Protocol of the Session on March 7, 2018

Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaft liche Aufgabe, die wir nur mit einer gemeinsamen Kraftan strengung aller gesellschaftlicher Kräfte meistern werden. Herzlichen Dank dafür, dass vier Fraktionen in diesem Land tag ihren Beitrag zu dieser Kraftentwicklung leisten. Es ist be zeichnend, dass sich eine Fraktion daran nicht beteiligt.

(Abg. Anton Baron AfD: Wir wurden ja nicht gefragt, nicht einbezogen! Das wissen Sie doch, Herr Strobl! Also tun Sie nicht so! Ganz ehrlich!)

Regierungsseitig werden wir diesen Antrag mit Engagement umsetzen. Wir werden alles dafür tun, dass unsere Mitbürge rinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens wie alle anderen Menschen auch in diesem Land Baden-Württemberg, ja, in ganz Deutschland glücklich und vor allem friedlich leben kön nen. In diesem Sinn rufe ich Ihnen zu: Schalom! Das ist die hebräische Schreibweise für das deutsche Wort Frieden.

Danke.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich bin enttäuscht – enttäuscht darüber, dass dieser Antrag erst jetzt kommt, enttäuscht auch darüber, dass ich nicht mit auf dem Antrag stehe. Vielleicht ist es aber auch gut, dass ich nicht auf dem Antrag stehe. Denn vielleicht nehme ich das Thema Antisemitismus zu genau.

Herr Stoch, Sie warten seit dem 8. Februar 2017 immer noch auf eine Entschuldigung. Ich muss Sie aber enttäuschen. Den Antisemitismusvorwurf gegen Martin Schulz nehme ich nicht zurück. Wer judeophobe Aussagen beklatscht und inspirierend findet und vor der Knesset Ursache und Wirkung verwechselt, der ist für mich ein Antisemit.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Fragen Sie einmal an der TU Berlin nach, bei renommierten Antisemitismusforschern wie Herrn Professor Wolfgang Benz, den ich dort traf, und Frau Professorin Monika Schwarz-Frie sel. Letztere kritisiert auch das Ignorieren und Bagatellisieren von linkem Antisemitismus als sogenannte Kritik an Israel.

Auch die Grünen, die in der Vergangenheit israelische Pro dukte kennzeichnen wollten, haben sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Antisemitismus ist wieder salonfähig. Das zeigt auch das Zögern der Öffentlich-Rechtlichen beim Aus strahlen der Antisemitismus-Dokumentation.

Wir müssen Antisemitismus geschlossen entgegentreten – auf allen Ebenen. Straftaten und Delikte dürfen nicht automatisch der rechten Szene zugeordnet werden. Expertenkreise spre chen von einem möglicherweise rechtsverzerrten Bild. Das bestätigen auch betroffene Juden.

Bereits in der Vergangenheit machte ich Sie auf brennende Is raelfahnen am Stuttgarter Israeltag aufmerksam. Herr Drex ler, Ihre Reaktion war: „Was sagt das jetzt?“ Ganz einfach, dass neben dem bereits vorhandenen der importierte Antise mitismus eine der größten Herausforderungen ist. Denn die se Menschen werden oft von klein auf indoktriniert. Dies zu durchbrechen wird einige Zeit benötigen.

(Abg. Anton Baron AfD: Richtig!)

Auch ist es enttäuschend, dass unser Landtag zum Jom haAtzma’ut keine Delegation nach Israel sendet. Darum ver suche ich gerade, auf eigene Faust eine auf die Beine zu stel len.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Abschließend möchte ich mich noch bei Frau Wölfle entschul digen, der ich am 13. Juli 2016 Antisemitismus vorwarf. Ich hatte es zwar damals auf Facebook richtiggestellt, möchte aber hier noch einmal die Möglichkeit nutzen. Entschuldigung, Frau Wölfle.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Bevor wir in die namentliche Abstimmung gehen, habe ich noch drei Wortmeldungen. – Herr Abg. Dr. Gedeon, wollen Sie noch reden?

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos]: Ja!)

Dann erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Lauter!)

Sie fühlen sich auf hohem moralischem Ross. Sie strotzen vor Gutheit, Sie platzen förmlich vor Gutheit. Aber Sie sind nicht gut, Sie sind nur heuchlerisch. Scheinheilig ist das, was Sie hier gesagt haben.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)

Sie erinnern mich an die Pharisäer. Sehen Sie mal in den Evangelien nach. Das ist genau die Attitüde der Pharisäer: „Ach, wie gut sind wir!“

(Zuruf von den Grünen)

Meine Damen und Herren, es geht in der Diskussion nicht um Antisemitismus. Das ist eine Schablone, die vorgeschoben ist. Es geht um Zionismus, um Zionismus in Deutschland.

Die Frage, auf die ich in meiner persönlichen Erklärung noch eingehen werde, ist, wie weit der Zionismus hier eine Rolle spielt, auch in der Justiz. Jetzt ist erst mal festzustellen: Die ser Antrag, der hier vorliegt, ist durch und durch zionistisch geprägt, und wenn wir ihn verabschieden, ist das ein Kotau vor dem Zionismus.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, seit 70 Jahren betreiben wir die exzessivste Vergangenheitsbewältigung,

(Abg. Sandra Boser GRÜNE zur AfD: Mitglied Ih rer Partei! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Der ist AfD-Mitglied nach wie vor!)

die je in der Geschichte der Menschheit betrieben worden ist.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Halten Sie mal die Luft an! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Unglaub lich! – Zurufe von der CDU)

Es ist an der Zeit, hier eine Pause, eine Erinnerungspause zu machen, einen Schlussstrich zu ziehen,

(Abg. Winfried Mack CDU: Einen „Schlussstrich“!)

den 60 bis 70 % der Bevölkerung befürworten. Die offizielle Politik aber will das Gegenteil – und ihre zionistischen Ver bündeten natürlich auch. Man bauscht das Thema Antisemi tismus, das in der deutschen Gesellschaft ein Randphänomen ist,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was?)

zum Megathema auf. Man weitet den Antisemitismusbegriff immer weiter aus. Inzwischen sind Sie Antisemit – „sekun därer Antisemit“ nennt man das –, wenn Sie z. B. die Verbre chen von Dresden oder die Verbrechen von Hiroshima kriti sieren und angehen

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: So ein Unfug! Das ist doch Blödsinn, was Sie da erzählen!)

oder wenn Sie z. B. die Massaker, die Israel im Gazastreifen an der Zivilbevölkerung 2008/2009 – –

(Zurufe, u. a.: So ein Unsinn!)

Herr Abg. Dr. Gedeon, kom men Sie bitte zum Schluss.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Aber ganz schnell!)

Meine Damen und Herren, das hat mit Antisemitismus nichts zu tun. Das ist ein Angriff auf Meinungsfreiheit und Demokratie. Wir haben nicht das Problem des Antisemitismus hier, sondern wir ha ben das Problem der Deutschenfeindlichkeit, nicht der Juden feindlichkeit.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Die Deutschenfeindlichkeit ist in Deutschland tausendmal schlimmer als die Judenfeindlichkeit.

Herr Abg. Dr. Gedeon, Ihre Redezeit ist beendet.

Schauen Sie bit te in die Schulen, schauen Sie in die türkische Community.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Unfassbar! – Zurufe: Auf hören!)

Wir brauchen einen Beauftragten gegen Deutschenfeindlich keit, aber nicht gegen Antisemitismus.