Protocol of the Session on June 29, 2016

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg fort.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Regierungsbefragung

Das erste Thema wurde von der AfD-Fraktion angemeldet, und zwar das Thema

H o c h w a s s e r s c h a d e n i n S t u t t g a r t H o f e n

Ich darf das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! „Keine neue Soforthilfe nach Wetterchaos“, so titelt DIE WELT. Herr Minister Strobl, ich habe mir selbst ein Bild von den Schäden gemacht, die in den letzten Wochen entstanden sind.

Am vergangenen Sonntag war ich bei der DLRG in StuttgartHofen. Hier hat ein kaputtes Wehr zu einem Schaden in Mil lionenhöhe geführt. Auch 15 weitere Häuser sind beschädigt worden. Das Haus der DLRG muss komplett saniert werden. Fast alle Fahrzeuge und ein Großteil der Ausrüstung sind de fekt. Die Katastrophenschutzeinheit ist nicht mehr einsatzbe reit und fällt auf unabsehbare Zeit aus.

Das bedeutet, dass wir in Baden-Württemberg ein Siebtel un seres Katastrophenschutzteams verloren haben. Darum forde re ich: Rettet die Retter! Es waren die Mitarbeiter der DLRG, die mit ihrem Einsatz und ihrem Material gerade in Brauns bach und anderswo Menschen geholfen haben. Hier ist die Landesregierung gefordert. Hier gilt es, schnell Hilfe zu leis ten, sodass die Einsatzbereitschaft wieder sichergestellt wird.

In diesem Zusammenhang ist mir auch wichtig, zu sagen – auch wenn wir in Sachen Bildung sicherlich weit auseinan derliegen –: Wir müssen dringend wieder das Schwimmen in den Schulunterricht zurückbringen. So könnten wir viele To desopfer, gerade auch unter Flüchtlingen, verhindern. Opfer zu vermeiden war 1913 auch gerade die Gründungsidee für die DLRG.

Vielen Dank.

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Die Frage!)

Wo ist Ihre Frage?

Die Frage ist: Was ge denkt die Landesregierung zu tun, um den Schaden an dieser Rettungswache möglichst rasch und unbürokratisch auszu gleichen, um auch die Arbeitsfähigkeit des Katastrophenschut zes hier in Baden-Württemberg sicherzustellen?

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Strobl.

Herr Abg. Dr. Fiechtner, von dem Hochwasser betroffen und beschädigt wurden nach Angaben der Branddi rektion Stuttgart rund 20 Gebäude und 26 Fahrzeuge. Perso nen kamen Gott sei Dank nicht zu Schaden. Die Höhe des Sachschadens wird aktuell noch ermittelt.

In der Tat war das DLRG-Rettungszentrum Stuttgart-Hofen von den Überflutungen betroffen. In diesem Rettungszentrum ist bei 15 Fahrzeugen bzw. Anhängern ein großer Schaden ent standen, der nach einer ersten groben Schätzung rund 680 000 € umfasst. Bei den Fahrzeugen handelt es sich u. a. um fünf Fahrzeuge des Katastrophenschutzes: ein Landesfahr zeug und vier Bundesfahrzeuge.

Alle diese Fahrzeuge sind nach Auskunft der Branddirektion Stuttgart – das ist die untere Katastrophenschutzbehörde – vollkaskoversichert. Nach Angaben der DLRG sind auch al le organisationseigenen Fahrzeuge versichert.

Des Weiteren ist der DLRG ein Gebäudeschaden entstanden, der aktuell noch nicht beziffert werden kann, der aber eben falls versichert ist.

Deswegen, Herr Kollege Dr. Fiechtner: Das klingt gut, „Ret tet die Retter!“, aber bevor wir Steuergeld in die Hand neh men, würde ich Ihnen den Vorschlag machen – dafür wurden ja auch Versicherungsbeiträge bezahlt –, dass wir schauen, was von den Versicherungen abgedeckt wird. Das dürfte der ganz, ganz große Teil des Schadens sein: alle Fahrzeuge und im Grunde genommen auch das Gebäude.

Wenn eine solche Versicherung vorhanden ist, dann sollten auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität zunächst ein mal die Versicherungsleistungen in Anspruch genommen wer den. Auch in solchen Lagen und bei aller Sympathie für un sere Rettungsdienste haben wir die Verpflichtung, mit Steuer geld sparsam umzugehen. Wie gesagt, eine solche Versiche rung bzw. das Zahlen von Beiträgen hat ja auch nur Sinn, wenn wir in einem Schadensfall zunächst einmal die Versi cherungsleistungen in Anspruch nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Gibt es weitere Fragen zu die sem Themenkomplex? – Dem ist nicht so.

Dann kommen wir zum zweiten Themenkomplex der Regie rungsbefragung:

A b s c h l u s s b e r i c h t d e r E n d l a g e r k o m m i s s i o n

Gemeldet hat das Thema die Fraktion GRÜNE. Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Lisbach, bitte.

Herr Minister Untersteller, der Presse war zu entnehmen, dass die Endlagerkommission am vergangenen Montag abschließend getagt hat. Das ist auch für Baden-Württemberg ein wichtiges Thema. Ich möchte Sie deshalb fragen, auf welcher Arbeitsgrundlage die Kommissi

on getagt hat, wie ihr Auftrag genau lautete und zu welchen Ergebnissen die Kommission gekommen ist, insbesondere hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit und der Kriterien für die weitere Standortsuche sowie auch der Organisation des wei teren Prozesses.

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Minister Untersteller das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen Abgeordnete! Wenn Sie sich erinnern: Im Jahr 2011 ha ben der Deutsche Bundestag und anschließend auch der Bun desrat mit den Stimmen aller Länder den Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland beschlossen. Der damalige und heutige Ministerpräsident dieses Landes, Winfried Kretsch mann, hat im Anschluss an diese Entscheidung den Vorschlag gemacht, zu versuchen, möglichst auch die letzte große Streit frage in der deutschen Atomdebatte, die Frage der Endlage rung, im Konsens zu lösen.

Hintergrund waren die jahrzehntelange vehemente Diskussi on um den Standort Gorleben, Diskussionen um seine recht liche Durchsetzbarkeit, aber auch Diskussionen in der Fach welt um die Frage der technischen Eignung dieses Standorts. Der Ministerpräsident hat seinerzeit den Vorschlag unterbrei tet, ein auf wissenschaftlichen Kriterien basierendes Suchver fahren für den am besten geeigneten Standort für ein atoma res Endlager für wärmeentwickelnde Abfälle zu entwickeln.

Grundlage hierfür sollte – so der Ministerpräsident damals – eine weiße Landkarte sein. Sprich: Keine Region in Deutsch land sollte von vornherein ausgeschlossen werden. Auch Gor leben – das betone ich hier noch einmal – sollte und soll wei terhin Bestandteil dieser weißen Landkarte sein. Es ist nicht so, dass an dieser Stelle, in Gorleben, sozusagen ein rotes Kreuz gemacht und gesagt würde, dieser Standort könne es auf keinen Fall sein.

Ausgehend von einem von mir im Anschluss daran im Herbst 2011 vorgelegten Eckpunktepapier gab es über anderthalb Jah re hinweg einen intensiven Diskussionsprozess zwischen Bund und Ländern über die Frage der Gestaltung eines Standortaus wahlgesetzes. Im Juli 2013 schließlich haben der Deutsche Bundestag wiederum mit den Stimmen von vier Fraktionen – die Linke hat nicht zugestimmt – und im Anschluss der Bun desrat mit den Stimmen aller Bundesländer das Standortaus wahlgesetz beschlossen.

So weit zur Geschichte.

In § 4 dieses Standortauswahlgesetzes, das seinerzeit be schlossen wurde, ist festgelegt, dass eine Kommission zur Vorbereitung des Standortauswahlverfahrens für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle einen Bericht erarbeiten soll. In diesem Bericht soll sie sich mit entscheidungsrelevanten Fra gen auseinandersetzen und das Gesetz selbst einer Evaluie rung unterziehen.

Insbesondere sollte die Kommission – jetzt konkret zu Ihrer Frage – die Kriterien für die Standortauswahl – „Was sind Ausschlusskriterien, was sind Mindestanforderungen, was sind Abwägungskriterien?“ – klären.

Zweitens sollte eine mögliche Fehlerkorrektur diskutiert wer den. Da ging es also um das Thema Rückholbarkeit, das The ma Bergbarkeit und mögliche Rücksprünge im Verfahren.

Schließlich sollten auch Vorschläge für die Anforderungen an die Organisation – sprich die Behördenstruktur des Verfah rens – entwickelt werden, und es sollten, um einen letzten Punkt zu nennen, auch im Hinblick auf die Frage Vorschläge entwickelt werden, wie die Öffentlichkeitsbeteiligung bei ei nem solchen Verfahren gestaltet werden sollte, das ja, sage ich einmal, nicht in wenigen Wochen oder Monaten abgeschlos sen sein wird, sondern sich über viele, viele Jahre hinziehen wird.

Die von den beiden ehemaligen Staatssekretären im Bundes umweltministerium, Ulla Heinen-Esser und Michael Müller, geleitete Kommission setzte sich aus acht Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bereich Wissenschaft und Forschung, aus acht Vertretern der Zivilgesellschaft – sprich Umweltverbän de, Industrieverbände, Gewerkschaften und Religionsgemein schaften – sowie aus acht Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Bundestags und acht Vertreterinnen und Vertretern der Länder, zu denen auch ich zählen durfte, zusammen.

Die Besonderheit war, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Politik, also des Bundestags und des Bundesrats, bei der abschließenden Abstimmung über den Gesamtbericht kein Stimmrecht hatten. Sprich: Lediglich die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft hatten hier Stimmrecht.

Am letzten Montag, tief in der Nacht, genauer gesagt nach Mitternacht, ist es gelungen, einen weitgehenden Konsens zu erzielen. In der abschließenden Abstimmung hat lediglich ein Vertreter gegen den Bericht gestimmt, nämlich der Vertreter, den der BUND entsandt hat. Alle anderen haben diesem Be richt zugestimmt. Wir werden den Bericht nun in der kom menden Woche, genauer gesagt am 5. Juli, dem Bundestags präsidenten und meiner Kollegin Frau Dr. Hendricks, sprich der Bundesumweltministerin, überreichen. Dann wird der Deutsche Bundestag prüfen, welche Vorschläge aus diesem Bericht er möglichst zeitnah übernehmen wird. Manches von dem, was in dem Bericht steht, hat der Deutsche Bundestag in den letzten Monaten bereits zum Gegenstand von Gesetz gebungsverfahren gemacht.

Was ist die Arbeitsgrundlage gewesen? Die Standortauswahl steht unter der Prämisse der bestmöglichen Sicherheit. Sicher heitsaspekte haben bei dem, was wir diskutiert haben und was in den kommenden Jahren hoffentlich umgesetzt wird, abso luten Vorrang vor anderen Aspekten wie beispielsweise dem Thema „Raumplanerische Gesichtspunkte“ oder dem Thema Akzeptanz. Die Sicherheitsaspekte haben also absoluten Vor rang.

Gesucht wird ein Endlagerstandort – ich habe es bereits ge sagt – nach dem Prinzip einer weißen Deutschlandkarte; kein Standort ist von vornherein ausgeschlossen.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Ich möchte noch ein paar Anmerkungen zu den Meilenstei nen des Verfahrens machen. Das Verfahren ist in drei Phasen gegliedert: In Phase 1 werden die übertägig zu erkundenden Standorte festgelegt, in Phase 2 werden die untertägig zu er

kundenden Standorte festgelegt, und nach Abschluss dieser Phase erfolgt in Phase 3 die Standortfestlegung.

So weit von meiner Seite zu dieser Frage.

(Beifall bei den Grünen)

Gibt es weitere Fragen zu die sem Themenkomplex? – Herr Abg. Renkonen.

Herr Minister, vielen Dank für Ihre Ausführungen. – In der Öffentlichkeit wurde sehr lan ge darüber spekuliert, wie der Zeitplan aussieht. Ist in der End lagersuchkommission bereits über den weiteren Zeitplan dis kutiert worden?

Zweite Frage: Halten Sie die Aussagen, die davon ausgehen, dass das Endlager möglicherweise erst zwischen 2050 und 2080 seinen Betrieb aufnehmen kann, für richtig?