Wenig Grund zur Hoffnung gibt allerdings die einstige Kli makanzlerin mit ihrer Ablehnung der CO2-Steuer und ihrem Auftritt in Sibiu in der letzten Woche. Auch die Bundesregie rung muss sich hier endlich bewegen.
Wie sieht es nun mit der europäischen Flüchtlingspolitik aus? In Italien bedeutet ein Sieg der Rechtspopulisten, dass Men schenrechte auf der Strecke bleiben. Über Jahrhunderte war die Seenotrettung selbst zu Kriegszeiten Menschenpflicht. In Italien wird man jetzt sogar dafür bestraft. Wir Grünen stehen für Seenotrettung, und wir stehen für mehr Entwicklungszu sammenarbeit, um Fluchtursachen zu bekämpfen.
Probleme bereitet gegenwärtig auch die Rechtssicherheit. Ge gen Ungarn und Polen laufen EU-Verfahren aufgrund von Ver fassungsänderungen und Eingriffen in die Meinungsfreiheit. Bei Rumänien ist man wegen der Einschränkung der Presse freiheit kurz davor, das EU-Verfahren einzuleiten.
Aber schauen wir auf unser Baden-Württemberg. Wir haben uns seit Beginn der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf den Weg zu mehr Europa gemacht. Und mit jedem Schritt haben gerade wir auch von dieser Gemeinschaft profitiert. Deutschland hat durch den EU-Binnenmarkt einen jährlichen Wohlstandsgewinn von 86 Milliarden €. Jeder dritte Arbeits platz im Südwesten hängt vom Export ab. Zwei Drittel aller baden-württembergischen Exporte gehen in den EU-Binnen markt. Über die Förderprogramme aus Brüssel flossen in der letzten Legislaturperiode 5,1 Milliarden € ins Land, vorwie gend in die Landwirtschaft sowie in Forschung und Entwick lung.
So ist es auch für uns in Baden-Württemberg wichtig, dass das neue Parlament die Verhandlungen über den Mehrjähri gen Finanzrahmen schnellstmöglich fortsetzt. Denn nur als ei
niges gemeinsames Europa haben wir eine Chance im Wett bewerb mit den Großen wie Amerika, China oder Russland.
Auch deshalb müssen wir in der kommenden Legislatur ge meinsame Strategien gegen Steuervermeidung von Großkon zernen fahren, dies auch, um das soziale Versprechen der Marktwirtschaft endlich für alle Europäer einzulösen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Sonntag dieser Woche haben wir 25 Jahre Weltkulturerbe im Kloster Maulbronn ge feiert. Die Zisterzienserklöster hatten schon im Mittelalter ei nen europaweiten Wertekodex und bildeten einen Wirtschafts verbund. Die Geburtsstätte des Klosters Maulbronn liegt im Kloster Citeaux bei Dijon in Frankreich. Dieses wiederum hat te Niederlassungen im heutigen Tschechien, in Katalonien, in Portugal und sogar in Großbritannien.
Genau. – Mit wichtigen Arbeitsgebieten in Landwirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sozialem bildeten sie eine Gemein schaft, die sich regelmäßig im Hauptkloster zur Abstimmung traf. In gewisser Weise ist das Werk der Zisterzienser ein kul tureller Vorfahre der EU.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Winfried Mack CDU: Bravo! – Abg. Anton Baron AfD: Wahnsinn!)
Aber zurück ins Heute. Aktuell arbeitet Baden-Württemberg gemeinsam mit Frankreich in der Frankreich-Konzeption an einer Strategie, die in die Zukunft Europas weist. Neue Brü cken über den Rhein sollen Baden und das Elsass verbinden. Alte Bahnlinien wie Freiburg–Colmar und Rastatt–Hagenau sollen reaktiviert werden.
Ob in der Schule, im Universitätenverbund Eucor oder in bi lingualen Berufsschulen: Am Oberrhein soll aus der Sprach barriere eine selbstverständliche Zweisprachigkeit werden.
Fessenheim soll mit der Stilllegung des alten Atomreaktors und dem Aufbau eines grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Wissenschaftszentrums zum gemeinsamen europäischen Projekt werden.
Last, but not least soll ein Bürgerfonds für grenzüberschrei tende Projekte und Städtepartnerschaften zur Verfügung ge stellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will noch einmal einen Punkt in Erinnerung ru fen, damit sich hier nichts Falsches einschleicht. Wir freuen uns immer über Besucherinnen und Besucher auf der Tribü ne. Sie werden aber vom Redepult aus nicht begrüßt, weder von Mitgliedern des Landtags noch von Staatssekretären und Ministern. Das sollten wir nicht anfangen.
Wir haben jetzt eine neue Kollegin, die zum ersten Mal eine Rede hier im Haus hält. Für die CDU darf ich Frau Abg. Isa bell Huber ans Redepult bitten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, rund eine Woche vor der Europawahl auf die Vorzüge Europas ein zugehen und die Bedeutung dieser anstehenden Wahl zu be tonen.
Wir werden die Probleme in der Welt nicht allein lösen kön nen, weder als Baden-Württemberger noch als Deutsche, son dern nur gemeinsam als Europäer in Baden-Württemberg.
Er kennt keine Grenzen, findet weltweit statt. Da ist es wich tig und richtig, dass das Bundesland Baden-Württemberg da gegen vorgeht – ebenso wie die Bundesrepublik als Land. Aber noch wirkungsvoller ist es, wenn 28 Mitgliedsstaaten gemeinsam dagegen vorgehen und an einem Strang ziehen,
und dafür brauchen wir Europa. Dabei ist es auch verständ lich, dass die Entscheidungsfindung oft schwierig ist. Immer hin sitzen Vertreter von 28 unterschiedlichen Nationen an ei nem Tisch – mit teils divergierenden Interessen und Zielen. Kompromisse sind hier gefragt; diese benötigen oft etwas Zeit.
Die „Vier Motoren für Europa“ sind ein hervorragendes Bei spiel für Zusammenarbeit bei der Transformation in der Au tomobilindustrie oder der Digitalisierung bei Gesundheit und Pflege – Themen, die ebenfalls nicht nur Baden-Württemberg betreffen, sondern auch andere Länder. Hier arbeiten wir Sei te an Seite mit Italien, Spanien und Frankreich.
Mit dem zuletzt genannten Land verbindet uns wiederum ei ne ganz besondere Beziehung. Der Vertrag von Aachen bestä tigt dies nochmals. Darin finden sich auch zentrale Themen für Baden-Württemberg wie das deutsch-französische Netz werk für künstliche Intelligenz, der Zukunftsprozess Fessen heim oder der Ausbau des grenzüberschreitenden Verkehrs.
Die „Vier Motoren für Europa“ und der Vertrag von Aachen – zwei Beispiele für die hervorragende Zusammenarbeit in Europa mit Vorteilen für unser Land Baden-Württemberg.
Als weiteres Beispiel möchte ich das ebenfalls auf der heuti gen Tagesordnung befindliche Katastrophenschutzverfahren der Union anführen. Das ist in dem vorliegenden Entwurf ein wirklich exzellentes Beispiel für Subsidiarität in Europa, bei gleichzeitig gelebter Solidarität. Jeder Mitgliedsstaat kann in den jeweils vorhandenen Strukturen versuchen, die Katastro phe – die hoffentlich natürlich nicht eintreten wird – zu lösen. Sollte ein Land dies jedoch nicht schaffen, kann die EU un terstützend angefordert werden, beispielsweise durch rescEU oder den Europäischen Katastrophenschutz-Pool, in dem die Mitgliedsstaaten Ressourcen registrieren lassen können, die dann bei Katastrophen zum Einsatz kommen, wie beispiels weise die Trinkwasseraufbereitungsmodule des THW.
Hier geht ein besonderer Dank an das Innenministerium so wie das Ministerium der Justiz und für Europa – also an Sie, Herr Wolf –, die sich stark für die Einhaltung der Subsidiari tät eingesetzt und damit an dem nun vorliegenden Entwurf maßgeblich mitgearbeitet haben.
Die wichtige Botschaft, die ich heute mit diesem Beispiel Ih nen allen – insbesondere Ihnen, den Zuhörern – geben möch te, lautet: Gemeinsam können wir viel erreichen. Gemeinsam sind wir stark.
Dafür brauchen wir Europa, und dafür braucht Europa Ihre Stimme. Denn am 26. Mai ist auch die Europawahl. Um hie rauf aufmerksam zu machen, tourt dank des Europaministe riums ein Bus durch ganz Baden-Württemberg. Dieser Bus hat ein Ziel: auf die Europawahl aufmerksam zu machen und Lust aufs Wählen zu machen.
Ich kann Ihnen versichern: Ich habe Lust auf die Europawahl. Ich habe Lust auf ein starkes, proeuropäisches Europa. Wenn ich bei mir zu Hause die Plakate einiger bestimmter antieuro päischer Parteien – ich schaue unauffällig auf die rechte Sei te –
hängen sehe, dann kann ich Ihnen sagen: Wir leben hier in Ba den-Württemberg bereits seit vielen Jahren in einem friedli chen und solidarischen Europa. Unserem Ländle geht es dank Europa so gut. Denken Sie an die Wirtschaft, an den badenwürttembergischen Export in die EU; denken Sie an die Land wirtschaft. Wo wären wir hier ohne die EU?
Diese Frage möchte ich nicht beantworten müssen. Daher las sen Sie uns gemeinsam am 26. Mai die Weichen dafür stellen, dass so etwas wie ein „Dexit“ – der tatsächlich von manchen gefordert wird – nicht eintritt, dass keine Parteien ins Euro päische Parlament gewählt werden, die die EU abschaffen wollen oder dieser kritisch gegenüberstehen. Denn es steht viel auf dem Spiel.