Protocol of the Session on February 21, 2019

Die wird es nicht geben; Entschuldigung, Herr Kollege Rül ke; herzlichen Dank. – Dann wird nämlich wieder einer kom men, der sagt: Aber wir sind gezwungen, nach Recht und Ge setz vorzugehen.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Spiel ist sehr durchschaubar. Deswegen wollen wir Ihnen hier in diesem Parlament die Möglichkeit geben, Euro-5-Fahrverbote, und zwar auf der Basis geltenden Rechts, auszuschließen unter Hinweis auf die Möglichkeit, dass diese Fahrzeuge in einen technischen Stand versetzt werden, sodass sie in diese Städte fahren dürfen, und dass sie eben nicht mehr Schadstoffe aus stoßen als ein Euro-6-Diesel. Warum beschließen Sie denn dieses Moratorium nicht? Wenn Sie glaubwürdig sein wollen, müssen Sie diese Entscheidung hier in diesem Haus treffen.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Rainer Balzer und Klaus Dürr AfD)

Im Übrigen weise ich Sie darauf hin – Thema Verhältnismä ßigkeit –: Es gibt Vorausberechnungen – das ist eine Antwort des Verkehrsministeriums, die wir von dort bekommen haben –, wonach bei einer zonalen Verkehrsbeschränkung von Eu ro-4-Dieselfahrzeugen im Jahr 2019 der NOx-Jahresmittelwert lediglich um 5 Mikrogramm auf 61 Mikrogramm zurückge hen wird. 61 Mikrogramm – 40, 50: deutlich drüber.

Bei der zu erwartenden Flottenmodernisierung – auch hier wieder die Bezugnahme auf das Verkehrsministerium – sowie der allgemeinen Verbesserung der Hintergrundbelastung wird es ebenfalls zu einem Rückgang der NOx-Belastungen kom men, quasi automatisch, und zwar nur versetzt um ein Jahr – also im Jahr 2020 – auf 61 Mikrogramm.

Das bedeutet, Sie greifen in das Eigentum der Menschen ein, die einen Euro-4- oder dann einen Euro-5-Diesel haben, nur damit Sie ein Jahr früher auf diesen Wert kommen – der trotz dem noch zu hoch ist, um die gesetzlichen Vorgaben zu errei chen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist etwas, was ich als unverhältnismäßig betrachte. Deswegen wären Fahr verbote für Euro-5-Fahrzeuge falsch.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Und Sie haben einen weiteren Widerspruch in Ihrer Argumen tation – vor allem Sie, Herr Strobl –: „Flächendeckende Fahr verbote wollen wir ausschließen.“ Flächendeckende. „Nach tigall,...!“ – Das heißt aber doch wohl, dass Sie davon ausge hen, dass streckenbezogene Fahrverbote sehr wohl möglich sein könnten.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Jetzt müssen Sie mir nur noch eines erklären: Wieso war beim Euro-4-Diesel bei Überschreitung lediglich an einigen Mess stellen ein Fahrverbot für das gesamte Stadtgebiet von Stutt gart notwendig, aber beim Euro-5-Diesel nur ein streckenbe zogenes Fahrverbot? Das hat bisher auch noch niemand von Ihnen erklärt. Das nenne ich politische Strategie. Aber Wahr haftigkeit und Glaubwürdigkeit sehen anders aus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Außerdem haben Sie immer noch nicht gesagt, wie Sie mit den zusätzlichen Messwerten umgehen. Sie haben sich auf den zweithöchsten Wert zurückgezogen, wenn es da einzelne Ausreißer gibt. Aber wenn es keinen Ausreißer gibt, dann gilt wahrscheinlich schon der höchste.

(Zuruf: Genau! So ist es!)

Die Grünen haben bisher immer auf der Basis des höchsten Messwerts argumentiert, und zwar ausschließlich.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das hier eine Voodoo-Debatte, wenn Sie jetzt behaupten, Sie wür den zukünftig bei Ausreißern nach oben nur den zweithöchs ten Wert nehmen. Schauen Sie sich einmal die aktuellen Mess werte an. Ich sage Ihnen eines: Sie können noch so viele Messstellen aufstellen; denn bei 100 oder 200 wird der zweit höchste Wert immer noch deutlich über dem Grenzwert lie gen. Deswegen ist die Aufstellung von zusätzlichen Messstel len keine Lösung, sondern Sie streuen den Menschen damit nur Sand in die Augen. Sie tun nämlich tatsächlich nichts ge gen Fahrverbote.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Klaus Dürr AfD)

Jetzt kommen wir noch zur Betroffenheitslyrik. Herr Minis terpräsident, Sie sagten, Ihnen würde die Zukunft der Auto mobilindustrie schlaflose Nächte bereiten.

(Oh-Rufe)

Das passt irgendwie nicht zu Ihrer Rhetorik. Denn wer in die sem Haus und auch in anderen Verlautbarungen regelmäßig vom „dreckigen Diesel“ redet, der greift in die industrielle Substanz dieses Landes ein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Jenseits der psychologischen Wirkung dieser Worte auf die Menschen, die solche Fahrzeuge besitzen, und der psycholo gischen Wirkung auf die Menschen, die diese Fahrzeuge bau en, wird nämlich der Verbrennungsmotor und vor allem auch der Dieselmotor – ich erinnere an die CO2-Problematik – noch einige Zeit gebraucht werden, damit wir in diesem Land mit unseren Automobilfirmen überhaupt die Transformation hin zu alternativen Antrieben schaffen. Die Automobilindustrie wird zukünftig hohe Stückzahlen im Verkauf auch des Ver brennungsmotors und vor allem auch des Dieselmotors brau chen, um überhaupt diese Transformation zu erreichen. Da hilft es den Menschen, die in dieser Branche arbeiten – in der Zulieferindustrie, in der Automobilindustrie –, überhaupt

nicht, wenn ein Ministerpräsident des Landes Baden-Würt temberg vom „dreckigen Diesel“ spricht und damit die Auto mobilindustrie in Summe in ein schlechtes Licht rückt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Aus diesem Grund, Herr Ministerpräsident, rate ich dieser Re gierung, von ihrem Ideologietrip herunterzugehen, der da heißt: Nur E-Mobilität ist gute Mobilität. Wir werden in die sem Land in der Mobilität in den nächsten Jahren starke Ver änderungen haben, wir werden zunehmend alternative Antrie be – vor allem auch im Individualverkehr – haben. Wir müs sen alles dafür tun, dass Menschen anders mobil sein können – ohne Umweltbelastung oder mit deutlich geringerer Um weltbelastung –, und dafür muss diese Regierung endlich in die Puschen kommen. Eine echte Mobilitätswende ist notwen dig und keine Vertröstungspolitik à la Grün-Schwarz.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Du willst eine Mobilitätswende! Du redest von Mobilitätswende!)

Das Wort hat jetzt Herr Abg. Dr. Rülke, Fraktionsvorsitzender der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich beim Ministerpräsidenten für seine rechtsphilosophischen Ausführungen bedanken.

(Unruhe)

Vor allem bedanke ich mich dafür, dass ein grüner Minister präsident die FDP daran erinnert, man müsse sich doch an Recht und Ordnung halten,

(Zuruf: Ha, ja!)

man dürfe Gerichtsentscheidungen nicht widersprechen, und man dürfe auch nicht gegen bestehende Normen so etwas wie ein Moratorium fordern.

Herr Ministerpräsident, was ist denn mit der grünen Morato riumsforderung zur dritten Startbahn in München? Was, Herr Ministerpräsident, ist mit der Forderung der Grünen, ein Mo ratorium für Tiertransporte ins Ausland zu verhängen? Was, Herr Ministerpräsident, ist mit grünen Demonstrationen im Hambacher Forst, nachdem die Grünen innerhalb der nord rhein-westfälischen Landesregierung an der gesetzgeberischen Entwicklung mitgewirkt hatten, die in diese Richtung gegan gen ist? Und was ist mit allen möglichen anderen – ich will sie jetzt gar nicht aufzählen; ich habe zwar freie Redezeit, aber irgendwann wollen wir in die Mittagspause – Demonstratio nen und sonstigen Vorgängen aus Ihrer Parteigeschichte, wo Grüne sich das Recht herausgenommen haben, geltende Nor men zu kritisieren und auch gegen solche Normen zu demons trieren? Das ist doch Heuchelei, was Sie hier am heutigen Tag betreiben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD sowie Abge ordneten der AfD)

Sie haben gesagt, Herr Ministerpräsident: Na ja, Abgeordne te können sagen, was sie wollen; aber was gilt, das sind Ge setze und die Auslegung durch Gerichte. Ich will Sie nur da ran erinnern, Herr Ministerpräsident: Dieser Landtag ist ein gesetzgeberisches Organ,

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

und in diesem Landtag können Gesetze beschlossen und Ge setze geändert werden.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Aber keine Bun desgesetze!)

Was Sie gemacht haben mit dem Luftreinhalteplan und der Strategie, die der Kollege Stoch zutreffend beschrieben hat, macht doch deutlich: Das Ganze ist kein Problem eines Stutt garter Verwaltungsgerichts, auch nicht irgendwelcher Ent scheidungen in Brüssel oder Berlin und schon gar nicht ir gendwelcher Entscheidungen früherer Landesregierungen. Sie sind ja ungeheuer findig, wenn es darum geht, anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Da ist dann Frau Gönner schuld, die vor 15 Jahren irgendwo die Messstationen plat ziert hat. Brüssel ist schuld mit irgendeinem Grenzwert, Ber lin ist schuld, weil Ihre blaue Plakette nicht geliefert wird. Der Einzige, der wie Pontius Pilatus die Hände in Unschuld wäscht, heißt Winfried Kretschmann. Wer soll Ihnen denn die ses Märchen glauben, Herr Ministerpräsident?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Was Sie hier alles an Entscheidungen verkünden, an Möglich keiten, die Sie haben – Sie haben sie ja aufgezählt; beispiels weise sagt man: „Jetzt öffnen wir Park-and-ride-Parkplätze“, „Jetzt stellen wir massenhaft neue Messstationen in Stuttgart auf, vielleicht wird der Messwert dann besser“, „Wir machen Ausnahmen“; Ausnahmen gibt es dann für Handwerker und für historische Fahrzeuge, die besonders viel NOx ausstoßen, für soziale Härtefälle –, das macht doch alles deutlich, Herr Ministerpräsident, dass Sie sehr wohl so etwas wie einen po litischen Handlungsspielraum haben. Sie wollen ihn nur nicht ausfüllen, und deshalb haben wir in Baden-Württemberg die Fahrverbote. Hören Sie endlich auf mit dem Schwarzer-Pe ter-Spiel, meine Damen und Herren in dieser Landesregie rung!

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

In der Debatte wurde ja deutlich: Über Monate wurde uns er zählt: „Wir brauchen diese Fahrverbote, weil wir eben diesen spezifischen Messwert in Stuttgart am Neckartor haben. Das ist der höchste Messwert; an dem orientieren wir uns.“ Jetzt auf einmal, zu unser aller Verblüffung, vernehmen wir: „Jetzt messen wir einfach an verschiedenen zusätzlichen Stationen, und dann kann es ja vielleicht sein, dass wir diesen Messwert am Neckartor einfach unter den Teppich kehren und mit dem zweithöchsten Messwert agieren.“ Das kann man ja alles tun. Ich bin auch dafür, dass man alle Möglichkeiten nutzt, um von diesen unsäglichen Fahrverboten wegzukommen. Aber hören Sie doch auf, den Leuten Sand in die Augen zu streuen und so zu tun, als seien diese Fahrverbote unabweisbar.

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

Dies ist Teil der Strategie des Winfried Hermann, der die CDU über den Tisch gezogen hat. Deshalb, und nur deshalb haben wir Fahrverbote in Stuttgart, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Sie haben mir die Frage gestellt, Herr Ministerpräsident, ob ich mich an Gesetze halte, an Gerichtsurteile. Natürlich halte ich mich an Gesetze. Aber ich bin im Landtag von BadenWürttemberg, um gegebenenfalls falsche Gesetze zu ändern.

(Beifall des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Es ist auch deutlich geworden, dass wir auf diesen Luftrein halteplan sehr wohl politischen Einfluss haben. Natürlich hat Herr Hermann nicht in diesen Luftreinhalteplan geschrieben: „Wir wollen Fahrverbote für Euro-5-Diesel“, aber Herr Her mann hat sehr wohl Maßnahmen in den Luftreinhalteplan hi neingeschrieben, Erwartungen hineingeschrieben in der Hoff nung, dass es zu Euro-5-Fahrverboten kommt