Unseriös ist jedoch, belegte wissenschaftliche Fakten einfach nur durch unwissenschaftliche Behauptungen zu leugnen.
Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Lungenarzt Dieter Köhler, der die deutsche Debatte zur Luftreinhaltung wochenlang dominiert hat,
hat einen mehr als doppelt so hohen Grenzwert ins Spiel ge bracht, nämlich 100 Mikrogramm pro Kubikmeter. Anschlie ßend musste er einräumen, dass er sich bei seinen Über schlagsrechnungen ein wenig verrechnet hat,
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat im Novem ber 2018 den Stand der Wissenschaft dargestellt und die ak tuellen Grenzwerte gestützt, 50 Seiten Positionspapier, 451 Zitate und unzählige Studien zum Thema – weggewischt durch zwei Seiten einer Stellungnahme ohne einen einzigen Beleg oder wenigstens einen konkreten Vorschlag, wie genau denn die fehlende wissenschaftliche Basis der Grenzwerte zu verbessern wäre. Es ist kein Argument, dass ein Lungenfach arzt noch keinen Menschen gesehen hat, der an Stickoxid ge storben wäre. Ein Krebsarzt weiß auch nicht, ob sein Patient am Passivrauchen, am Kontakt mit krebserregenden Stoffen oder an Radioaktivität erkrankt ist.
Ein Arzt kann nicht unmittelbar feststellen, ob ein Herzinfarkt durch eine Entzündung innerer Organe ausgelöst wurde, die wiederum von Stickoxiden ausgelöst worden sein kann.
Um solche Zusammenhänge herzustellen, braucht es For schung. Diese basiert auf Gründlichkeit und auf der Einhal tung wissenschaftlicher Standards.
Es geht in unserer heutigen Debatte nicht zuletzt um das Ver ständnis von Gesundheitsschutz. In Deutschland und in Eu ropa gilt das Vorsorgeprinzip. Bei uns greift dieses Prinzip, wenn es wissenschaftlich plausibel ist, dass ein Stoff gesund
also z. B. an Kindern, älteren Menschen, Asthmatikern oder auch an Menschen, die Sport treiben und daher mehr Luft ein- und ausatmen als jemand, der in seinem vollklimatisierten Au to sitzt.
Hier muss eine direkte Ursache für eine Gesundheitsgefähr dung bewiesen werden. Eine wissenschaftliche Plausibilität reicht dafür nicht.
Unser Weg ist das nicht. Wir stehen für die europäische Kul tur des Verbraucherschutzes in allen Bereichen.
Nein, es geht um Gesundheitsschutz. – Das sind die Dinge des täglichen Gebrauchs, mit denen wir direkt in Kontakt kommen. Nicht weniger als 1 378 Substanzen dürfen gemäß der EU-Kosmetikverordnung nicht verwendet werden, weil von ihnen eine Gefahr für Gesundheit oder Umwelt ausgehen kann. Für 266 weitere Bestandteile ist die Verwendung einge schränkt. Das ist das europäische Vorsorgeprinzip.
Blei im Lippenstift, Quecksilber im Nagellack, Teer im Haar waschmittel – 1 367 Chemikalien also, die in Europa verbo ten sind, und 266 Substanzen, deren Verwendung bei uns ein geschränkt ist, sind in den USA erlaubt. Wenn Sie das hier wollen, dann sagen Sie es bitte laut.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In der vor liegenden Stellungnahme des Verkehrsministeriums kann ei niges zur Entstehung der Grenzwerte und zur Zuständigkeit der verschiedenen Ebenen nachgelesen werden.
Die WHO sammelt und bewertet wissenschaftliche Studien, leitet daraus Vorschläge für Grenzwerte ab, die dann in euro päischen Fachgremien diskutiert und mit den dazugehörigen Messvorschriften in einer Richtlinie – im vorliegenden Fall die Richtlinie 2008/50/EG – beschlossen werden. Diese Richt linien werden vom nationalen Gesetzgeber in Gesetz umge setzt. Der Bund und vor allem die Länder und Kommunen ha ben dann durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Das kann von Gerichten dann überprüft werden.
Natürlich sind die Urteile von Gerichten in einem Rechtsstaat umzusetzen. Ebenso darf man in einer Demokratie natürlich die oben beschriebenen Schritte einzeln oder gemeinsam hin terfragen, und man darf auch Studien lesen, wenn es Hunder te sind. Da ist eine Studie von 1956 dabei, da sind wohl Wer te von den Olympischen Spielen in China dabei, die sicher ge sundheitsschädlich sind, wenn man die Hand nicht mehr vor den Augen sieht. Man kann sich das anschauen, und man darf auch mit einem einfachen Physikstudium und einer Promoti on die Sachen lesen und sagen: „Vielleicht hatten die Wissen schaftler bei Stickoxid wirklich keinen Wert.“ Deshalb darf man einzelne Grenzwerte hinterfragen und muss nicht skla visch an ihnen hängen.
Wenn man also etwas ändern möchte, muss man zudem an der richtigen Stelle eingreifen. Anträge hier – populistisch und je de Woche wieder – bringen nichts. Die CDU ist zur EU ge gangen und hat diese 50 Mikrogramm als unverhältnismäßig absegnen lassen. Daher kommt der Wert.
Er kommt nicht daher, dass wir hier diskutiert haben. Das in teressiert niemanden. Der Wert ist doch schon da.