Protocol of the Session on July 13, 2016

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich dem Kollegen Dr. Aden das Wort.

Neues Gesicht, neuer Redner. Ich hoffe, sehr geehrte Damen und Herren, sehr ge ehrter Herr Präsident, dass ich Sie nicht nur informieren, son dern auch ein bisschen unterhalten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir sprechen über den Dritten Nachtrag für das Haushaltsjahr 2016. Wer hätte das gedacht? Dazu hat die FDP natürlich ein paar kritische Anmerkungen. Die FDP, nein, die FDP/DVPFraktion – daran muss ich mich gewöhnen – ist es gewohnt, dass ihre Vorschläge im Bund und auch im Land häufig in den Wind geschlagen werden. Man muss ja auch nicht immer das Wort der Kanzlerin im Zusammenhang mit der schwäbischen Sparsamkeit als eine Tugend betrachten, sondern es genügt zu wissen, dass schwäbische Sparsamkeit nicht nur eine private Tugend ist, sondern tatsächlich auch für den Staat und für die

Gesellschaft sehr sinnvoll ist. Wir brauchen nur in ein ande res Land zu schauen. Schauen Sie sich manche anderen euro päischen Staaten an, dann wissen Sie, was ich meine.

Ich möchte das aber auch mit einem Beispiel aus der würt tembergischen Landesgeschichte in Verbindung bringen. Die Badener unter Ihnen mögen diesen Ausflug verzeihen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sind Sie Schwabe?)

König Friedrich II. von Preußen, gemeinhin auch Friedrich der Große genannt, schrieb seinem Mündel, dem württember gischen Herzog Karl Eugen, der an seinem Hof in Berlin bis zur Volljährigkeit erzogen wurde, anlässlich seiner Volljährig keitserklärung, die damals schon mit 16 Jahren stattfand, im Jahr 1744 Folgendes:

Sie müssen sich mit allen Finanzangelegenheiten vertraut machen... Die Finanzen sind der Nerv des Landes; wis sen Sie darüber... Bescheid, so werden Sie mit dem Üb rigen...

den übrigen Problemen des Landes – locker

fertig werden.

„Locker“ hat er nicht gesagt. Das habe ich hinzugefügt.

Denken Sie nur nicht, das Land Württemberg sei für Sie geschaffen worden!... Legen Sie stets mehr Wert auf des sen Wohlfahrt als auf Ihre Zerstreuungen. Wenn Sie, in Ihrem zarten Alter, Ihre Wünsche dem Wohl Ihrer Unter tanen aufzuopfern vermögen, so werden Sie nicht nur die Freude, Sie werden auch die Bewunderung der Welt er regen.

Herzog Karl Eugen hat sich nicht daran gehalten. Er hat durch seine absolutistische Hofhaltung das Land fast vollständig ru iniert. Der schöne Vers aus dem Studentenlied, wonach der württembergische Graf Eberhard im Bart – „Württembergs geliebter Herr“ – seinen Kopf sorglos jedem seiner Unterta nen in den Schoß legen konnte, traf auf Herzog Karl Eugen überhaupt nicht zu, ganz im Gegenteil.

Ich glaube, wir können von der Vorgabe der Sparsamkeit ler nen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie sich einmal auf einer Ihrer Wanderungen durch unser Land verirren sollten, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie wie Graf Eberhard sorglos ruhen können und nicht wie der Verschwender Karl Eugen ängstlich nach einer Lichtung Ausschau halten müssen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nach diesem Ausflug in die Vergangenheit zurück in die Ge genwart. Die Unwetterkatastrophen von vor sechs Wochen er fordern beim üblichen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition natürlich eine ganz andere Tonlage. Natürlich steht die FDP/DVP-Fraktion hinter den Unwetterhilfen für die Opfer der Überschwemmungen. Dabei sehen wir uns nicht als Könige oder Fürsten, die Almosen gnädig aus gesalbter Hand verteilen, sondern als verantwortlich Handelnde eines Ge meinwesens, das trotz Einengung durch Vorschriften und Ver fahren in der Lage ist, schnell und unbürokratisch zu helfen.

(Beifall bei der FDP/DVP und fraktionslosen Abge ordneten)

Ob die 15 Millionen € bedarfsgerecht sind, werden wir sehen. Darüber werden wir auch im Finanzausschuss sprechen müs sen.

Im Einzelplan 08 – Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – werden im Zuge des Nachtrags insge samt 6,5 Millionen € zusätzlich eingestellt. Das Geld soll in Form von Zuschüssen an unwettergeschädigte Betriebe aus geschüttet werden. Vor dem Hintergrund, dass schon jetzt 2 500 Landwirte einen Antrag auf Entschädigung gestellt ha ben, steht die FDP/DVP-Fraktion selbstverständlich hinter dem betreffenden Titel.

Konjunktur- und internationale Krisen – ich erinnere nur an das russische Embargo für landwirtschaftliche Produkte – tref fen die Landwirte besonders stark. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass diese Hilfen kommen. Deswegen ist es wirklich nicht akzeptabel, dass Landwirte in der Vergangen heit als „Subventionsjunkies“ bezeichnet wurden.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie sprechen vielleicht von der AfD!)

Ich habe niemanden angeguckt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Doch!)

Zufälligerweise. Danke schön. Also gut.

Es geht weiter: 10 000 ha Land und Grünland sind über schwemmt worden. Hier steht das Land in der Verantwortung, im Rahmen des EU-Beihilferechts einzuspringen. Dass der Ministerpräsident zur absehbaren Entlastung des Haushalts jetzt wieder die Pflichtversicherung für Elementarschäden ins Spiel bringt, ist aus seiner Sicht konsequent, weil wir in der Tat feststellen müssen, dass sich solche Ereignisse in den letz ten Jahren deutlich gehäuft haben.

Ich denke aber auch, dass ihm dies das Regieren mit Stil leich ter macht, weil der eine oder andere hilflose Bürgermeister bzw. der eine oder andere geschädigte Eigentümer ihm dann nicht mehr mit der Bitte um Hilfe auf den Füßen steht. In die sem Fall kann er seine Tätigkeit als fürsorglicher Landesva ter, der Trost und Anteilnahme schenkt, sehr viel besser wahr nehmen und darauf verweisen, dass die Kostenerstattung durch die Versicherung stattfindet.

Die 630 Stellen an Grundschulen, Hauptschulen, Gymnasien für die Integration begrüßen wir. Hiermit werden die Defizi te ausgeglichen. Wir wollen hoffen, dass die beabsichtigte Wirkung tatsächlich eintritt. Ich habe da so meine Zweifel – nicht gegen die Stellenvermehrung, nein. Meine Zweifel be ziehen sich auf die Qualität des Unterrichts. Selbst unsere Bil dungsministerin hat gesagt, dass wir auf die Qualität hinwei sen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen ein paar Beispiele aus meiner Augenarztpraxis nennen, wie sich die Situation darstellt. Unter den Bewerberinnen sind nicht nur Hauptschul-, sondern auch Realschulabsolventinnen. In mei ner Praxis muss man gelegentlich mit Werten unter null rech nen. Bei einer Lesebrille muss man zu „– 1“ noch „2“ dazu rechnen. Die Rechnung „– 1 + 2“ wird in aller Regel locker ge schafft. Aber wenn es darum geht, die Rechnung „– 1,2 + 2,75“

durchzuführen, sagen die Bewerberinnen: „Das geht nicht; das muss ich schriftlich machen“ und sind ganz aufgeregt. „Im Übrigen muss ich Ihnen sagen: Man kann das auch mit einem Taschenrechner machen.“ Das ist die Wahrheit.

Wenn ich frage: „Wissen Sie, liebe Bewerberin, wie weit es von Rottweil bis Hamburg ist?“, wird geantwortet: „Vielleicht 200 km.“ Ich sage: „Allein bis Stuttgart sind es 100 km.“ Da raufhin sagt die Bewerberin: „Dann sind es vielleicht 300.“

Aber eines, Herr Ministerpräsident, wird Sie freuen: Als ich vor etwa zwei Jahren gefragt habe: „Wer ist der Bundespräsi dent?“, kam spontan der Name Kretschmann.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ui!)

Ich komme zu den Stellen im Schulbereich. Ich denke, es ent spricht nicht der Lebenswirklichkeit, wenn man angestellte Lehrerinnen und Lehrer in den sechswöchigen Ferien nicht bezahlt.

Genauso finde ich, dass es nicht der Lebenswirklichkeit ent spricht – das ist auch ein Verlust für Baden-Württemberg –, Referendare erst zu Beginn des neuen Schuljahrs einzustel len. Der eine oder andere wird durchaus in der Lage sein, in ein anderes Land zu gehen, um dann zwei Monate früher in Lohn und Brot zu kommen. Aber ich denke, dafür ist die Aus bildung der Lehrer zu teuer.

Zweitens: Dass Haupt- und Werkrealschullehrer sich fortbil den können und eine Qualifizierungsmaßnahme durchführen können, um von Besoldungsgruppe A 12 nach A 13 aufzustei gen, halten wir für eine Selbstverständlichkeit; das sollte auch durchgeführt werden. Aber wir legen Wert darauf, dass dieses Geld aus dem allgemeinen Qualifizierungstopf genommen wird, der derzeit 3,5 Millionen € beinhaltet.

Zum letzten Punkt: Auch die Schaffung von weiteren 111 Stel len im Bereich der Gymnasien, sehr geehrte Damen und Her ren, halten wir für eine Selbstverständlichkeit. Aber wir legen Wert darauf, dass diese Stellen tatsächlich vor Ort eingesetzt werden und nicht vom Ministerium bestimmt wird, für wel che Zwecke diese zusätzlichen Lehrer eingesetzt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu dem Punkt, zu dem die FDP/DVP die meisten Anmerkungen hat: 228 Stel len sind gefordert gewesen; am Ende wurden es 100. Eigent lich ist das ein ganz mieser Trick: Man fordert viel, reduziert die Forderung um die Hälfte und sagt dann: „Das ist auf Kan te genäht.“ Nein. Wollen Sie nur die Hälfe des Koalitionsver trags umsetzen, wenn Sie die geforderte Stellenzahl um die Hälfte reduzieren? Ich denke, Klarheit und Wahrheit gehören zu den Haushaltsberatungen. Das kann ich hinsichtlich dieser Haushaltstitel nicht erkennen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich komme zum Schluss: Quasi über Nacht ist das strukturel le Defizit des Haushalts von 1,8 Milliarden € auf 900 Millio nen € gesunken. Steuereinnahmen und Zuweisungen vom Bund haben den Spardruck deutlich verringert. Die Konjunk tur und die niedrigen Zinszahlungen machen das möglich.

Im privaten Bereich ist Sparen sicher eine Tugend. Gilt das auch im volkswirtschaftlichen Bereich? Geld an sich ist nur

ein Schmiermittel, das für den geordneten Ablauf einer Wirt schaft unerlässlich ist. Ein Dagobert Duck, der auf seinen Goldstücken sitzt und sie jeden Tag zählt, leistet sicher kei nen Beitrag zur Volkswirtschaft. Aber es ist sicherlich auch eine Aufgabe der Opposition – besonders der FDP/DVP-Frak tion –, darauf hinzuweisen, dass das Verhältnis zwischen Geldausgeben und Sparen vernünftig sein muss.

Ich denke, die Aufgabe liegt darin, Herr Ministerpräsident, dass Sie dies erkennen, damit Sie auch in Zukunft bei Ihren Wanderungen, wenn Sie sich verirren sollten, Ihr Haupt sorg los in den Schoß Ihrer Untertanen legen können.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die AfD-Fraktion er teile ich dem Kollegen Sänze das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein Tag des Ge denkens, weil der Steuerzahler seit heute für sich selbst arbei tet.

(Beifall bei der AfD – Abg. Tobias Wald CDU: Das war gestern!)

Daran darf ich erinnern und begrüße recht herzlich die Steu erzahler hier im Hause.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Hier unten sitzen übri gens auch welche!)

Ich weiß; aber Sie habe ich bereits begrüßt.