Protocol of the Session on April 11, 2018

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Herr Kollege, wie kommen Sie denn da rauf?)

Herr Kollege Sckerl, Ihre Antwort bestätigt dies.

(Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP: Ja, sehr gut!)

Aber auf den zweiten Blick zeigt sich, dass auch im Bereich Kunst und Kultur nicht alles Gold ist, was glänzt. Denken wir etwa an die Einführung der Studiengebühren für Nicht-EUAusländer, die ja durchgesetzt wurden mit der Drohgebärde,

(Abg. Anton Baron AfD: Diese Populisten! Unglaub lich! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

dass ansonsten im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und – eben auch – Kunst der Rotstift angesetzt würde.

(Abg. Anton Baron AfD: „Rechtspopulisten“! Un glaublich!)

Wir erinnern uns dann an den von der Koalition abgelehnten Antrag der SPD auf Verzicht auf Eintrittsgelder in den Lan desmuseen. Insofern offenbart sich hier schon eine paradoxe Haushaltspolitik. Herr Kollege Kern, diesen Widerspruch konnten Sie bis heute nicht ausräumen, sondern haben ihn erst recht verschärft.

Interessant ist, dass es dann doch nicht die Nicht-EU-Auslän der sind, die mit ihren Studiengebühren für den freien Eintritt in die Museen sorgen, sondern eben die von uns geschätzten Mäzene, beispielsweise Herr Professor Reinhold Würth beim Landesmuseum hier in Stuttgart.

Ich verhehle nicht, dass in der Tat durch die Veränderung der Eintrittsstruktur neue Zielgruppen erschlossen werden kön nen – aber eben nicht nur dadurch. Vielmehr geht es um die Kunstvermittlung, es geht um interessante Ausstellungen, und es geht um ein Angebot für Kinder und Jugendliche. Hier, denke ich, muss das Ministerium noch Antworten liefern.

Denken Sie auch an die aktuelle Diskussion über die Sanie rung der Staatsoper. Noch im Oktober 2016 haben Sie, Frau Ministerin Bauer, und Sie, Frau Staatssekretärin Olschowski, bei einem Kulturgespräch der „Stuttgarter Nachrichten“ ge sagt, dass die Themen von innen betrachtet werden, das heißt, bestmögliche Lösungen für bevorstehende Herausforderungen gesucht werden und man sich erst im Anschluss in Bezug auf die inhaltlichen Konsequenzen um die Frage der Finanzierung kümmern werde. Bis heute liegt ein belastbares Umsetzungs konzept für die Sanierung nicht vor. Wer sich wie wir jüngst in der Staatsoper mit dem Intendanten Hendriks die Technik angeschaut hat, der kann nachvollziehen, dass selbst in einem Antiquitätenladen die Ersatzteile nicht mehr gefunden wer den können.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Vielmehr dreht sich die Diskussion um den Interimsstandort. Aber auch dort sieht es leider nicht besser aus. Ich darf die Kollegin Kurtz als kulturpolitische Sprecherin der CDU aus den „Stuttgarter Nachrichten“ vom Februar dieses Jahres zi tieren:

Auch die Entscheidung für die Ehmannstraße

das ist das Paketpostamt –

wurde gefällt, ohne dass Kosten dafür beziffert werden konnten.

Jetzt sind wir mit der Sanierung beim Baubeginn 2024. Aber auch der Interimsstandort zeigt, dass hier eine Chance ver passt wurde – denken wir an den „Aufbruch Stuttgart“ um Wieland Backes –, hier im Bereich Schillerstraße/Charlotten platz/Planie ein attraktives Kulturquartier zu schaffen.

Aber es ist essenziell wichtig, dass wir Kunst und Kultur kei neswegs ausschließlich als Spielwiese von Wohlhabenden oder gar des Bildungsbürgertums verstehen können, die sich – das gehört an dieser Stelle auch dazu – in hochsubventio nierten Konzertsälen klassische Musik gönnen oder sich an teuren Kunstwerken erfreuen.

Kultur und Kunst sind viel, viel mehr. Denken Sie an die nie derschwelligen Angebote in den soziokulturellen Zentren, denken Sie an die Musikvereine, denken Sie an die Trachten vereine, denken Sie an die Schauspielgruppen, die aktiv sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Unzweifelhaft ermöglicht Kultur gesellschaftliche Teilhabe und Identifikation unabhängig von der Herkunft oder von möglichen sprachlichen Barrieren.

Es ist daher wichtig – das wurde hier erfreulicherweise schon genannt –, insbesondere Kindern und Jugendlichen zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt einen Zugang zu kulturellen An geboten zu ermöglichen und ihnen langfristig – darauf kommt es an – die Chance zu geben, den aktiven Umgang mit Kunst und Kultur zu erlernen. Dazu sollen die Kultureinrichtungen ihre Rolle in einer sich wandelnden Gesellschaft neu definie ren und sich vielfältigeren Zielgruppen öffnen. Auch dies wur de als Ziel genannt.

Angefangen bei der Literaturvermittlung für Kinder und Ju gendliche und frühkindlicher kultureller Bildung, müssen wir versuchen, Bildungs- und Kultureinrichtungen mit Fachex pertise zu verbinden, um den Diskurs über die Potenziale kul tureller Teilhabe voranzutreiben.

Kunst und Kultur – ich denke, diese Erkenntnis ist wichtig – bedeuten die Kenntnis über und das Verständnis für die unter schiedlichen kulturellen und kunsthistorischen Zusammen hänge, und diese sind eben elementar für unsere Gesellschaft und das gesellschaftliche Miteinander. Dabei stellt man dies – auch wenn ich den Beitrag der AfD höre – nur bedingt in Einklang mit dem Rahmen der Integration. Denn Integration betrifft alle Menschen, die in Deutschland leben, und ihr kommt eine tragende Rolle zu.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt kann aber weder verordnet werden, noch ist er allein eine Aufgabe der Politik. Vielmehr können alle hier lebenden Menschen dazu beitragen, und wir müssen alle Menschen motivieren, ihren Beitrag zu leisten. Wir leben in einem vielfältigen Land, und seit Jahrhunderten leben hier Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammen und tragen so neben der sozialen In tegration und der Integration in Arbeit wesentlich zum gesell schaftlichen Zusammenhalt bei.

Kulturinstitutionen vermitteln Geschichte und Gegenwart Deutschlands und ermöglichen eine Auseinandersetzung mit den Werten der Gesellschaft. Ja, wir Freien Demokraten set zen auf die Vermittlungskraft von Kultur. Aber wir wissen auch: Zuwanderung verändert eine Gesellschaft und erfordert Offenheit, erfordert Respekt und Toleranz von allen Seiten. Das ist ein langwieriger Prozess, in dem völlig zu Recht auch um Positionen gerungen werden muss.

Insoweit vermag man dem Thema der heutigen Aktuellen De batte doch eine gewisse Dringlichkeit, eine gewisse Aktuali tät beizumessen, nämlich eine permanente, eine fortwähren de – ganz im Sinne des berühmten französischen Schriftstel lers und Politikers André Malraux, der eingangs des 20. Jahr hunderts sagte:

Kultur ist die Gesamtheit aller Formen der Kunst, der Liebe und des Denkens, die, im Verlaufe von Jahrtausen den, dem Menschen erlaubt haben, weniger Sklave zu sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Für die Landesregierung er teile ich Frau Staatssekretärin Olschowski das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer sich im Moment umschaut und umhört – egal, ob bei Stiftungen, Parteien, sozialen Initiativen, religiösen Gruppen –, wer Zei tung liest und die neuen soziologischen Publikationen ver folgt, der stellt fest, dass die Frage, wie es um den gesell schaftlichen Zusammenhalt in Deutschland und in Europa be stellt ist, den öffentlichen Diskurs mit beherrscht. Sie ist mit der Sorge verbunden, dass nicht länger zusammenhält, was laut Verfassung, Verträgen und Tradition zusammenhalten soll – Deutschland, Europa, die westliche Welt.

Liebe Frau Gentges, das gilt nicht nur für die von der 1968erBewegung geprägten Menschen. Egal, ob Emmanuel Macron oder Frank-Walter Steinmeier und viele andere mehr, sie alle sprechen bei wichtigen Auftritten in diesen Monaten über den Zusammenhalt als Herausforderung. Offenbar gibt es ein drän gendes Gefühl der Verunsicherung beim Blick in die nahe Zu kunft.

So bin ich dankbar, dass wir auch hier im Landtag von BadenWürttemberg heute die Frage debattieren, wie wir zusammen leben wollen und wie wichtig uns dafür Leitideen wie Demo kratie, Freiheit, Gleichheit, Toleranz und unser Gemeinwohl tatsächlich sind. Es geht um die Werte, die fast alle Menschen suchen, egal, wie alt und welcher Herkunft sie sind: soziale

Gerechtigkeit, echte Menschlichkeit, also Empathie, Solida rität.

Dabei ist gesellschaftlicher Zusammenhalt kein neues Thema. Es war die Vision von vielen vor uns und ist es heute von vie len von uns: ein Leben in friedlichem, respektvollem Mitei nander.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Bertelsmann Stiftung hat in ihrer aktuellen Studie zum sozialen Zusammenhalt in Deutschland kürzlich definiert – ich zitiere –:

Eine kohäsive Gesellschaft

also eine Gesellschaft, die zusammenhält –

ist gekennzeichnet durch belastbare soziale Beziehungen, eine positive emotionale Verbundenheit ihrer Mitglieder mit dem Gemeinwesen und eine ausgeprägte Gemein wohlorientierung.

Darüber reden wir, wenn wir über gesellschaftlichen Zusam menhalt sprechen.

Von Kunst und Kultur ist in diesem Zusammenhang immer dann die Rede – wir haben es auch heute schon gehört –, wenn es um den Kitt oder, wie Macron es sagt, „ciment“, also Ze ment, Bindemittel, geht, der einzelne Menschen zu einer Ge meinschaft zusammenbindet. Die bundesweite Initiative „Kul turelle Integration“ schreibt in ihren Thesen – Herr Weinmann, Sie haben sich gerade auch schon darauf bezogen; ich zi tiere –:

Kultur trägt neben der sozialen Integration und der Inte gration in Arbeit wesentlich zum gesellschaftlichen Zu sammenhalt bei.

Dem wollen wir uns in dieser Landesregierung mit besonde rer Kraft stellen, und zwar nicht nur, lieber Herr Rivoir, ide ell, sondern auch konkret mit finanziellen Programmen und Mitteln.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das gilt allerdings unter dem Vorbehalt der Freiheit und Un abhängigkeit der Kunst. Sie darf – das ist schon gesagt wor den – nicht instrumentalisiert werden. Das widerspricht ihrem Wesen grundsätzlich.

Lieber Herr Balzer, Geschmack spielt da übrigens – das ha ben wir hier schon mehrfach diskutiert – keine Rolle. Und wenn Sie Kant lesen, lesen Sie dort auch, dass es um das „in teresselose Wohlgefallen“ geht, eben nicht um den Geschmack. Übrigens, falls Sie sich über Schiller in Film und Fernsehen informieren wollen: der SWR hat einen Film dazu produziert, der bei der ARD zu sehen war.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Hört, hört!)

Sie finden ihn also auch im deutschen Fernsehen und Filmge schäft wieder.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)