Und es sollte dabei auch nicht herauskommen, dass noch mehr obskure Grenzwerte beschlossen werden wie der, unter dem wir jetzt in Stuttgart leiden.
Denn es darf nicht sein, dass es in irgendwelchen intranspa renten europäischen Prozessen zu Entwicklungen kommt, die absolut nicht im Interesse des Landes Baden-Württemberg sind.
Es ist nicht im Interesse des Landes Baden-Württemberg, den Dieselfahrern in der Region das Autofahren zu verbieten, und es ist nicht im Interesse des Landes Baden-Württemberg, auf diese Art und Weise einen Anschlag auf die wichtigste Indus trie, die die Arbeitsplätze und den Wohlstand in Baden-Würt temberg sichert, zu verüben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])
Weiter muss klar sein: Am Ende dieses Prozesses darf nicht das Ergebnis stehen, dass eine Europäische Kommission, die in ihrer Mehrheit erkennbar wirtschaftsfeindlich ist, die Macht in den Händen hält.
Günther Oettinger ist für mich eine Ausnahme; Margrethe Vestager auch. Aber die Mehrheit dieser Kommission ist er kennbar wirtschaftsfeindlich, und es ist nicht im Interesse des Landes Baden-Württemberg, wenn die baden-württembergi sche Landespolitik am Ende von dieser Kommission betrie ben wird.
Herr Ministerpräsident, Sie haben sich – wenn ich es interpre tieren darf – zu einer Wechselwirkung zwischen Subsidiarität auf der einen Seite und Kooperation auf der anderen Seite be kannt. Das ist sicherlich richtig. Wir brauchen in vielen Be reichen Zusammenarbeit.
Wir werden das Thema Migration nicht bewältigen können, wenn jeder europäische Staat, wenn vielleicht sogar jede eu ropäische Region ihre eigene Migrationspolitik betreibt. Wir werden auch beim Thema Digitalisierung besser vorankom men, wenn wir kooperieren, und auch der Emissionshandel wird nur auf europäischer Ebene funktionieren können.
Für meine Fraktion bekenne ich mich auch klar zu einer ge meinsamen Sicherheitspolitik in Europa. Auch das gehört zu unserer Staatsräson.
Aber in anderen Bereichen brauchen wir mehr Subsidiarität. Sie haben es angesprochen: Es ist nicht im Interesse des Lan des Baden-Württemberg, wenn Kreissparkassen oder Volks banken demselben Rettungsschirm, demselben Bankenmus ter unterliegen wie die Großbanken. Hier muss deutlich wer den, dass wir im Interesse des Mittelstands die Interessen des Landes Baden-Württemberg wahrnehmen.
Was in Ihrer Regierungsinformation, Herr Ministerpräsident, gefehlt hat – das ist für einen Grünen bemerkenswert –, war das Thema Energiepolitik. Dazu haben wir Aussagen vermisst. Wie stellen Sie sich denn die Energiepolitik auf europäischer Ebene vor? Oder stellen Sie sich gar keine Energiepolitik auf europäischer Ebene vor, weil man vielleicht glaubt, in einer Art Klimanationalismus das Problem des Klimawandels na tional oder vielleicht sogar auf baden-württembergischer Ebe ne lösen zu können? Oder gehen Sie davon aus, dass ein deut scher Sonderweg oder vielleicht sogar ein baden-württember gischer Sonderweg bei der Energiepolitik, bei der Energie wende zielführend ist nach dem Motto „Wir stellen möglichst viele Windräder dort auf, wo möglichst wenig Wind weht“?
Das ist ja eher Ihre Energiepolitik. Die ist jedoch mit Sicher heit nicht zielführend. Ich würde schon erwarten, dass wir all mählich dahin kommen, zu erkennen, dass wir eine europäi sche Energiepolitik brauchen und in diesem Bereich mit den anderen europäischen Staaten kooperieren müssen. Denn sonst wird diese Energiewende nicht gelingen; sonst fahren Sie die Energiewende an die Wand, meine Damen und Herren.
Kooperation bedeutet Technologieoffenheit, und zwar auch in der Verkehrspolitik. Es muss deutlich werden, dass es absolut im Interesse des Landes Baden-Württemberg und seiner Wirt schaft ist, nicht etwa zu erklären, alle müssten mit Elektromo bilen unterwegs sein – ohne dass es die entsprechende Lade infrastruktur gibt –, sondern sich in einem Flächenland wie Baden-Württemberg deutlich dazu zu bekennen: Wir brau chen den Verbrennungsmotor noch viele Jahre. Von einem ba den-württembergischen Ministerpräsidenten würde ich im In teresse dieses Landes ein solches Bekenntnis erwarten.
Sie haben dann von der Bürgerbeteiligung berichtet. Kollege Stoch hat das auch schon angesprochen und gesagt, es wäre wünschenswert gewesen, diese Bürgerbeteiligung nicht so im Geheimen abzuhalten.
Sie haben dann gesagt, Sie hätten dieses Projekt mit Zufalls bürgern gemacht. Da besteht dann natürlich auch die Gefahr, dass Zufallsergebnisse herauskommen, die das Licht der Öf fentlichkeit scheuen – jedenfalls haben wir bislang noch nicht viel gehört. Gut, Sie haben jetzt berichtet, die Grundstimmung in Bezug auf die EU sei positiv. Das ist erfreulich. Sie haben aber auch berichtet, dass die Leute sagen, die EU solle nicht überall präsent sein. Ich zitiere Sie: „Es wurde auch Kritik ge äußert.“
Ja, welche Kritik, Herr Ministerpräsident? In Ihrer Regie rungsinformation haben Sie diese nicht genannt; Sie haben nur gesagt: „Es wurde auch Kritik geäußert.“ Wenn Sie schon einen solchen Bürgerbeteiligungsprozess machen, wenn Sie die Bürgerbeteiligung so hochhalten und wenn Sie nun schon wieder mit Ihrer „Politik des Gehörtwerdens“ anfangen – ob wohl dies im Redemanuskript gar nicht steht –, dann würde ich erwarten, Herr Ministerpräsident, dass Sie die Bürgerkri tik ernst nehmen und zumindest benennen, was die Bürger denn kritisiert haben.
Wahrscheinlich haben die Leute gesagt: Europa ja, aber Schul denunion nein. Es geht um das, was Sie beispielsweise wäh rend der Verhandlungen zur Jamaikakoalition vertreten haben – deshalb sind diese Verhandlungen ja auch zu Recht geschei tert; denn wir machen die Schuldenunion nicht mit, meine Da men und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])
Insofern kann ich bilanzierend sagen: Natürlich ist Europa Teil unserer Staatsräson. Europa hat uns Frieden gebracht, Euro pa hat uns Wohlstand gebracht; deshalb gehen wir diesen Weg auch weiter. Was wir aber vermeiden wollen, sind Auswüch se; was wir vermeiden wollen, sind Fehlentwicklungen. Des halb muss es auch weiterhin möglich sein, im Wege der Sub sidiarität dort Eigenverantwortung wahrzunehmen, wo unse re Interessen möglicherweise andere sind als in anderen Re gionen Europas.
In jedem Fall wird es bei der Europawahl im Mai notwendig sein, ein klares Signal zu setzen, nämlich das Signal: Wir wol len weitermachen mit einem Europa der Integration, mit dem Friedensprojekt Europa, mit dem Wohlstandsprojekt Europa, und wir müssen dem Nationalpopulismus und der Repatrioti sierung, von der manche so erzählen, dem Weg zurück ins 19. Jahrhundert, eine Absage erteilen. Das muss das Ergebnis dieser Europawahl sein.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal herzli chen Dank für diese breite europapolitische Diskussion – auch wenn sich die Reihen inzwischen etwas gelichtet haben.
Ich finde aber, es ist wichtig, gerade in einer Zeit, in der mit Blick auf Europa sehr viel Irritation entsteht, in einer Zeit, da man in anderen europäischen Ländern über einen Austritt nicht nur nachdenkt, sondern diesen auch beschließt und – ak tuell chaotisch – organisiert, eine europäische Standortbestim mung vorzunehmen und sich vor Augen zu führen, von wel cher europapolitischen Perspektive wir ausgehen.
Deshalb ist sowohl diese Debatte als auch das von der Lan desregierung initiierte Europaleitbild in erster Linie – das ist sinnvoll und richtig – eine Standortbestimmung: Wo stehen wir in Baden-Württemberg als leidenschaftliche Europäer? Wohin wollen wir? Allein deshalb hat sich dieser Prozess ren tiert.
Wir haben uns, ausgehend von dem von der Kommission an gestoßenen Weißbuchprozess, leiten lassen, einen Prozess mit breiter Beteiligung auf den Weg zu bringen. Während es um den Weißbuchprozess etwas ruhig geworden ist, ist es uns ge lungen, im Rahmen des Leitbildprozesses in Baden-Württem berg tatsächliche Partizipation zu ermöglichen.
Für die Bevölkerung unseres Landes, aber vor allem auch für dieses Parlament geht es natürlich darum, sich klar zu positi onieren, wie wir uns die Zukunft Baden-Württembergs vor stellen. Ein starkes und erfolgreiches Baden-Württemberg braucht den europäischen Rahmen, braucht die Partnerschaft mit unseren europäischen Nachbarn. Für Europa zu sein – das
hat der Ministerpräsident auch angesprochen – ist deswegen nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern auch des Patriotis mus.
Lieber Kollege Stoch, ich gebe Ihnen vollumfänglich recht, wenn Sie sagen: „Europa ist nicht das Problem, Europa ist die Lösung vieler Probleme.“ Wer das bislang bezweifelt haben sollte, dem sei ein Blick nach Großbritannien angeraten, wo sich nun zeigt, welche Vielfalt von Problemen, von teilweise unlösbaren Problemen sich die britischen Freunde durch die Entscheidung für den Brexit selbst eingehandelt haben. Euro pa ist die Lösung vieler Probleme – davon sollten wir uns lei ten lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Europadialog hat ge zeigt, dass die Notwendigkeit der europäischen Integration auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern, von vielen Exper ten und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen in unserem Land genauso gesehen wird.
Angesprochen wurde auch, dass die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Landesregierung – Staatsministerium einerseits, Europaministerium andererseits – so eine Sache sei. Es wur de gefragt, ob das nun auch wirklich Ausdruck dieses festen Bewusstseins für Europa und des Willens zu Europa sei. Ich finde, gerade dieser Leitbildprozess hat gezeigt, dass wir in nerhalb der Landesregierung sehr gut zusammenarbeiten und dass wir dieses Leitbild durchaus in der Selbstverantwortung verfasst haben, uns innerhalb der Regierung Aufgaben für die Zukunft vorzunehmen. Auch wir wollen noch besser werden, wenn es um die Zukunft Europas geht.
Wie genau die Zukunft Europas aussehen soll, ist vielfach un klar. Deshalb lohnt es sich, über die Zukunft der EU zu spre chen. Dabei ging es überhaupt nicht – das wurde heute mehr fach angesprochen; ich will es konkretisieren – um Veranstal tungen, die ausschließlich der Schönfärberei gedient hätten, der Schönfärberei eines europäischen Projekts, sondern das waren Dialoge, die Plattformen dafür boten, auch kritisch über manche Entwicklungen in Europa zu diskutieren.