Protocol of the Session on October 10, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ökologische Landwirt schaft hat in den vergangenen Jahren immer größere Bedeu tung erlangt – sowohl aus Gründen des Tierschutzes als auch aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes, aber auch auf grund der veränderten Sichtweisen und Erwartungen von Ver braucherinnen und Verbrauchern. Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, wird von der CDU-Landtagsfraktion aus drücklich begrüßt und unterstützt.

Es entspricht auch der Zielsetzung und dem Geist im grünschwarzen Koalitionsvertrag, den ökologischen Landbau wei ter voranzubringen. Die positiven Entwicklungen haben wir bereits bei der Beratung des Antrags der Kollegen der Frakti on GRÜNE – Entwicklung des ökologischen Landbaus und dessen Tierhaltungsverfahren in Baden-Württemberg – im ver gangenen Jahr betont. Damals wurde das Thema „Ökologi sche Landwirtschaft“ sehr erschöpfend beleuchtet und umfas send dargestellt.

Deswegen fällt es mir auch ein Stück weit schwer, hier die neuesten oder neuen Entwicklungen bzw. die bahnbrechen den Komponenten aufzuzählen. Der Kollege Hahn hat ja ge rade schon die ganze Bandbreite dessen dargestellt, was wir in dieser Regierungskonstellation bereits erreicht und verbes sert haben.

Aber so erfreulich die Zunahme des Ökolandbaus in den letz ten Jahren ist, muss auch eingeräumt werden, dass sich in den vergangenen anderthalb Jahren eben nichts Bahnbrechendes entwickelt hat. Das liegt sicherlich nicht daran, dass in dem Bereich nichts getan wurde, sondern es liegt daran, dass die Dinge auch beim Ökolandbau eher langsam wachsen – gut Ding will Weile haben. Wenn Sie heute einen landwirtschaft lichen Betrieb umstellen, dann geht das nicht von jetzt auf gleich. Es reicht nicht, einfach einen Schalter umzulegen, son dern es dauert ein Jahr, zwei, drei, vier Jahre – mehrere Vege tationsperioden –, bis ein Betrieb vollständig umgestellt ist.

Wenn man sich die Zahlen einmal im Detail anschaut, dann zeigt sich, dass sich der Anteil ökologischer landwirtschaftli cher Betriebe an der Gesamtzahl der Agrarbetriebe von 1,3 % im Jahr 1996 auf 11 % im Jahr 2017 erhöht hat. Diese Zunah me ist stetig; es ist eine kontinuierliche Entwicklung, die nicht einem Hype geschuldet ist. Das, meine Damen und Herren, ist eigentlich gut und soll auch der Zielsetzung entsprechen, die wir als politische Gestalter, als diejenigen, die den Rah men setzen, begleiten wollen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Ich hoffe daher sehr, dass die heutige Debatte, die heutige Dis kussion nicht deswegen angemeldet wurde, weil sich jüngst ein Vertreter des Ökolandbaus presseöffentlich negativ über die Geschwindigkeit bei der einen oder anderen Entwicklung ausgelassen hat. Denn dafür ist dieses Thema meines Erach tens zu wichtig.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Kollege Gall, das kommt wieder aus der Ecke: Eine starke Behauptung ist besser als ein gutes Argument.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Deswegen, glaube ich, sollten wir das Ganze nicht nur plaka tiv beleuchten, sondern auch inhaltlich.

(Beifall des Abg. Karl Rombach CDU)

Dazu gehört auch, dass wir zwei Seiten der Landwirtschaft haben und „bespielen“ und dass es auch politische Kräfte gibt, die diese beiden Seiten absichtlich in einer Polarisierung hal ten wollen. Das ist falsch.

Ich möchte daran erinnern: Wir hatten letzte Woche das Land wirtschaftliche Hauptfest. Warum ist es gegründet worden? Es entstand in einer Zeit, in der Hungersnot und Lebensmit telknappheit herrschten. Heute sind wir weg von diesen Pro blemen und haben gar nicht mehr den Blick darauf.

Kollege Hahn hat es angesprochen: Auch die Frage der Bil dung spielt hier eine große Rolle. Heute bekommen wir die Lebensmittel zu jeder Jahreszeit aus dem gesamten Spektrum landwirtschaftlicher Produkte, unabhängig davon, ob wir ir gendwo Dürre haben, ob es Frostschäden gibt usw. Deswegen sollten wir auch mit Blick auf eine Resilienz in der Landwirt schaft nicht damit beginnen oder fortfahren – das halte ich persönlich für töricht –, eine Seite zu überhöhen. Wir müssen schauen, dass wir beide Seite parallel entwickeln.

Denn was passiert, wenn wir einmal Ausfälle haben? Was pas siert, wenn wir in andere Situationen kommen? Dann wird die eine Seite auf die andere angewiesen sein. Und das ist gut so.

Deswegen haben wir, die CDU-Fraktion, auch eine Vision. Wir haben die Vision, bis 2030 beide Stränge – die klassische Landwirtschaft und die ökologische Landwirtschaft – viel stärker zusammenzuführen. Die ökologische Landwirtschaft ist beispielgebend, ist Leuchtturm und ist Taktgeber bei der Entwicklung, die landwirtschaftliche Produktion naturnäher zu gestalten, die landwirtschaftliche Produktion auch ein Stück weit in der Gesamtqualität, in der Fläche zu verbessern. Aber ohne die konventionelle Landwirtschaft wird es nicht gehen, und unsere Vision ist es, dass die einen von den ande ren zu lernen haben. Erst dann haben wir wirklich die grüne und die schwarze Idee zueinander gebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Natürlich – da haben die Presseveröffentlichungen recht ge habt – ist in Bayern die ökologisch bewirtschaftete Fläche sehr viel größer als in Baden-Württemberg. Aber ich sage es noch einmal: Der Weg, den wir beschreiten müssen, ist ein konti

nuierlicher Weg. Der muss mit Bedacht gegangen werden. Auf der Strecke sind auch Fragen zu klären wie: Was machen wir mit den Flächenanteilen? Der Ökolandbau hat im Schnitt bei gleicher Produktionsmenge einen um 30 % höheren Flächen bedarf. Auf der anderen Seite müssen wir fragen: Wie viel Flä chenstilllegung brauchen wir in unserem Land? All diese Din ge müssen wir auf dieser Strecke diskutieren. Dabei ist der Ökolandbau für uns, wie gesagt, das Kompartiment, das fe derführend ist und das uns hilft, Landwirtschaft in BadenWürttemberg insgesamt zu verbessern.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Da bin ich dem Minister sehr dankbar, dass er diesen Weg geht. Das Ziel, bis zum Jahr 2030 einen Anteil der Ökoland baubetriebe von 30 % zu erreichen, unterstützen wir zusam men mit den Kollegen von der grünen Seite sehr gern und mit aller Kraft.

Ich darf noch auf die Ausführungen des Kollegen Burger ver weisen, der in der zweiten Runde den Blick etwas mehr in die Tiefe des Ökolandbaus richten wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Andreas Kenner SPD)

Das Wort für die AfD-Frakti on erteile ich Herrn Abg. Stein.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema der Ak tuellen Debatte lautet „Ökologische Landwirtschaft – eine Er folgsgeschichte in Baden-Württemberg“.

Ich möchte kurz mit einer anderen Erfolgsgeschichte aus Ba den und Württemberg beginnen: Die Firma Daimler hat laut Geschäftsbericht 2017 bei den Pkws auf dem deutschen Markt einen Anteil von 10,5 % und bei den Lkws von 36 %. Sie er zielt einen Ertrag vor Zinsen und Steuern von 14,7 Milliar den €, davon stammten 9,7 Milliarden € aus dem Pkw-Seg ment; das sind zwei Drittel des Ertrags.

(Abg. Martina Braun GRÜNE: Wir reden über die Landwirtschaft!)

Man kann also mit nur 10 % Marktanteil durchaus eine Er folgsgeschichte erzählen. Aber kein Politiker in Deutschland fordert, dass Daimler irgendwann einen Marktanteil von 20 % bei den Pkws haben soll.

(Abg. Martin Hahn GRÜNE: Der Vergleich hinkt aber!)

Herr Ministerpräsident Kretschmann forderte 2011 eher das Gegenteil, nämlich weniger Autos.

Ganz ähnlich verhält es sich beim ökologischen Landbau. Sie haben gerade schon wieder die Zahl von 30 % in den Raum gestellt.

Wie bei Daimler in Cannstatt und Benz in Mannheim, so fan den auch im Bioanbau einige Anfänge hier im Ländle statt. Wir haben das schon im Frühjahr 2017 hier erwähnt. Der Tal

hof der Familie Voith in Heidenheim wurde schon 1929 auf biologischen Anbau umgestellt, der Völkleswaldhof der Fa milie Mahle in Oberrot 1958. Weitere wichtige Pioniere ka men in den Siebzigerjahren hinzu: die Großfamilie Rinklin und Verwandte in Eichstetten am Kaiserstuhl, mehrere Deme terbetriebe in Hohenlohe um die Bauernschule Weckelweiler, einige Obstbauern am Bodensee. Der Erfinder des Ladewa gens, Ernst Weichel aus Heiningen bei Göppingen, war Bau er und Mitbegründer der „Fördergemeinschaft organisch-bio logischer Land- und Gartenbau“, heute Bioland.

Die staatlichen Stellen näherten sich dem Phänomen damals nur vorsichtig bis gar nicht. Mitte der Achtzigerjahre gab es Führungen und Beraterfortbildungen, die vom Regierungs präsidium oder vom Ministerium organisiert wurden. Berater vom Landwirtschaftsamt wurden über einen Biohof geführt und diskutierten mit den Bauern.

Professor Kahnt in Hohenheim war der Einzige, der sich seit Ende der Siebzigerjahre des Themas annahm. Zeitweise hat te die Uni Hohenheim die wunderschöne Ensmad bei Gam mertingen als Versuchsstation für den Bioanbau.

Der Vizepräsident der Universität und Chef des Bereichs Landwirtschaftliche Betriebslehre, Professor Reisch, behaup tete jedoch, das Thema Bio brauchte nicht extra bearbeitet zu werden. Das sahen damals die Studenten anders. Eine Vor tragsreihe zum biologischen Landbau, die im Wintersemester 1981/1982 begann und bis heute fortgeführt wurde, hatte bis zu 300 Besucher. Die Studenten holten Biobauern und Bera ter zum Vortrag, um sich aus der Praxis berichten zu lassen.

Auch Verbraucher und Verarbeiter sahen es anders. Der Beginn des Biobooms kann im Rückblick auf Anfang der Achtziger jahre datiert werden. So gab das Landwirtschaftsministerium Anfang/Mitte der Achtzigerjahre beim Lehrstuhl Marktlehre der Universität Hohenheim eine Studie in Auftrag, bei der 200 Biobauern in Baden-Württemberg ein großes Loch in den Bauch gefragt wurde: eine komplette Erhebung über Flächen, Fruchtfolge, Tierhaltung, Erträge und vor allem Vermarktung.

Mühlen, Bäcker und Safthersteller waren die ersten Verarbei ter, die Bioware getrennt verarbeiteten und vermarkteten. Die Molkerei in Schrozberg war die erste Molkerei in BadenWürttemberg mit einer solchen Wirtschaftsweise, von kleine ren Käsereien abgesehen. Tübingen und Schwäbisch Hall ka men später dazu. Da wollte das Land nicht zurückstehen.

(Abg. Martin Hahn GRÜNE: Tettnang nicht verges sen!)

Tettnang, stimmt auch. – Ende der Achtzigerjahre gab es Umstellungsbeihilfen. So, wie die Agrarpolitik mit Geldern aus Brüssel oder wie die Biogassubventionen aus dem EEG heute die Pachtpreise hochtreiben, so wurden auch damals die Subventionen eingepreist – wie jede Subvention. Die Neuum steller bekamen das Know-how der Pioniere umsonst, dazu noch die Umstellungsprämie obendrauf. So konnten sie billi ger verkaufen als die Pioniere. Die Pioniere hatten das Lehr geld bezahlt,

(Zuruf von den Grünen: Die „Jungen Pioniere“!)

sich von der Beratung und den Kollegen den Spott anhören müssen, und als sie die dringend notwendigen Pioniergewin

ne realisieren wollten, lockte der Staat mit Steuergeld Kon kurrenten dazu.

(Abg. Nese Erikli GRÜNE: Freie Rede!)

Jetzt wieder zurück zu Daimler. Genau aus diesem Grund – Daimler schafft es mit 10 % – stehen wir dem Politikziel „30 % Bioanteil“ skeptisch gegenüber.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von den Grünen: Warum?)

Weil der Markt das selbst regeln kann, darum.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Zwar blieb der Preis für Biomilch in der Milchkrise 2016 fast stabil bei 20 Cent über dem konventionellen Preis. Aber die ses Jahr nehmen die Molkereien z. B. in Bayern keine weite ren Biolieferanten mehr auf. Jede staatliche Maßnahme, die in dieser Situation Bauern zur Umstellung ermuntern würde, würde den Markt negativ beeinflussen. Ein vom Staat mit Steuergeld induzierter Preisverfall wäre wirklich das Letzte, was die Biobauern brauchen könnten.