Danke für das Zulassen der Zwi schenfrage, Herr Minister. – Das, was Sie eben gesagt haben, wäre beim Landtagswahlrecht „tödlich“. Wir haben hier Ab geordnete, Kollegen, die teils für einen Verstorbenen, teils für ausgeschiedene Kollegen nachgerückt sind. Wenn ich Ihre Lo gik jetzt zugrunde lege, bedeutet das, dass sie nicht den Wäh lerwillen repräsentieren, wenn sie hier sind. Haben Sie das wirklich gemeint?
Herr Abgeordneter, das sehe ich anders. Wenn beispielsweise ein Kandidat oder ein Abgeordneter verstirbt, wird man eine Nachfolgeregelung finden müssen,
und in der Regel ist auch bekannt, wer das ist. Im Grunde ge nommen muss man zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Parlaments dann eine Nachfolgeregelung finden. Dass das nicht dieselbe Person sein kann wie diejenige, die verstorben ist, ist logisch.
Hier würden wir ohne Not eine Regelung schaffen, wonach eine Person in mehreren Wahlkreisen antritt und im Grunde genommen der Wähler hinterher enttäuscht ist, dass nicht die Person, die er gewählt hat, sondern eine ganz andere in sei nem Parlament, in seinem Kreistag sitzt.
Ich finde, es ist ein unterschiedlicher Sachverhalt, ob man eine notwendige Regelung schafft, um ein Parlament in seiner Funk tionsfähigkeit zu erhalten, oder ob man sozusagen freiwillig durch die Möglichkeit der Mehrfachkandidatur Frustration und Enttäuschung schafft, die nicht sein muss. Insofern ist der Ver gleich mit dem Landtagswahlrecht hier nicht zutreffend.
Da die erzielten Stimmenzahlen in beiden Wahlkreisen für die Gesamtsitzverteilung zählen würden, könnte dies im Ergeb nis zu einer vermehrten Zahl von Ausgleichssitzen – das ist der zweite Grund – und damit zu einer Vergrößerung der Kreistage führen. In der Regel – jedenfalls nach meiner per sönlichen Erfahrung – geht mit dieser quantitativen Steige rung, mit dieser Vergrößerung der Kreistage eine qualitative Steigerung nicht einher.
Hinzu kommt ein Drittes. Es erscheint doch fraglich, ob es im Hinblick auf eine mögliche Zersplitterung der Kreistage und ihrer Gremien und die damit verbundenen Nachteile gerade sinnvoll ist, kleinen Parteien mit der Ermöglichung von Dop pelkandidaturen unter die Arme zu greifen. Ich meine, wir ha ben in Baden-Württemberg ein ausgewogenes und bewährtes Kommunalwahlrecht, das sich insbesondere durch die großen Einflussmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler und durch die besondere Bedeutung der Persönlichkeitswahl auszeich net. Beides würde durch die vorgesehene Gesetzesänderung nicht gestärkt, sondern geschwächt. Deswegen empfehlen wir die Ablehnung des von der AfD eingebrachten Gesetzent wurfs.
Mit den genannten Argumenten haben sich im Übrigen auch der Gemeindetag, der Städtetag und der Landkreistag – also alle kommunalen Landesverbände – in der durchgeführten Anhörung gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen.
Da es aus unserer Sicht keine Gründe gibt, die für die von der AfD vorgeschlagene Rechtsänderung sprechen, lehnt ebenso wie die kommunalen Landesverbände die Landesregierung diesen Gesetzentwurf ab, und ich hoffe, dass der Landtag in seiner Mehrheit dies ebenso tun wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren, geschätzter Herr Kollege Goll! Ge statten Sie mir eine Bemerkung. Wir bringen einen Gesetzent wurf ein, dessen Inhalt bereits Gesetz war. Ein Gesetz hat kla re Normen. Da kann man gar nicht allzu viel um- oder ab schreiben. Auch die FDP/DVP macht ab und an mal etwas Vernünftiges.
Meine Damen und Herren, wenn die anderen Parteien das Ge fühl bekommen, dass auch alternative Politikangebote ein Stück vom Kuchen abbekommen könnten, dann werden in Windeseile bestehende Gesetze oder Wahlsysteme geändert. Wir haben in dieser Legislaturperiode gesehen, wie die An zahl der Landtagsvizepräsidenten reduziert wurde –
nur, damit eine neu eingezogene Partei wie die AfD keinen dieser Posten erhält. Wir haben 2013 gesehen, wie aus Angst vor einer aufstrebenden Linken das Kreistagswahlrecht geän dert wurde, um den kleinen Parteien eine flächendeckende Kandidatur mit vollen Listen bei der Kreistagswahl zu er schweren. Dabei wurden haarsträubende Pseudoargumente vorgetragen, die zwischenzeitlich alle widerlegt sind.
Die anderen Parteien haben 2013 zur Abschaffung der Dop pelkandidatur argumentiert, dass die NPD in Böblingen, die Linke in Ludwigsburg und die Republikaner in Esslingen in die Kreistage eingezogen sind. Wenn wir uns aber ansehen, ob die Abschaffung der Doppelkandidatur bei der letzten Kommunalwahl tatsächlich die kleinen Parteien wieder ge schwächt und die etablierten Parteien gestärkt hat, dann se hen wir Folgendes: Die NPD ist weiterhin im Kreistag von Böblingen vertreten, die Linken haben die Zahl ihrer Manda te in Ludwigsburg sogar verdoppeln können, und die Repub likaner sind in Esslingen ebenso im Kreistag. Das Abschaffen der Doppelkandidatur hat diese Probleme also nicht aus den Kreistagen verbannt.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Da wider sprechen Sie sich doch gerade selbst! Merken Sie das eigentlich?)
Wenn diese Randparteien also von so vielen Wählern gewählt werden, dass sie Kreistagsmandate erringen, dann hat das eher weniger mit dem Wahlsystem zu tun, sondern mehr mit der Politik der etablierten Parteien,
Durch das Abschaffen der Doppelkandidatur in Verbindung mit der Möglichkeit, 1,5-mal so viele Kandidaten aufzustel len, wie überhaupt Kreistagsmandate im jeweiligen Landkreis
zu vergeben sind, wird die flächendeckende Teilnahme mit aufgefüllten Wahllisten an der Kreistagswahl für kleine und mittelgroße Parteien künstlich erschwert.
Auch wurde angeführt, dass sich ein Kandidat, der in zwei Wahlkreisen ein Direkt- oder ein Ausgleichsmandat erringt, seiner Pflicht in einem der beiden Wahlkreise nicht stellen könne und damit der Wählerwille verzerrt werde. Doch bei genauer Betrachtung erkennt man, dass es 2009 bei über 2 200 Kreistagsmandaten in Baden-Württemberg nur 14 Mal vorge kommen ist, dass ein Kandidat zwei Kreistagsmandate errin gen konnte – also, meine Damen und Herren, äußerst seltene Fälle, an denen man sich hochzieht, um von oben herab ge gen die Chancengleichheit im demokratischen Wettbewerb zu argumentieren.
Wir von der AfD-Fraktion können dazu nur sagen: Kommen Sie herunter von Ihrem hohen Ross, überdenken Sie die eben so abgenutzten wie fadenscheinigen Gegenargumente zur Doppelkandidatur, und stellen Sie sich dem Wählerwillen un verzerrt.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wenn ihr nicht in der Lage seid, Kandidaten aufzustellen! Was soll das?)
und ermöglichen Sie es so, seinem Willen auch wirklich ge recht zu werden. Hören Sie auf mit der in diesem Fall ver deckten Bevormundung jener Bürger
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: So ein Blödsinn! Wo sind denn die Massen, die Sie bei der Kandidatur unterstützen?)
beruhigen Sie sich doch, Sie können gern nachher auch et was sagen –, die kleinere Parteien wählen wollen, die Ihnen vielleicht nicht so ganz in den Kram passen, sei es nun die Linke oder die FDP, die große Probleme haben, flächendeckend mit vollen Listen anzutreten. Auch eine noch zu den Volkspar teien gehörende SPD könnte bald so weit geschrumpft sein,
Zu guter Letzt, meine Damen und Herren, werte Kollegen: Auch unser geschätzter Ministerpräsident, Herr Kretschmann, hat seinen Wahlkreis in Nürtingen und seinen Wohnsitz im Landkreis Sigmaringen. Bitte bleiben Sie also sachlich.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Was hat das mit der Doppelkandidatur zu tun? So ein Blöd sinn! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Un glaublich, diese Doppelmoral der Grünen!)
Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Wenn noch Redezeit da ist, wollen wir sie natürlich auch nutzen.
Die Argumentation der AfD ist durch den zweiten Beitrag von Herrn Berg jetzt auch nicht besser geworden. Ich weiß nicht, ob das jetzt eine gewisse Anbiederung an die FDP/DVP ist, dass man ihr Honig ums Maul schmiert und sagt: „Das ist eu er Gesetzentwurf. Ihr müsstet eigentlich zustimmen.“ Das ist mir etwas unverständlich. Das wird auch nicht aufgehen, weil die FDP/DVP auf so etwas nicht hereinfällt.