Protocol of the Session on December 12, 2018

Die AfD arbeitet nach einem ganz anderen Schema: Sie malt einen Teufel an die Wand, den es nicht gibt, und dann nimmt sie für sich in Anspruch, ebendiesen selbst erfundenen Teufel mit großer Geste auszutreiben.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Unglaublich! Es gibt diese dokumentierten Fälle!)

Das ist nicht nur unseriös, sondern vordemokratisch im Geis te und im Auftreten.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Alle demokratischen Parteien haben in der moralisch schwie rigen Frage des Schwangerschaftsabbruchs nach langem Rin gen eine gesellschaftliche Befriedung erreicht.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ein My thos!)

Es gibt nur eine Frage, die im Moment ernsthaft diskutiert wird, und das ist der § 219 a. Offensichtlich ist es so, dass be reits eine Information darüber, dass eine Ärztin einen Abbruch durchführt, als strafbare Werbung verstanden werden kann. Das ist so nicht gewollt, und deshalb suchen jetzt alle demo kratischen Parteien nach rechtlichen Lösungen. Dabei werden verschiedene Wege vorgeschlagen. Diese können Sie für rich tig oder für falsch halten. Aber keine demokratische Partei will mehr Abtreibungen. Das zu unterstellen ist schlichtweg unanständig.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Bernd Gö gel AfD: Sie haben doch abgestimmt! Sie haben doch einen Beschluss herbeigeführt!)

Nur Sie von der AfD wollen etwas völlig anderes, nämlich den Teufel an die Wand malen.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Lesen Sie die Beschlüsse Ihrer Jusos! – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Ihr zweiter Aufhänger für die Debatte ist anscheinend eine von einer Kita ausgehende Plakataktion. Ich weiß nicht, was sich im Detail abgespielt hat, aber eines ist klar: Es gilt der Auftrag unserer Verfassung und des Kinder- und Jugendhil fegesetzes. Unsere Bildungseinrichtungen sind Schulen der Demokratie.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Des Ausspionierens der elterlichen Meinung wie damals in der DDR! – Ge genruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das sagt der Richtige!)

Sie sind an dieser Stelle nicht neutral, sondern gefordert, wenn der Boden des Grundgesetzes verlassen wird und wenn de mokratiefeindliche Äußerungen getätigt werden. Gegen eine solche Äußerung richtete sich das Spruchbanner der Kita. Da rauf stand:

Hitler und der Zweite Weltkrieg von Nazideutschland war kein Vogelschiss in der deutschen Geschichte, sondern ein Verbrechen gegen die Menschheit.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ablenkung ist das! Ablenkung vom Thema!)

Diese demokratische Selbstverständlichkeit als linksideolo gisch abzustempeln

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Und mit solchen Metho den kommen Sie heute wieder! Die Kinder ausspio nieren!)

zeigt, wes Geistes Sie sind.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Wenn Sie Kinder und Familien vor solchen angeblich links ideologischen Einflüssen schützen wollen, dann wird auch deutlich, was Sie von Meinungsfreiheit – Artikel 19 der All gemeinen Erklärung der Menschenrechte – verstehen, näm lich nichts.

(Abg. Carola Wolle AfD: Sie verstehen nichts!)

Meinungsfreiheit bedeutet immer auch Meinungsvielfalt.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Da wird es immer auch – hören Sie mir zu – linke und eher rechte Positionen geben. Diese haben Einfluss, und das ist im Rahmen der Verfassung auch gut so. Dagegen wenden Sie sich in Ihrem Titel aber. Sie wenden sich gegen Einfluss, also nicht gegen das Aufzwingen von Meinungen, sondern Sie wenden sich gegen Einfluss. Genau das dürfen Sie in einem pluralen Verfassungsstaat nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Zurufe von der AfD)

Sie wollen Meinungen verbieten, die Ihnen nicht passen, und spielen sich als oberste Richter über „richtige“ und „falsche“ Positionen auf. Man hört es jetzt gerade durch die Zwischen rufe.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Meinungsfreiheit im Par lament!)

Das widerspricht Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Gedanken-, Gewissens- und Religions freiheit.

(Zuruf: Genau!)

In § 45 des Sozialgesetzbuchs VIII sowie in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention steht, worum es bei der Partizi pation von Kindern geht: um Beteiligung im Alltag, Beach tung verbaler und nonverbaler kindlicher Beschwerden, För derung der Selbstwirksamkeit, Umgang mit Grenzverletzung,

altersangemessene Beteiligungsformen, Einübung demokra tischen Verhaltens, Förderung des Zusammenlebens in einer Solidargemeinschaft.

Es geht darum, Kinder stark zu machen und sie und ihre Rech te zu schützen, damit sie sich in einer offenen Gesellschaft zu Hause fühlen. Denn Kinder werden nicht als Rassisten gebo ren. Sie haben ein starkes Gerechtigkeitsempfinden, das sie sich bewahren und weiterentwickeln, wenn wir sie von vorn herein ernst nehmen und ihre Rechte achten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Genau in diese Richtung geht auch die von Ihnen grotesk ver zerrte Handreichung der Amadeu Antonio Stiftung.

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Ich zitiere aus einer Kitakonzeption meiner Heimatstadt Reut lingen:

Im Orientierungsplan für baden-württembergische Kin dertageseinrichtungen ist Partizipation... grundlegend in allen Themenbereichen präsent. Die Aussage des sich selbst bildenden Kindes drückt bereits aus, dass der Bil dungsprozess nur mit und nie ohne das Kind gelingen kann. Das Kind ist Akteur seiner Bildungs- und Entwick lungsprozesse und muss an diesen beteiligt sein. Kinder wirken im pädagogischen Alltag bei vielfältigen Entschei dungs-, Planungs- und Durchführungsprozessen mit. In Partizipations- und Aushandlungsprozessen erfahren Kin der dabei auch vielfältige Interaktions- und Kommunika tionspartner, die andere Bedürfnisse, Interessen und Ide en haben als sie selbst. Sie erleben zudem im Dialog mit einander, dass ihre Ansichten und Wünsche in vielfältiger Weise gehört und aufgegriffen werden.

So, meine Damen und Herren, funktioniert Demokratiebil dung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Inszenierte Teufelsaustreibungen sind das Gegenteil.

(Zuruf: Genau!)

Sie sind der mentale Boden für totalitäres Denken, für Hass und Diktatur. Diese Aufklärung ist wirklich wichtig für unser Land.

(Beifall bei den Grünen, Abgeordneten der CDU und der SPD sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Felder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Da muss man schon zweimal hinschauen und ganz langsam lesen. Die AfD-Fraktion mel det folgenden Satz – na ja, ein Satz ist es eigentlich noch nicht mal – als Thema für die heutige Debatte: „Kinder und Fami lien vor linksideologischen Einflüssen schützen – gegen sozi aldemokratische Abtreibungspläne und Gesinnungsprüfungen im Kindergarten“.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Zurufe von der AfD: Genau! – Sehr gut!)

So weit die – nennen wir es mal so – Wortzusammenstellung.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Da haben Sie mal was Richtiges gesagt!)

Herr Merz, Sie sind besser still, wenn hier vorn eine Frau steht.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Das würde ich aber auch sagen! – Zuruf des Abg. Dr. Hei ner Merz AfD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das war die nächste Beleidigung, Frau Präsidentin! Sorry! – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Das geht gar nicht! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE zu Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Mäßigen Sie sich! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, Frau Abg. Felder hat das Wort. Ich bitte Sie um etwas mehr Ruhe. Herr Abg. Dr. Merz, das gilt ganz besonders auch für Sie.