Wir stehen dazu, dass wir den Schutz unserer Justizbediens teten verbessern müssen. Das sind wir den Menschen, die je den Tag für den Rechtsstaat in den Gerichten und Haftanstal ten arbeiten, einfach schuldig, meine Damen und Herren.
Wir halten es deshalb für vertretbar – das war tatsächlich ei ne engagierte Diskussion bei der Formulierung des Gesetz entwurfs –, dass Justizbedienstete künftig in begründeten Aus nahmesituationen mittels Tonübertragung durch ihre mobilen Alarmgeräte die Polizei alarmieren können. Das kann und muss man kritisch sehen; das muss man auch kritisch in der Umsetzung begleiten. Aber nach den vorliegenden Erfahrun gen sowohl aus dem Bereich der Justizvollzugsanstaltsbe diensteten als auch der Gerichtsvollzieher ist diese Maßnah me aus unserer Sicht notwendig. Wie gesagt: Die Einsatz- und Anwendungsmöglichkeiten sind klar und eindeutig rechts staatlich geregelt.
Wir verbessern gleichzeitig die Zusammenarbeit der Justiz vollzugsbehörden. Das gilt sowohl länderübergreifend als auch in Baden-Württemberg für die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. Wenn es erforderlich ist, kann künftig ein besserer Austausch stattfinden. So können z. B. Fallkon ferenzen stattfinden.
Wir wollen mit diesen Regelungen einfach sicherstellen, dass wichtige Informationen in Ermittlungsverfahren nicht verlo ren gehen. Behördendesaster, wie wir sie im Fall Amri oder
auch beim rechtsterroristischen NSU gehabt haben, müssen der Vergangenheit angehören. Behörden müssen Daten aus tauschen können, wenn es tatsächlich erforderlich ist.
In der Summe, meine Damen und Herren, haben wir mit die sem Gesetz unsere Hausaufgaben aus Europa im Bereich der Justiz gemacht. Bei uns findet die Justiz, denke ich, auch mit diesem Gesetzentwurf die Beachtung und den Respekt, die sie verdient und braucht. Wir werben deshalb um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen, geehrte Kollegen! Der Gesetzentwurf klingt, wenn man ihn liest, etwas sperrig, und so ist es auch. Lassen Sie mich zwei Punkte herausgreifen. Minister Wolf und der Kollege Sckerl haben das Wesentliche bereits vorge tragen, weshalb ich mich kurzfassen kann.
Das wusste bereits Aristoteles. In unserem Rechtsstaat ist das gelebte Verfassungspraxis. Das Bundesverfassungsgericht hat auf der Grundlage seiner Befugnis zur Normverwerfung den § 25 des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes für teilweise ver fassungswidrig erklärt. Danach dürfen auch öffentlich-recht lich Untergebrachte nicht länger als 30 Minuten ohne richter liche Anordnung fixiert werden. Nichts anderes gilt der Sache nach auch für Fixierungen im Bereich des Justizvollzugs.
Die Zweifel der Verfassungsrichter hat das Justizministerium mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aufgegriffen. Dieser sieht u. a. verfahrensrechtliche Bestimmungen für die richter liche Anordnung freiheitsentziehender Fixierungen vor. Will das Land verhindern, dass ab dem 1. Juli keine Fixierungen mehr durchgeführt werden dürfen – der Minister hat darauf hingewiesen –, dann sind wir zur zügigen Verabschiedung des Gesetzes aufgefordert.
Dies allein genügt jedoch nicht. Das Land trifft eine verfas sungsrechtliche Verpflichtung, die Erreichbarkeit eines zustän digen Richters zu gewährleisten. Dies wird, jedenfalls bei der Anordnung von Fixierungen im Rahmen von öffentlich-recht licher Unterbringung, nicht ohne entsprechendes Mehrperso nal gehen können. Nach Berechnungen des Justizministeri ums braucht es hierfür 20 neue Vollzeitstellen. Erforderlichen falls müssten für die Anordnung von Fixierungen im Justiz vollzug weitere Richterstellen vorgesehen werden.
Sehr zu begrüßen ist, dass die Anordnungen von Fixierungen grundsätzlich durch Richter des für die Justizvollzugsanstalt zuständigen Amtsgerichts erfolgen sollen. Ähnliches soll dem Vernehmen nach auch für Fixierungen bei Untergebrachten gelten. Die Amtsrichter haben kurze Wege und können sich so schnell vor Ort ein Bild von der Situation des konkret Be troffenen machen.
Der Garant für den Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft ist und bleibt eine funktionierende und leistungsfähige Justiz. Da mit einher geht die Verpflichtung des Gesetzgebers, für den Schutz der Repräsentanten des Rechtsstaats Sorge zu tragen. Das ist keine leichte Aufgabe.
In den vergangenen Jahren ist eine zunehmende Gewaltbereit schaft mit tätlichen Übergriffen auf Justizangehörige wie auch auf andere Amtsträger festzustellen. Die „Stuttgarter Nach richten“ haben das heute als Überschrift gewählt; der Minis ter ist darauf bereits eingegangen. Diesem Angriff auf unse ren Rechtsstaat können und wollen wir nicht tatenlos zusehen.
Aus diesem Grund soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Rechtsgrundlage für die Mithörfunktion bei den mobilen Alarmgeräten der Gerichtsvollzieher und Betreuungsrichter geschaffen werden. Wenn diese in eine brenzlige Situation kommen, kann die Polizei bereits auf dem Weg zum Ort des Geschehens eine Einschätzung vornehmen. Wie auch bei den anderen Aspekten des Gesetzentwurfs wurde dabei den Argu menten des Landesdatenschutzbeauftragten Rechnung getra gen. Das Mithören wird in der Regel offen erfolgen und nur noch bei drohender Gefahr möglich sein, was zunächst durch die Leitstelle zu prüfen ist.
Der Gesetzentwurf wahrt Maß und Mitte. Deshalb werden wir im Ständigen Ausschuss morgen auch Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf empfehlen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Stark erhöhter Blutdruck, Herzinfarkt, Herzflimmern, Krankenwagen, Blaulicht, Zustand kritisch – am gleichen Tag will ein Sohn seine Mutter besuchen. Er tritt der Empfangs dame im Krankenhaus entgegen und bekommt die Auskunft: „Leider kann ich nicht sagen, wo Ihre Mutter liegt.“ Frage des Sohnes: „Warum?“ Der Mann ist fassungslos. Er bekommt zur Antwort: „Ihre Mutter hat die Datenschutzerklärung nach EU-Verordnung 2016/679 nicht unterschrieben, somit kann ich Sie nicht vorlassen.“
Warum erzähle ich Ihnen das? Daran sehen Sie die Perversi on unserer Gesetzgebung. Arztpraxen werden mitten im Pati entenbetrieb unangemeldet kontrolliert, Ärzte und Kranken häuser müssen Strafgelder bezahlen, wenn sie gegen die DSGVO verstoßen haben, Konzerne können mit bis zu 20 Mil lionen € zur Kasse gebeten werden.
Die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung kostet viel Geld. Digitalspezialisten und Abmahnanwälte werden sich da ran eine goldene Nase verdienen. Der Datenschutzbeauftrag te Baden-Württembergs, Stefan Brink, hat im letzten Jahr den Anfang damit gemacht: beim ersten Mal 20 000 €, beim zwei ten Mal 80 000 € Strafzahlung. Eine solche Behörde sollte nicht zum Denunziantentum führen. Sie ist in der Zwischen zeit auf 60 Mitarbeiter angewachsen und einem Ministerium gleichgestellt worden.
Unsere Landesregierung sagt selbst in der Erklärung des An passungsgesetzes, bezogen auf die Kostenexplosion zur Ein haltung der DS-GVO, dafür sei die EU verantwortlich. Wie bitte, die EU? Heute Morgen haben wir das Spiel schon ge spielt. Daran glauben Sie doch selbst nicht. Moment mal, hier stimmt doch was nicht. Merken Sie es auch? Menschen, die plötzlich sich selbst beschimpfen – interessantes Ablenkungs manöver.
Kommen wir nun dazu, worum es hier wirklich geht. Wir sind natürlich für mehr digitale Kontrolle von Häftlingen und Straf vollzug. Allerdings sind wir nicht für verdeckte Abhörmetho den durch Justizvollzugsbeamte in privaten Wohnungen. Ich frage mich: Was machen sie da?
In Privatwohnungen laufen plötzlich Schließer herum, um Hausarrest durchzuführen. Die Gefängnisse sind schon über belegt – das wissen wir alle –, und es wird wahrscheinlich an Kapazitäten mangeln.
Wir sind nicht für eine Überprüfung von Personen, die Häft linge besuchen wollen, und möchten das auch nicht. Denn nur diejenigen Besucher, die sauber sind, können eigentlich auch zum Besuch vorgelassen werden. Unbescholtene Bürger wer den unter Umständen kriminalisiert und kommen ins Visier der Justiz.
Wir sind nicht für eine totale Fixierung von Häftlingen – Ar me, Beine, Rumpf –; das sind Psychoterrormethoden, und die se könnten der Folter gleichgestellt werden. Das ist eine Haft in der Haft. Sie verstoßen gegen die Rechtsprechung des Bun desverfassungsgerichts, das eine richterliche Anordnung vor schreibt.
Komischerweise verlangen Sie im Gesetz mehrere Male die Löschung von Straftäterdaten, wenn es keine Anhaltspunkte für eine weitere Tat gibt. Plötzlich gibt es den Täter XY mit seinem Strafregister und seiner Personenbeschreibung nicht mehr. Tolle Idee: auf der einen Seite Folter, auf der anderen Seite Löschung von Daten.
Was denn nun? Wir erkennen hier die konträre Handschrift der CDU und der Grünen. Wir sind nicht für die Löschung von Daten, denn man soll der Polizei ihre Arbeit erleichtern und möglich machen. Sie wissen es selbst: Mordfälle werden häufig erst nach Jahrzehnten aufgeklärt. Und wenn die Daten weg sind, dann sind auch die Evaluierung, der Nachgang und die Ahndung ohne Erfolg.
Die Hülle dieses Gesetzes der DS-GVO ist ein reines Bürokra tiemonster. Aber darin steckt etwas ganz anderes: Hier werden wieder Bürgerrechte beschnitten und eingegrenzt – eine echte Mogelpackung, will ich mal sagen. Ich bin gespannt, was die FDP dazu zu sagen hat. Ihre ökosozialistischen Pläne schrecken vor nichts zurück – besonders wenn es um Radikalisierungs tendenzen geht –, welche Sie überhaupt aufgrund dieser gan zen undurchsichtigen Geschichte als Artikelgesetz formuliert haben, was Möglichkeiten bietet, im Gesetz noch zu variieren. Deshalb lehnen wir das in der heutigen Form ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zum vorliegenden Gesetzentwurf – es hilft manchmal, wenn man eine Vorlage vorher gelesen hat –:
Der vorliegende Gesetzentwurf ist in weiten Teilen die An passung des besonderen Datenschutzes und somit die Umset zung des europäischen Rechts – in weiten Teilen, liebe Kol leginnen und Kollegen. Wirft man jedoch einen Blick in den aktuellen Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, so liest man dort:
Meine schwerwiegendsten Bedenken richten sich dabei nicht gegen die Vorschriften, die der unmittelbaren Um setzung der Richtlinie (EU) 2016/680 dienen. Vielmehr bezogen sich diese auf die Regelungen über die Video überwachung in Gefangenen-Vorführbereichen von Ge richtsgebäuden und die Rechtsgrundlage für verdeckte Tonaufnahmen durch im Außendienst tätige Justizbediens tete.
Der Landesdatenschutzbeauftragte greift die zwei wesentli chen Fehler des vorliegenden Entwurfs auf.
Im Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen – Schutz der Mitar beiterinnen und Mitarbeiter –, sind wir alle einig. Aber mit Ih rem Weg sind Sie verfassungsrechtlich auf dem Holzweg. Da tenschutz ernst zu nehmen bedeutet, möglichst wenig Daten zu erfassen und diese so kurz wie möglich zu speichern. Selbstverständlich sind die verfassungsrechtlichen Grenzen einzuhalten.
Sie wollen die Videoüberwachung in Gefangenenvorführbe reichen. Das ist in Ordnung. Aber begrenzen Sie die Speicher dauer auf ein notwendiges Minimum – angemessen wären nicht vier Wochen, sondern eine Woche. Eine Löschung solch sensibler Aufnahmen sollte unverzüglich erfolgen, spätestens nach sieben Tagen.
Viel gravierender ist jedoch Ihr Vorschlag heimlicher Tonauf nahmen, wie er sich in § 6 des Entwurfs findet. Offensichtlich war Ihnen dies auch bewusst; anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum dieser § 6 erst nach der öffentlichen An hörung in den Entwurf kam.
Schon heute können Justizbedienstete mittels eines Alarmge räts bei Gefahr für Leib und Leben ein Signal mit Standort daten übermitteln. 300 solcher Geräte sind bereits vorhanden und im Einsatz. Nun wollen Sie eine weitere Funktion der Ge räte aktivieren. Zukünftig soll es möglich sein, klammheim lich Tonaufnahmen aus einer Wohnung an eine Leitstelle zu übermitteln. Wohnungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stehen unter besonderem Schutz. Artikel 13 unseres Grund gesetzes garantiert die Unverletzlichkeit des privaten Wohn- und Lebensbereichs. Heimliche Tonaufnahmen werden zu dem an einen privaten Dienstleister übermittelt werden und dort mit einer Speicherfrist von bis zu einem Jahr vorrätig sein.
Aus unserer Sicht sind drei Punkte zu kritisieren: heimliche Abhörmöglichkeit, Beauftragung einer privaten Leitstelle und die einjährige Speicherfrist.