Protocol of the Session on April 12, 2018

Von rund 1 400 Auszubildenden, die 2017 im mittleren und im gehobenen Dienst begonnen haben, verließen 62 auf eige nen Wunsch die Ausbildung vorzeitig. Da nehmen wir jetzt mal das Fingerle zum Rechnen: 62 von 1 400, das sind nicht einmal 5 %, schon gar nicht 10 %. Um 100 % daneben! Das sollten wir mit der baden-württembergischen Polizei nicht ma chen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir sollten also nichts schlechtreden, wenn in den vergange nen Jahren durchschnittlich nur gut 6 % der Anwärterinnen und Anwärter den Polizeiberuf wieder aufgegeben haben – letztes Jahr waren es sogar, wie gesagt, noch ein paar weni ger –, und wir können uns damit auch im langjährigen Mittel im bundesweiten Vergleich wahrlich sehen lassen.

Bitte lassen Sie uns doch die Ausbildungsbedingungen und den Arbeitgeber Polizei – daran appelliere ich noch einmal – nicht schlechtreden. Versuchen Sie es ab und an auch mal im Einzelfall mit der Wahrheit, und fragen Sie auch gern bei uns nach.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Freilich ist die Aufstockung der Ausbildungskapazitäten eine Mammutaufgabe, die uns fordert. Allen daran beteiligten Per sonen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Ich war mit Abgeordneten und dem Fraktionsvorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion vor einigen Tagen in Wertheim. Wir haben uns vor Ort ein Bild davon gemacht, mit welchem gro ßen Engagement dort gearbeitet wird, die Ärmel aufgekrem pelt werden

(Abg. Thomas Blenke CDU: Hervorragend!)

und alles, alles, alles dafür getan wird, dass die Auszubilden den bei der Polizei, die angehenden Kommissarinnen und Kommissare, Polizeimeisterinnen und Polizeimeister wirklich ein ordentliches Ausbildungsumfeld bekommen werden. Ich bin sicher, dass das – entgegen all dem, was erzählt wird – beispielsweise in Wertheim noch in diesem Jahr gelingen wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Ja, wir müssen neue Kapazitäten und Standorte schaffen. Bei spielsweise wird die Hochschule in Villingen-Schwenningen, die ursprünglich auf 700 Studierende ausgerichtet war, jetzt im Endausbau 1 700 Studierende aufnehmen – mehr als das Doppelte! Stellen Sie sich einmal vor, in Ihrem Wahlkreis gä be es eine Schule, die für 700 Schüler konzipiert ist, und in nerhalb kurzer Zeit müssen 1 700 Schülerinnen und Schüler an diese Schule gehen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Dass das eine Herausforderung ist – räumlich, personell und auch in vielerlei anderer Hinsicht –, das ist ja sonnenklar. Das ist eine sehr große Herausforderung, das ist ein Kraftakt.

Aber: Wir krempeln die Ärmel hoch, wir machen jetzt das Notwendige, und wir scheuen uns auch nicht vor möglicher weise auftretenden Konflikten. Wir packen das an. Wir ma chen uns keinen schlanken Fuß. Wir machen es uns nicht be quem.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Diese Alternative gäbe es. Diese Koalition und diese Landes regierung könnten der Öffentlichkeit auch sagen: „Es tut uns leid, wir haben nur für soundso viele Auszubildende Ausbil dungskapazitäten, mehr können wir halt nicht tun.“ Wir ha ben uns für den schwierigeren Weg entschieden, aber für den richtigeren Weg. Denn wir wissen: Bei der baden-württem bergischen Polizei warten 30 000 Beschäftigte darauf, dass sie dringend notwendige Unterstützung durch junge Polizis tinnen und Polizisten bekommen. Wir lassen sie nicht im Stich. Wir werden das realisieren, und die Schwierigkeiten, die es auf diesem Weg gibt, werden wir bewältigen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das Personal, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das eine, die rechtlichen Instrumente sind das andere.

Am 8. Dezember 2017 ist das neue Polizeigesetz in Kraft ge treten. Mit den gesetzlichen Änderungen hat unsere Polizei dringend notwendige Eingriffsbefugnisse erhalten, um für ei ne effektive Bekämpfung von terroristischen Gefahren sowie schwerer und schwerster Kriminalität besser gerüstet zu sein. Wir werden diese Instrumente ganz gezielt und anlassbezo gen gegen Gefährder und Schwerstverbrecher einsetzen. Wir schaffen damit die richtige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit.

Die neuen Regelungen enthalten u. a. eine polizeiliche Befug nis zur präventiven Telekommunikationsüberwachung inklu sive Quellen-TKÜ, eine strafbewehrte präventiv-polizeiliche Rechtsgrundlage, um gegen mutmaßliche Gefährder, vor al lem aus dem islamistischen Spektrum, Aufenthaltsvorgaben oder Kontaktverbote zu erlassen, sowie eine ebenfalls straf bewehrte präventiv-polizeiliche Rechtsgrundlage für eine elektronische Aufenthaltsüberwachung – die sogenannte elek tronische Fußfessel – bei terroristischen Gefährdern. Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Rechtsgrundlage für den Ein satz intelligenter Videoüberwachung an bestimmten Orten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Sicherheitsbericht 2017 belegt die hoch professionelle und un ermüdliche Arbeit unserer Sicherheitsbehörden. Er zeigt, dass wir – erstens – die richtige Philosophie haben, dass wir –

zweitens – die richtigen Schwerpunkte setzen und dass wir das – drittens – sehr erfolgreich tun.

Im Namen der Landesregierung und, wie ich glaube, auch im Namen dieses Hauses sage ich meinen herzlichsten Dank an alle, die jeden Tag für die Sicherheit in unserem Land sorgen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine Damen und Herren, be vor wir mit der Aussprache fortfahren, begrüße ich auf der Be suchertribüne sehr herzlich den Botschafter der Republik Ar menien, Seine Exzellenz Herrn Ashot Smbatyan, mit Beglei tung. Herzlich willkommen hier im Landtag! Ich wünsche Ih nen weiterhin gute Gespräche und interessante Eindrücke hier im Landtag von Baden-Württemberg. Nochmals herzlich will kommen!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache zu der Regie rungsinformation haben die Fraktionen eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart.

Nach § 83 a Absatz 3 der Geschäftsordnung erteile ich für die Fraktion der FDP/DVP Herrn Abg. Dr. Goll das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist – gemeinsam mit Bayern, muss man hinzufügen – das Bundesland mit der geringsten Deliktsbelastung. Baden-Württemberg ist das Bun desland mit der höchsten Aufklärungsquote. Das habe ich üb rigens 1988 zum ersten Mal gehört, als ich erstmals in den Landtag gekommen bin.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Da können Sie mal sehen! Seitdem halten wir das!)

Seit dieser Zeit, lieber Herr Kollege Sckerl, hat noch kein In nenminister – und ehrlicherweise sage ich: auch kein Justiz minister – der Versuchung widerstanden, diese günstigen Ver hältnisse in irgendeiner Weise mit seinem eigenen Wirken in Beziehung zu setzen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Minister Thomas Strobl: Tue Gutes und rede darüber!)

Insofern haben wir es bei der heutigen Debatte mit einem reichlich normalen parlamentarischen Vorgang zu tun: Die Re gierung lobt sich selbst – das nennt man „Regierungsinforma tion“ –,

(Heiterkeit der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP und Dr. Rainer Podeswa AfD)

und die Opposition weist auf bestimmte Schattenseiten hin. In der Regel sagt dann die Regierung noch: „Aber ihr über treibt.“ In diesem Fall liegt die Sache wohl eher umgekehrt; denn auch heute sind wir in dieser Rede eher mit einer Art Tsunami an Superlativen konfrontiert worden. Wenn ein Ar beitszeugnis in diesem Duktus geschrieben würde, würde ich sagen: So gut kann eigentlich gar niemand sein.

(Beifall bei der FDP/DVP, der AfD und der SPD)

Das Ganze steht aber in einem eigentümlichen Gegensatz zu dem, was wir Anfang der Woche im Zusammenhang mit der Schaffung zweier neuer Staatssekretärsstellen lesen konnten. Da verlautete aus der CDU – man höre und staune –, der In nenminister beabsichtige, sich selbst stärker auf das Kernge schäft seines Hauses zu konzentrieren.

(Heiterkeit der Abg. Sascha Binder und Martin Ri voir SPD)

Da kann ich nur sagen: Donnerwetter! Wo stünde dieses Land, wenn Sie das schon ein bisschen früher gemacht hätten?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP, der AfD und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Das wird als Drohung empfunden!)

Es lohnt sich auch, sich dem Kerngeschäft zuzuwenden; denn da ist einiges zu tun, und davon wird natürlich jetzt die Rede sein. Da dürfen wir Ihnen ein paar gutwillige Ratschläge ge ben; denn wir wollen mit Ihnen die Verhältnisse verbessern.

In diesem Sinn vielleicht die erste Anregung: Wir regen an, dass Sie vor allem selbst nicht der Polizei im Weg stehen – wie es beim Sicherheitskonzept für Sigmaringen bereits ge schehen ist. Bei der Sache Sigmaringen ist mir eines aufge fallen: Darüber ist hinterher viel gesagt worden, nur eines ist nicht behauptet worden, nämlich dass das eine unbedeutende Maßnahme gewesen wäre, die dadurch kaputtgegangen ist. Man muss also befürchten, dass das Sicherheitskonzept für Sigmaringen doch erheblich unter Ihrem unprofessionellen Vorgehen gelitten hat. Daher ist unsere erste Bitte: Stehen Sie bitte der Polizei nicht im Weg!

(Beifall bei der FDP/DVP, der AfD und der SPD)

Der zweite Punkt ist: Sie haben eine Polizeireform übernom men, die – das muss man sagen – verfehlt war. Das habe ich an vielen Stellen gesagt, und dieser Überzeugung bin ich noch heute. Für diese Reform können Sie nichts, aber Sie können etwas dafür, dass nur halbherzig korrigiert wird. Es wird nicht alles umgesetzt, was die Evaluation erbracht hat, und es wird vor allem erst im Jahr 2020 umgesetzt. Das spricht nicht ge rade für Handlungskraft und Konsequenz, wie Sie sie gern na türlich auch rhetorisch darstellen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist ja auch nicht von heute auf morgen erledigt!)

Bei den Korrekturen der Reform fällt insbesondere in Bezug auf die Ausbildung eines auf – das ist vielleicht schon der Aus druck der stärkeren Konzentration auf das Kerngeschäft –: Sie haben gemerkt, dass es nicht so einfach ist, wie Sie es bisher dargestellt haben. Denn Sie hatten ja u. a. auch behauptet, wir hätten schon zur Mitte der Legislaturperiode 1 500 neue Po lizeibeamte. Das hat übrigens mit der Transparenz, die Sie, Herr Innenminister, an den Anfang Ihrer Ausführungen ge stellt haben, nun gar nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Das ist eigentlich das Gegenteil. Das ist eine Vernebelung der Fakten. Die nüchternen Fakten sind, dass wir Ende 2019 un ter dem Strich immer noch 620 Beamte weniger in Baden

Württemberg haben als Ende 2017. Sie werden innerhalb die ser Frist niemals 1 500 Beamte mehr bekommen, wie Sie es bisher angenommen haben, und vor allem haben Sie bisher immer so getan, als wären diese Beamten dann auf der Stra ße. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um Anwärter, die in der Ausbildung sind.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD – Zuruf von der AfD: So ist es! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Wenn die Ausbil dung doch 30 oder 48 Monate dauert!)