Zweite Frage: Halten Sie die Aussagen, die davon ausgehen, dass das Endlager möglicherweise erst zwischen 2050 und 2080 seinen Betrieb aufnehmen kann, für richtig?
Herzlichen Dank für diese Fragen. – Diese Fra gen beantworten sich relativ einfach mit Blick in das bereits heute vorliegende Gesetz, das, wie gesagt, im Jahr 2013 vom Deutschen Bundestag und auch vom Bundesrat verabschiedet wurde. Wenn Sie im Gesetz lesen, stellen Sie fest, dass ge plant ist, nach der Umsetzung des Verfahrens, das ich gerade geschildert habe, den Standort spätestens bis zum Jahr 2031 festzulegen. Wenn der Standort feststeht, bedarf es noch der Umsetzung. Ich nenne eine Hausnummer: Die Schweiz setzt für die Umsetzung in ihrem Land 23 Jahre an.
Ich gehe nicht davon aus, dass wir zeigen wollen, besonders viel schneller sein zu können als die Schweiz. Wenn wir den Zeitraum, mit dem die Schweiz rechnet, als Anhaltspunkt neh men, dann kommen wir irgendwo in den Fünfzigerjahren die ses Jahrhunderts heraus. Die Behälter, die sich derzeit in den Zwischenlagern in den verschiedenen Standorten in Deutsch land – zwei davon sind in Baden-Württemberg, und zwar ei nes in Neckarwestheim und eines in Philippsburg – befinden, müssen dann über etliche Jahre hinweg zum – hoffentlich dann gebauten – Endlagerstandort gebracht werden. Es wird zu einem entsprechenden Umpacken des Materials in endla gerfähige Behälter kommen; diese müssen dann eingelagert werden. Auch dieser Prozess wird nicht in ein, zwei oder drei Jahren abgehandelt sein, sondern wird sich über mehrere Jahr zehnte hinziehen.
Hinzu kommt, dass die angedachte Dauer des Verfahrens, die ich eben genannt habe und die auch im Standortauswahlge setz steht, in der Kommission nicht von allen geteilt wurde. Es gibt durchaus Stimmen, die sagen: „Die Wahrscheinlich keit, dass das noch länger dauert, ist durchaus gegeben.“ Das hängt dann auch mit den Öffentlichkeitsbeteiligungsverfah ren zusammen, die wir da auch entwickelt haben, die übrigens auch nicht umstritten sind.
Das heißt, ich gehe eher davon aus, dass der Zeitpunkt 2031, wie er im Gesetz steht – ich halte es auch für richtig, dass wir ihn auch seitens der Kommission nach wie vor als den Zeit punkt nehmen, zu dem wir eigentlich sagen: er ist anzustre ben –, sozusagen wirklich die Idealvorstellung ist.
Jetzt kommt ein weiteres Thema hinzu. Ich habe ja gesagt: Wir haben in Deutschland heute Zwischenlager an den Stand orten, darunter die von mir eben genannten, nämlich Neckar westheim und Philippsburg. Diese Zwischenlager sind in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre in Betrieb gegangen. Wenn Sie in die Genehmigungen dieser Zwischenlager hineinschauen, stellen Sie fest: Die Genehmigungen wurden für 40 Jahre er teilt. Sprich: Diese Genehmigungen laufen in den Vierziger jahren aus. Wenn Sie sich an das zurückerinnern, was ich ge rade eben gesagt habe, dann wissen Sie: Zu diesem Zeitpunkt wird noch kein Endlager, das beschickbar ist, zur Verfügung stehen. Das heißt, wir laufen in ein Problem hinein: Die Ge nehmigungen der Zwischenlager laufen aus, ohne dass wir ein Endlager zur Verfügung hätten.
Auch mit diesem Thema haben wir uns in der Endlagerkom mission beschäftigt. Wir haben dazu jetzt keine endgültige Empfehlung an den Gesetzgeber gegeben, sondern wir haben drei Möglichkeiten aufgezeigt, Herr Kollege Drexler.
Die erste Möglichkeit ist, dass man sagt: Wenn der Endlager standort einmal feststeht, also nach 2031, dann müssen wir darüber diskutieren: Müssen wir gegebenenfalls die vorhan denen Genehmigungen um soundso viele Jahre verlängern? Das ist die erste Möglichkeit.
Die zweite Möglichkeit, die wir aufgezeigt haben, ist, dass man sagt: Man konzentriert die in den vorhandenen Zwischen lagern stehenden Behälter in wenigen neu zu errichtenden/ vorhandenen Zwischenlagern.
Die dritte Möglichkeit – die hat auch einen Vorteil, den ich gleich noch benennen will – lautet: Wir nehmen das zu bau ende Eingangslager. Bei dem Endlager muss es ja ein Ein gangslager geben, in dem umgepackt wird. Dieses könnte man theoretisch auch zur Zwischenlagerung heranziehen. Wenn der Standort einmal feststeht, gehört der Bau des Eingangsla gers zu den ersten Maßnahmen, die angegangen werden. Dann könnten bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt an den Standorten der Zwischenlager Behälter auf den Weg dorthin geschickt werden.
Ich habe ja bereits gesagt: Wir haben uns nicht für einen Weg entschieden, sondern wir haben diese drei Wege aufgezeigt. Nun muss einem natürlich klar sein, dass die Akzeptanz eines Endlagerstandorts nicht unbedingt steigen wird, wenn das Ein gangslager sozusagen zu dem zentralen Zwischenlager in Deutschland ausgebaut würde. Aber, wie gesagt, das muss dann an anderer Stelle entschieden werden. Wir haben unse re Aufgabe vielmehr darin gesehen, diese Fragen zu diskutie ren und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Vielen Dank. – Gibt es weite re Fragen an den Minister zu diesem Themenkomplex? – Okay. Herr Abg. Dr. Bullinger.
Herr Minister, nur die Frage: Ist es richtig, dass man jetzt Behälter von Obrig heim nach Neckarwestheim verlegen will? Reicht dann der Platz, der in Neckarwestheim vorhanden ist, sowohl für Ob righeim als auch für Neckarwestheim aus, oder wie schaut es da aus?
Frage sehr gern. Aber sie hat eigentlich nichts mit dem für die heutige Regierungsbefragung angemeldeten Thema zu tun.
Der Punkt ist der folgende. Sie wissen, Obrigheim ist 2004/2005 stillgelegt worden, und im dortigen Nasslager la gern derzeit 342 Brennelemente. Um Obrigheim weiter zu rückbauen zu können, muss man dieses Nasslager auflösen. Die ursprüngliche Überlegung war, an diesem Standort ein neues Zwischenlager zu errichten. Obrigheim ist der einzige Standort in Deutschland, der kein Zwischenlager hat.
Die andere Möglichkeit wurde im Jahr 2006 einmal in einer Anfrage von einem damaligen Oppositionsabgeordneten auf gezeigt.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wie hieß denn der? – Heiterkeit – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ich kann mir vorstellen, wer das war! – Abg. Thomas Blenke CDU: Er hat sehr lange geredet!)
Diese Möglichkeit sieht so aus, dass wir dann, wenn der Atomausstieg ohnehin Platz in vorhandenen Zwischenlagern belässt, eines der beiden vorhandenen Zwischenlager nutzen, um die Brennelemente aus Obrigheim unterzubringen. Die EnBW hat zwischenzeitlich einen Antrag bei der Genehmi gungsbehörde gestellt – das ist in diesem Fall das Bundesamt für Strahlenschutz –, was das Zwischenlager in Neckarwest heim betrifft, mit dem Ziel, die dortige Genehmigung zu än dern, um die Behälter aus Obrigheim einbringen zu können.
Aber derzeit läuft auch ein entsprechendes Verfahren für den Transport. Sie haben der Presse entnommen, dass über die Transportmöglichkeiten diskutiert wird: entweder auf dem Landweg oder auf dem Neckar. Das Bundesamt für Strahlen schutz muss entscheiden, was hier angezeigt ist und in wel chem Rahmen dies möglich ist.
Vom Platz her reicht es auf jeden Fall, weil nach dem Atom ausstieg nicht alle der in Neckarwestheim genehmigten Plät ze für die Behälter genutzt werden müssen, die notwendig sind, um den Standort Neckarwestheim zurückzubauen.
Ich hätte eine Frage konkret zum Thema Endlager – dieses Thema ist für Baden-Württemberg, glaube ich, nicht ganz unwichtig –, zu den Gesteinsschichten.
Herzlichen Dank für die Frage, Herr Kollege Nemeth. – Im Endlagersuchgesetz wurde bereits damals fest gelegt, dass man in Deutschland zu dem Ergebnis kommt, dass drei Wirtsgesteine grundsätzlich infrage kommen, nämlich Salz, Ton und Kristallin. Wir haben uns jetzt über viele Mo nate hinweg, auch unter Hinzuziehung vieler Fachleute in An hörungen, intensiv mit der Frage beschäftigt: Was ist besser geeignet: Kristallin, Ton oder Salz? Sind alle drei Gesteinsar ten geeignet? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Wie ver hält es sich mit der Vergleichbarkeit von Standorten in diesen Verfahren, beispielsweise wenn Sie mögliche Standorte mit Kristallin, mit Ton oder mit Salz miteinander vergleichen? Was sind Ausschlusskriterien? Was sind die Mindestanforde rungen? Was sind mögliche Abwägungskriterien? All dies wurde diskutiert. Hierzu finden Sie in dem von uns jetzt vor gelegten Bericht auch entsprechende Empfehlungen.
Zu diesem Thema kann man viel sagen. In der Kürze der Zeit: Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, in allen drei Wirtsge steinen sichere Standorte zu finden, die gewährleisten, dass – man höre und staune, das hat die Menschheit noch nie ge macht – über eine Million Jahre hinweg alte Abfälle sicher ge lagert werden können. Das ist die Anforderung, die auch der Gesetzgeber an die Lagerung hoch radioaktiver Abfälle stellt.
Im Fall von Granit bzw. Kristallin kommt eine Besonderheit hinzu: Wir haben uns hinsichtlich der Lagerung grundsätzlich darauf geeinigt, die vom AkEnd im Jahr 2002, 2003 entwi ckelten Kriterien als Grundlage heranzuziehen. Der AkEnd hat damals gesagt, dass zunächst der einschlusswirksame Ge birgsbereich – in Fachkreisen ewG genannt – entscheidend ist. Diesen gilt es zu finden. Falls dieser jedoch nicht ausrei chen sollte, um die an die Endlagerung gestellten Anforderun gen zu erfüllen, können im Fall von Kristallin auch technische Barrieren unterstützend genutzt werden. Dies machen bei spielsweise bereits die Schweden und die Finnen, indem sie spezielle Behälter in Bentonit einlegen.
Zudem ist noch das zu leisten, was ich eben bereits angedeu tet habe: Wie schafft man eine Vergleichbarkeit von Lagersys temen in Granit oder Kristallin mit anderen Lagersystemen in Salz, wo solche Bentonit-Lösungen nicht infrage kommen? Dies haben wir aber nicht als unsere Aufgabe angesehen, son dern das müssen die zuständigen Behörden in den kommen den Jahren mit den am Verfahren Beteiligten noch leisten.
Grundsätzlich kam die Kommission auch zu dem Ergebnis, dass Lösungen sowohl in Salz wie auch in Ton, wie auch in Granit durchaus denkbar sind und untersucht werden sollten. Da waren sich nicht alle Beteiligten einig. Dazu gibt es auch andere Auffassungen bzw. Minderheitsmeinungen. Inwieweit diese Auffassungen in der nächsten Zeit in Minderheitenvo ten einfließen, bleibt noch abzuwarten.
Wir fragen die Landesregierung, sehr geehrter Herr Innenminister Strobl: Sintflutartige Regen fälle, Überschwemmungen, schlimme Schäden an Häusern – davon waren viele Menschen in Baden-Württemberg in jüngs ter Zeit gleich zweimal betroffen. Deshalb wollen Sie – so ha ben Sie es angekündigt, auch der Ministerpräsident hat es an gekündigt – die Soforthilfe neu ordnen.
Deshalb die Frage: Inwiefern wollen Sie die Soforthilfe im Unterschied zur bisherigen Praxis der Auszahlung der Sofort hilfe neu ordnen? Vor allem: In welchem Zeitraum wollen Sie die Soforthilfe neu ordnen? Denn die Menschen vor Ort wol len wissen, wie Sie damit umgehen, wenn Kommunen gleich zweimal von diesen Unwettern und Überschwemmungen be troffen sind.
Herr Abg. Binder, ich werde Ihnen auch etwas zum aktuellen Stand der Soforthilfe sagen, der Sie vermutlich interessiert. Ich habe mir gerade noch die aktuelle Zahl der Auszahlungen der Soforthilfe – Stand heute 15 Uhr – geben lassen. Das sind 4 857 543 € und 81 Cent, die ausgezahlt wor den sind.
Damit wären wir noch unter der Grenze von 5 Millionen €. Aber wir haben ja – da wir so knapp unter den 5 Millionen € liegen und nicht in eine Lage kommen wollten, den vom Scha den betroffenen Menschen sagen zu müssen: „Wir können euch jetzt nichts mehr auszahlen, weil wir jetzt genau bei 5 Millionen € sind“ – den Landtag beteiligt, damit wir da ein fach einen Puffer haben. Dafür möchte ich mich auch beim Landtag bedanken. Möglicherweise bleiben wir jedoch unter den 5 Millionen €.
Ansonsten will ich Ihnen sagen: An dieser doch relativ hohen Summe sehen Sie, dass die unbürokratische und vor allem schnelle Hilfe, die wir angekündigt hatten, in Anspruch ge nommen wird. Diejenigen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind – primär private Haushalte –, erhalten unter be stimmten Kriterien, die Ihnen bekannt sind, 500 € pro Person, maximal 2 500 € pro Familie. Im Ausnahmefall werden auch Gewerbebetrieben, insbesondere kleinen Betrieben bis zehn Personen, maximal 5 000 € ausgezahlt. Die nach diesen Re gelungen gewährte Soforthilfe wurde auch in Anspruch ge nommen.