... Herrn Macron entgegenwirken, sondern wir brauchen eine Politik mit Vorwärtsgang für Ba den-Württemberg.
Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! In einem demokratischen Miteinan der und in der politischen Auseinandersetzung sind wir es ge wohnt, dass man um die besten politischen Lösungen ringen muss. Dazu muss man dem anderen mit seiner Meinung ge
genübertreten, diskutieren, verhandeln und die Bereitschaft haben, am Ende Kompromisse einzugehen. So kommt man zu Lösungen im demokratischen Miteinander, die im Zwei felsfall besser sind als das, was jeder Einzelne hinbekommen hätte.
Aber dieses bewährte Vorgehen hat eine Voraussetzung, ge wissermaßen eine Grundvoraussetzung: Jede Verhandlungs partei muss genau wissen, was sie will. Insofern ist dieses Rin gen um einen Hard Brexit, einen Soft Brexit oder einen „No Brexit at all“ der vergangenen Monate und Jahre mittlerwei le eine historisch bemerkenswerte Situation.
Wir seitens der EU haben es mit einem Verhandlungspartner zu tun, der nicht weiß, was er will. Dieser Verhandlungspart ner sagt nur, was er nicht will, nämlich nicht das verhandelte Abkommen, nicht einen Hard Brexit, eigentlich erst einmal auch keine Verlängerung – jetzt vielleicht doch –, dann kein neues Referendum, ja nicht einmal eine dritte Abstimmung im britischen Unterhaus über das verhandelte Abkommen, weil Speaker John Bercow jetzt mit einem Präzedenzfall aus dem 17. Jahrhundert anwackelt.
Für uns stellt sich jetzt nun einmal die Frage: Wie wollen wir mit dieser Situation umgehen? Ich sage ganz klar: Chaos und Planlosigkeit kann man nur mit Struktur und einem Plan ent gegentreten, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Insofern halte ich es auch für absolut richtig, dass wir heute ein Gesetz beschließen, das womöglich, das wahrscheinlich nie zur Anwendung kommen wird, denn das Brexit-Über gangsgesetz Baden-Württemberg wird nur dann zum Tragen kommen, wenn es doch noch zu einem geordneten Brexit kommen sollte.
Dann gilt den Verhandlungen nach, dass Großbritannien und die britischen Bürger bis zum Ende des Übergangszeitraums so behandelt würden, als wären sie noch Mitglied der EU.
Dieses Brexit-Übergangsgesetz regelt nun, dass dies nicht für wahlrechtliche Vorschriften der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung gilt, weil sonst die Briten an der Kommu nalwahl im kommenden Mai teilnehmen könnten. Dieses Ge setz halten wir für richtig, um Rechtsklarheit in Bezug auf un sere Kommunalwahl zu schaffen, und deswegen werden wir diesem Gesetz auch zustimmen.
Die EU hat in den vergangenen zwei Jahren vieles richtig ge macht. Wir sind dem Chaos und der Planlosigkeit mit einem ordentlichen Stück Struktur und klaren Vorstellungen entge gengetreten. Aber haben wir denn alles getan, was richtig ge wesen wäre? Mit Sicherheit nicht. Der drohende Brexit hätte von Anfang an zur Chefsache – und zwar nicht nur der EU, sondern auch zur Chefsache der Staatsoberhäupter der Mit gliedsstaaten – erhoben werden müssen.
Ich möchte daran erinnern: Kanzlerin Merkel war – ich weiß nicht, wie oft – zur Griechenlandrettung in Athen. Aber wie
In Deutschland war der drohende Brexit von vornherein wohl keine Chefsache. Das ist ein klares Versagen dieser Bundes regierung.
Erstens: Lassen Sie uns die EU, und zwar unabhängig von Brexit oder Nicht-Brexit, reformieren und verbessern.
Zweitens: Lassen Sie uns die EU zukünftig nicht schlechtre den. Man hat es vorhin gehört. Auch wir haben Nationalpo pulisten in diesem Haus, die in ihrem Wahlprogramm den „Dexit“ fordern.
Jawohl, die AfD ist eine Brexit-Partei, und das, obwohl man am Beispiel des Vereinigten Königreichs doch sehen kann, welches Chaos dies zur Folge hat, meine sehr geehrten Da men und Herren.
Da kommt schon wieder die Frage: „Ja, wo denn?“ Auf die se Frage bin ich schon vorbereitet, weil Sie Ihr eigenes Wahl programm offensichtlich nicht kennen. Das haben Sie das letz te Mal bestritten.
Es ist schon eine Frechheit. Sie schreiben in ein Wahlpro gramm, dass Sie einen „Dexit“ wollen, wenn Ihre großen Re formbemühungen nicht umgesetzt werden,
Sie möchten Leute in das Europaparlament entsenden, das Sie nachher auflösen wollen. Das ist doch schizophren.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Zuruf der Abg. Ca rola Wolle AfD)
Des Weiteren: Eine Verschiebung des Brexits darf es nicht nur um der Verschiebung willen geben. Das Motto „Wir wissen nicht, was wir wollen, aber wir wollen es später“ bringt nichts. Wir können gern einer Verschiebung zustimmen, aber dann muss begründet werden, warum eine Verschiebung stattfinden soll.
Hohn, Spott und Schadenfreude haben gegenüber den Briten nichts zu suchen. Wir alle werden Verlierer des Brexits sein. Dem Patienten, der sich den Finger gebrochen hat, wird es auch nicht deshalb besser gehen, weil sein Zimmernachbar ei ne Schenkelhalsfraktur hat. Deswegen: Hohn, Spott und Scha denfreude sind an dieser Stelle nicht angebracht.
Letzter Punkt: Wir müssen den Briten klarmachen, dass wir unabhängig vom Brexit be freundet bleiben werden. Egal, wie strukturiert und klar wir verhandeln, es muss klar sein: Unsere Tür wird offen bleiben. So hat vielleicht eine neue Generation Briten eines Tages die Möglichkeit, wieder Mitglied in der EU zu werden.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man auf der Tagesordnung dieses Hauses von Brexit-Aktivitäten liest, dann könnte man auch immer wieder zu der Erkenntnis kom men: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wie oft haben wir uns in diesem Haus schon damit befasst?
Doch ich finde, es ist klug und richtig, sich mit einem solchen einzigartigen Vorgang zu befassen; denn er ist neben allen ne gativen Konsequenzen, die er nach sich zieht, auch geeignet, den Menschen vor Augen zu führen, was wir in der Zukunft in diesem unserem gemeinsamen Europa nicht wollen. Auch dazu dient diese Diskussion.
Meine Damen und Herren, „Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste gefasst sein“ – das war unser Motto der letzten Debatte im Februar, um unsere Brexit-Vorbereitungen zu be schreiben. Dazu gehört das Brexit-Übergangsgesetz, das wir heute in zweiter Lesung beschließen wollen.
Seit Februar ist überhaupt viel passiert. Beim Brexit ist nichts wirklich kalkulierbar. Derzeit jagt eine neue Nachricht die nächste; im britischen Parlament jagt eine Ablehnung die nächste. Es ist nicht genau erkennbar, wie sich die politischen Verhältnisse auf der Zielgeraden entwickeln. Wir sind jeden falls gut beraten, uns auf alle Szenarien vorzubereiten.
Ob Sie das nun bestreiten oder nicht: Wenn in Großbritanni en alles so rosig wäre und die Zahlen so günstig wären, wie Sie sie beschreiben, dann frage ich mich: Warum führt man in Großbritannien derzeit diese hitzige Debatte über eine Ver längerung, über ein zweites Referendum? Wenn sie so über zeugt von dem wären, was sie getan haben, dann müsste die Debatte dort doch völlig anders ausfallen.