Protocol of the Session on December 20, 2018

Die einstimmig von der grün-schwarzen Landesregierung be schlossene Antwort auf unsere Große Anfrage endet mit dem Satz:

In der Gesamtabwägung sprechen daher nach Auffassung der Landesregierung die gewichtigeren Gründe für eine Beibehaltung der Zugehörigkeit der Stadt Bad Herrenalb zum Landkreis Calw.

Dieser Abwägungsentscheidung der Regierung schließen sich nach eigener Abwägung die Koalitionsfraktionen von Grünen und CDU an.

Dieses Ergebnis unseres Abwägungsprozesses legen wir Ih nen heute in Form eines Entschließungsantrags vor. Danach wird an den Gebietszuschnitten der beiden Landkreise Calw und Karlsruhe festgehalten. Wir ersuchen jedoch alle Betei ligten, im Interesse der Stadt Bad Herrenalb die schon heute ausgeprägte – das sage ich ausdrücklich – interkommunale Zusammenarbeit auch über die Kreisgrenzen hinweg weiter zuverfolgen.

Diese demokratische Entscheidung, die der Landtag nachher zu treffen hat, bitten wir, so sie so ausgeht, zu akzeptieren – auch diejenigen, die vielleicht über das Ergebnis der Entschei dung ein wenig enttäuscht sein werden.

Das Wohl der Stadt Bad Herrenalb ist uns, der CDU-Land tagsfraktion, sehr wichtig.

(Beifall des Abg. Willi Stächele CDU)

Und glauben Sie mir: Mir als dem direkt gewählten Wahlkreis abgeordneten ist das Wohl der Stadt Bad Herrenalb ein Her zensanliegen.

(Beifall bei der CDU)

Ich würde hier im Hohen Haus nicht sehenden Auges meine Hand für eine Entscheidung heben, die für die Stadt Bad Her renalb negative Auswirkungen hat.

(Zurufe der Abg. Nicole Razavi CDU und Anton Ba ron AfD)

Ich wünsche der Stadt als einem starken Glied des Landkrei ses Calw und als dem westlichen Tor zum Nordschwarzwald eine dynamische Zukunft. Die Stadt ist eine sympathische Botschafterin des Schwarzwalds in die Region Mittlerer Ober rhein hinein. Alles Gute der Stadt Bad Herrenalb!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Balzer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Heute sprechen wir nicht einfach über einen Verwaltungsakt. Heute beraten wir den Wechsel einer Stadt in einen anderen Landkreis. Übrigens schrecklich, dieses Wort „auskreisen“. Die Eingliederung, wenn sie denn stattfände, in den Landkreis Karlsruhe würde dann ja wohl „einkreisen“ heißen – eine interessante Wort schöpfung.

Nein, wir diskutieren eigentlich über ein kleines Stück Bür gerbeteiligung, Politik von unten, vielleicht auch über ein klei nes Stück Politikverdrossenheit. Ich wundere mich über die Distanz zum Wähler, zum Bürger gerade bei Ihnen, den Grü nen. Früher gingen Sie dauernd auf die Straße: gegen Flug plätze, gegen die Bundeswehr, gegen die Staatsgewalt, für Bürgerrechte. Ich erinnere an den Hambacher Forst, ich erin nere an Stuttgart 21. Das ist ja durchaus noch aktuell. Aber hier und heute wollen Sie vom Bürgerwillen nichts mehr wis sen, nichts hören. Überhaupt sind Ihnen Referendum und Volksbegehren anscheinend inzwischen suspekt. Sie bevorzu gen – so Staatsrätin Gisela Erler hier im Hause – den Zufalls bürger, aber nicht zufällig, sondern im Proporz und nach Quo te sauber sortiert.

Demokratiedefizite bei Ihnen, den Grünen – das kann doch nicht wahr sein. Bei Ihnen doch nicht! Extremismus gibt es ja schließlich nur rechts. Das Gute ist links-grün, nicht wahr?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die CDU schaut diesem seltsamen Treiben recht gelassen zu, bis die Wählerzustimmung noch niedriger ist, vielleicht ir gendwann bei 15 % landet. Folgen Sie der SPD ruhig weiter auf dem Weg abwärts,

(Beifall des Abg. Udo Stein AfD)

und überlassen Sie die Politik uns. Wir können das.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wir sprechen uns ganz klar für Bürgerbeteiligung, für mehr Respekt vor den Bürgern aus. Natürlich wissen wir auch, dass das Referendum Schwächen hat, Vorteile und Nachteile hat. Diese Schwächen gilt es aufzuarbeiten. Aber maßgeblich ist doch eigentlich eine Bürgermehrheit. Diese betrug 50,5 % der Bevölkerung, wobei das Quorum von 59 % problemlos erfüllt wird. Aber wo wäre denn auch hier die Grenze? Tatsache ist: Mehrheit ist Mehrheit. Damit muss man sich in der Demokra tie – Staatssekretär Schebesta hat darauf einmal deutlich hin gewiesen – abfinden.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das habe ich auch ge sagt, Herr Kollege!)

Wie schmerzhaft der Bürgerwille der Regierung im Magen gelegen hat, lässt sich am Trauerspiel der Bearbeitungszeit of fensichtlich ablesen. Sicherlich ist es richtig, solche Entschei dungen nicht vom Zaun zu brechen, aber über die Bearbei tungsgeschwindigkeit der Landesregierung zu diesem Sach verhalt muss man sich schon sehr wundern, vergleicht man es beispielsweise mit Entscheidungen zu Fahrverboten, die ge radezu blitzartig fallen, obwohl sie der Komplexität einer Aus kreisung sicher in nichts nachstehen.

Bereits am 23. Oktober 2016 fand das Referendum statt. Im November 2016 versprach die Regierung erstmals eine um fassende Information des Parlaments nach Eingang der Stel lungnahme. Diese Informationen waren damals schon lange eingetroffen und befanden sich bei den Ministerien zur Aus wertung. Wir, die Alternative für Deutschland, können es uns immerhin zugutehalten, dass nach dieser lauten Stille die Re gierung nach einer Anfrage vom 4. Juli 2017 zu einer Aussa ge kam. Sonst würden wir, auch die Bürger, wohl heute noch warten, so ähnlich wie es den Reutlingern gegangen ist oder auch ergeht.

Endlich haben wir nun, wenige Tage vor Weihnachten, die Ge legenheit, über den Mehrheitswillen der Bürger von Bad Her renalb zu entscheiden. Hier könnte man an ein Geschenk, an ein Entgegenkommen denken. Seitdem sind über zwei Jahre vergangen.

Bei allem Respekt, Herr Ministerpräsident Kretschmann: Die britische Regierung hat zwischen dem Referendum über den Brexit im Juni 2016 neun Monate, bis März 2017, benötigt, bis sie den Volkswillen rechtlich wirksam der Europäischen Union zuleitete.

(Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Sehr erfolgreich! – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

„Wir können alles. Außer schnell entscheiden.“ So lautet der passende Werbespruch.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Man könnte hinzufügen: „Erst recht, wenn es uns nicht ge fällt.“

Dass die Entscheidung kurz vor Heiligabend voraussichtlich kein verfrühtes Weihnachtsgeschenk im Sinne der Abstim mung für die Heilbronner Bürger wird, lässt der vorliegende Antrag bereits erahnen.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Wieso Heilbronn? Falsche Rede! – Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt er klärt sich einiges! – Abg. Winfried Mack CDU: Fal sche Rede! Herr Kollege, Sie sind hier im Landtag!)

Herrenalber Bürger. – Die Bürger der Kurstadt Bad Herren alb haben aber offensichtlich erkannt, dass sich ihr reales Le ben zu mehr als 80 % nicht mehr im Kreisgebiet, sondern au ßerhalb des Landkreises Calw, im Großraum Karlsruhe, ab spielt. Die zerfledderte Schullandschaft, die Problematik des Gewerbegebiets, die Problematik der Erddeponie Dobel, den Verbund der Stadtwerke Bad Herrenalb mit der EnBW über Ettlingen erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.

Die bisher bestehende Verwaltungszugehörigkeit bildet diese Realität wohl nicht ab und wird offensichtlich von den Bad Herrenalber Bürgern mehrheitlich als Mangel empfunden. Die Geologie der Täler mit den historisch gewachsenen Verkehrs wegen, Wanderwegen erwähne ich am Rande. Sie alle kennen das Gaistal, den klassischen Abzweig vom Westweg. Unser Ministerpräsident kennt es ja auch vom Helikopter aus. Kol lege Blenke war vielleicht der Mitflieger – ich weiß es nicht.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD – Abg. Thomas Blenke CDU: So ein Quatsch! – Abg. Winfried Mack CDU: War ein kleines Witzle!)

Die Argumentation, man könnte sich in Zukunft viele Amts gänge durch die Digitalisierung sparen, erspare ich mir. Die Zukunftsmusik spielt wohl in den Wolken, in der Cloud. Die Realisierung – ich will jetzt nicht auf „ella“ eingehen – liegt vermutlich in weiter Ferne.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Passt auch nicht so ganz!)

Passt auch nicht; richtig.

(Abg. Winfried Mack CDU: Zur Flüchtlingsproble matik haben Sie noch nicht gesprochen!)

Rechtsstaatsprinzip und demokratische Legitimation sollten, ja müssen einen Vorrang vor kurzfristigem Aktionismus und wirksamer Effekthascherei haben. Wir setzen deshalb auf das politische Urteilsvermögen und die Verantwortungsbereit schaft der mündigen Bürger. Die Bürger müssen das politi sche Geschehen so weit wie möglich selbst bestimmen kön nen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wer als Politiker, unabhängig von der jeweiligen Ebene, den Bürger und die getroffenen Abmachungen nicht ernst nimmt, wird unglaubwürdig. Manche Wahlbeteiligungen und Wahl ergebnisse sprechen da für sich.

Ministerpräsident Kretschmann erläuterte im Zusammenhang mit dem Nationalpark Schwarzwald, dass das Gehörtwerden aus zwei Strängen bestehe: aus Volksentscheiden und Bürger entscheiden mit direktdemokratischen Entscheidungen und aus einer Bürgerbeteiligung, mit der die Menschen zwar be teiligt werden, aber zum Schluss nicht die Entscheidung tref fen dürfen. Er formulierte:

Ich musste irgendwann sagen: Die Politik des Gehörtwer dens heißt nicht, dass man erhört wird.

Meine Damen und Herren, bei der Kreisreform in Württem berg im Jahr 1938 gelangte Herrenalb zum Landkreis Calw. Der Kern der Stadt, das Kloster, wurde nach dem Dreißigjäh rigen Krieg im Jahr 1649 aufgehoben und kam im Jahr 1808 zum Königreich Württemberg, zum Oberamt Neuenbürg. Die ser Bezirk ging in den Siebzigerjahren komplett im damals gegründeten Landkreis Calw auf. 7 : 4 ging die Abstimmung im Gemeinderat aus. Interessanterweise wechselte 1970 Lof fenau nach Rastatt, nach Baden.

Wer die Historie kennt, versteht manches besser. Die damali ge Landesregierung hatte übrigens eine Anbindung von Bad Herrenalb an den Landkreis Karlsruhe vorgesehen. Es ent stand aber der Bäderkreis Calw, der in gewisser Weise einige Jahre gut funktionierte.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Was heißt „in gewisser Weise einige Jahre“? Er funktioniert noch heute gut!)

1971/1972 wurden mit der Kreisreform gute Dinge geschaf fen, aber manches war ein Fehler. Über einen solchen disku tieren wir heute. Villingen-Schwenningen will ich an dieser Stelle nur am Rande erwähnen. Tatsache ist einfach: Wenn man einen Fehler erkennt, ist es an der Zeit, diesen zu repa rieren. Gehen wir einfach mutig voran.