge sagt: Mit der zunehmenden Höhe der Anlagen, mit neuer Technik usw. sind nun mal Standorte dazugekommen, die vor wenigen Jahren noch nicht erschließbar gewesen wären.

Hinter dem neuen Windatlas steckt das Wissen von Expertin nen und Experten eines von uns beauftragten, sehr renommier ten Ingenieur- und Planungsbüros. Das heißt, der Atlas ist auf wissenschaftlicher Basis entstanden und nicht, wie manche glauben machen wollen, politisch bei mir im siebten Stock des Umweltministeriums ausgewürfelt worden.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Was hat er gekostet?)

In den Windatlas sind die neuesten Simulationsmethoden auf genommen worden, es sind sehr viele Daten von bestehenden Windkraftanlagen eingeflossen. Es ist nämlich auch noch ein mal ein Unterschied zu 2008/2009, dass wir heute wesentlich mehr Messpunkte im Land und natürlich auch wesentlich mehr Erfahrungen durch die in den letzten Jahren gebauten Anlagen haben. All diese Dinge sind hier eingeflossen. Als Ergebnis steht mit dem neuen Windatlas nun eine deutlich ver besserte und vor allem auch zeitgemäße Informations- und Planungsgrundlage zur Verfügung, die auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik ist. Und diese unterstützt – ich habe es eingangs bereits erwähnt – die Planungsträger und die Genehmigungsbehörden bei der Arbeit.

Im Rahmen der Erstellung dieses neuen Windatlasses haben wir auch einen neuen Orientierungswert von 215 W pro Qua dratmeter für Anlagen mit einer Nabenhöhe von 160 m ange geben. Der Orientierungswert ist schlicht die Maßeinheit für

die Windverhältnisse an einem Standort, an dem es sich wirt schaftlich lohnt, eine Anlage zu betreiben. Es geht also nur um die wirtschaftliche Windhöffigkeit, die dort betrachtet wird.

Mit dem neuen Orientierungswert werden die Anforderungen an den Standort ausdrücklich nicht abgesenkt, sondern es wird in etwa der gleiche Referenzertrag erzielt wie bei dem bishe rigen Orientierungswert im alten Windatlas. Um dies einmal zu übersetzen: Die Angabe von 5,5 m pro Sekunde bei einer Nabenhöhe der Anlage von 140 m entspricht den 215 W pro Quadratmeter, die jetzt im Windatlas stehen. Das heißt, wir haben nicht die Anforderungen gesenkt, um zu mehr Hektar flächen zu kommen, sondern das Ergebnis resultiert ausschließ lich aus einer Verbesserung der Technik, aus mehr Messpunk ten und neuen Anlagentechnologien. Das ist das Ergebnis, und so kommt es, dass Baden-Württemberg – ich sage dazu: Gott sei Dank! – mehr wirtschaftlich erschließbare Flächen hat.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Minister Untersteller, las sen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schweickert zu?

Ja, bitte.